Nemeifcher Löwe.
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gewicht der Kompofition geftaltete und wie vor allem
jeder Anfchlufs des Umriffes an den rechten Rand des
Reliefs vermifst wird. Ein folcher Anfchlufs fehlt aber
fonft niemals, aufser wo es fich um reine Mittelgruppen
in Dreieckform handelt, wie in der Hirfch- und der
Amazonenmetope (vergl. Taf. XLV). Hätte alfo wirklich
Herakles allein in der rechten Hälfte des Reliefs ge-
funden, fo müfste fich die Nähe des Reliefrandes ficher-
Üch in dem Umrifs feiner rechten Seite fpüren laffen;
insbefondere könnte das Hinterteil des Löwen unter
ihm nicht fo weit nach rechts vorfpringen, der Künft-
ler würde vielmehr andernfalls gewifs nicht unterlaffen
haben, feinen Herakles auf dem Löwen nach rechts zu
rücken. Darin, dafs ftatt deffen die Mittelachfe der
Hauptgeftalt mit der des Löwen zufammenfällt, giebt
fich jene deutlich als Mittelfigur des Relieffeldes zu er-
kennen. Dies aber führt auf eine Kompofition nach
dem Schema der Atlasmetope, wie wir fie in Abb. 175c
wiederherzufteilen verrucht haben.
Aber müfsten in diefem Falle nicht beide Neben-
figuren ihre Standfpuren auf Kopf und Hinterteil des
Löwen hinterlaffen haben? Wie kommt es, dafs deffen
Aufficht (Abb. 176a) hiervon nichts zeigt? Die Löfung des
Rätfels liegt darin, dafs der Löwe nicht mit dem Relief-
grund und den Nebengeftalten aus demfelben Stück
Marmor gearbeitet war, fondern aus einem befonderen
Block gemeifselt und nachträglich vor die Metope vor-
gefchoben worden ift.
Dafs ich diefe, auf den erften Blick höchft befremd-
liche Thatfache an ficheren technifchen Kennzeichen habe
feftftellen können, verdanke ich Herrn Heron de Ville-
foffe, welcher zu diefem Zweck eine neue Abformung
Rückfeiten der Bruchflücke aus der Löwenmetope (t : 8]
des Löwen vornehmen liefs und die Güte hatte, fie mir
zur Verfügung zu fiellen. Nach diefem neuen Abgufs
ift Abb. 176 angefertigt. Weggelaffen find lediglich die
Höhlungen für die modernen Klammern, mit welchen
der Löwe früher im Louvre an der Wand befeftigt war.
Zunächft zeigt hier die Aufficht (a) keinen Anfatz
der Hintergrundplatte, wie dies doch der Fall fein müfste,
wenn der Löwe mit diefer aus einem Stück gemeifselt
worden wäre. Sie kann auch nicht etwa erft in neuerer
Zeit abgemeifselt fein. Dies beweift für die Oberanficht
die Stelle, auf welcher der rechte Heraklesfufs auffteht,
und für die Rückfeite (b) die Spitzung, welche über alle
drei Bruchflücke des Löwen fich gleichmäfsig hinzieht,
alfo bereits vor deffen Zertrümmerung ausgeführt fein
mufs. Auch wären die fpitzen Kanten, mit welchen die
Fragmente hinten unter der rechten Ferfe des Herakles
zufammentreffen, von den derben Hieben des Spitzeifens
unbedingt abgefprengt worden, wenn die Abarbeitung
erft nach dem Bruch' erfolgt wäre. Endlich zeigt die
Unterfeite (Abb. 176c) genau diefelbe Art der Spitzung;
hier aber wird deren antiker Urfprung durch das von
uns aufgefundene Hinterteilftück S—$' gefichert. Es
war mithin auch die Fufsleifte des Reliefs nicht an den
Löwenleib angearbeitet.
War alfo der Löwe aus einem gefonderten Block
gemeifselt, fo mufs dies auch mindeftens von den mit
dem Löwen unmittelbar zufammenhängenden Unterbei-
nen des Herakles gelten (vergl. S. 157 zu Abb. 177 g")-
Dem entfprechend zeigen Kopf und Arme an ihrer Rück-
feite ebenfalls faft vollrunde Ausführung (f. Abb. 177, wo
übrigens an der Rückfeite zweier Fragmente (b und c)
auch Refte von Fehlbohrungen zu fehen find).
Natürlich ift eine fo mühfame und verwickelte Ein-
ftückung des Löwen und der Heraklesbeine in die Me-
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gewicht der Kompofition geftaltete und wie vor allem
jeder Anfchlufs des Umriffes an den rechten Rand des
Reliefs vermifst wird. Ein folcher Anfchlufs fehlt aber
fonft niemals, aufser wo es fich um reine Mittelgruppen
in Dreieckform handelt, wie in der Hirfch- und der
Amazonenmetope (vergl. Taf. XLV). Hätte alfo wirklich
Herakles allein in der rechten Hälfte des Reliefs ge-
funden, fo müfste fich die Nähe des Reliefrandes ficher-
Üch in dem Umrifs feiner rechten Seite fpüren laffen;
insbefondere könnte das Hinterteil des Löwen unter
ihm nicht fo weit nach rechts vorfpringen, der Künft-
ler würde vielmehr andernfalls gewifs nicht unterlaffen
haben, feinen Herakles auf dem Löwen nach rechts zu
rücken. Darin, dafs ftatt deffen die Mittelachfe der
Hauptgeftalt mit der des Löwen zufammenfällt, giebt
fich jene deutlich als Mittelfigur des Relieffeldes zu er-
kennen. Dies aber führt auf eine Kompofition nach
dem Schema der Atlasmetope, wie wir fie in Abb. 175c
wiederherzufteilen verrucht haben.
Aber müfsten in diefem Falle nicht beide Neben-
figuren ihre Standfpuren auf Kopf und Hinterteil des
Löwen hinterlaffen haben? Wie kommt es, dafs deffen
Aufficht (Abb. 176a) hiervon nichts zeigt? Die Löfung des
Rätfels liegt darin, dafs der Löwe nicht mit dem Relief-
grund und den Nebengeftalten aus demfelben Stück
Marmor gearbeitet war, fondern aus einem befonderen
Block gemeifselt und nachträglich vor die Metope vor-
gefchoben worden ift.
Dafs ich diefe, auf den erften Blick höchft befremd-
liche Thatfache an ficheren technifchen Kennzeichen habe
feftftellen können, verdanke ich Herrn Heron de Ville-
foffe, welcher zu diefem Zweck eine neue Abformung
Rückfeiten der Bruchflücke aus der Löwenmetope (t : 8]
des Löwen vornehmen liefs und die Güte hatte, fie mir
zur Verfügung zu fiellen. Nach diefem neuen Abgufs
ift Abb. 176 angefertigt. Weggelaffen find lediglich die
Höhlungen für die modernen Klammern, mit welchen
der Löwe früher im Louvre an der Wand befeftigt war.
Zunächft zeigt hier die Aufficht (a) keinen Anfatz
der Hintergrundplatte, wie dies doch der Fall fein müfste,
wenn der Löwe mit diefer aus einem Stück gemeifselt
worden wäre. Sie kann auch nicht etwa erft in neuerer
Zeit abgemeifselt fein. Dies beweift für die Oberanficht
die Stelle, auf welcher der rechte Heraklesfufs auffteht,
und für die Rückfeite (b) die Spitzung, welche über alle
drei Bruchflücke des Löwen fich gleichmäfsig hinzieht,
alfo bereits vor deffen Zertrümmerung ausgeführt fein
mufs. Auch wären die fpitzen Kanten, mit welchen die
Fragmente hinten unter der rechten Ferfe des Herakles
zufammentreffen, von den derben Hieben des Spitzeifens
unbedingt abgefprengt worden, wenn die Abarbeitung
erft nach dem Bruch' erfolgt wäre. Endlich zeigt die
Unterfeite (Abb. 176c) genau diefelbe Art der Spitzung;
hier aber wird deren antiker Urfprung durch das von
uns aufgefundene Hinterteilftück S—$' gefichert. Es
war mithin auch die Fufsleifte des Reliefs nicht an den
Löwenleib angearbeitet.
War alfo der Löwe aus einem gefonderten Block
gemeifselt, fo mufs dies auch mindeftens von den mit
dem Löwen unmittelbar zufammenhängenden Unterbei-
nen des Herakles gelten (vergl. S. 157 zu Abb. 177 g")-
Dem entfprechend zeigen Kopf und Arme an ihrer Rück-
feite ebenfalls faft vollrunde Ausführung (f. Abb. 177, wo
übrigens an der Rückfeite zweier Fragmente (b und c)
auch Refte von Fehlbohrungen zu fehen find).
Natürlich ift eine fo mühfame und verwickelte Ein-
ftückung des Löwen und der Heraklesbeine in die Me-