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Curtius, Ludwig
Über einen Apollokopf in Florenz — München, 1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.34184#0033
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Aber außer diesen aiigemeinen Erwägungen,
die mehr anzuregen ais zu überzeugen vermögen,
bestehen mehr bestimmte Anhaitspunkte, das
Werk in die Frühzeit des Phidias zu verweisen ^).
Ais der Abguß F in München aufgesteiit
wurde, fühite sich ein Kenner davor an nichts
so sehr erinnert, ais an den Kopf der Athena
Lemnia44). Bei dem nachprüfenden Vergieich
zeigte sich, wie richtig dieser Gedanke war. In
beiden Fähen eine Aniage des Gesichts im iäng-
iichen Schnitt, wo dem zartwangigen Untergesicht
die kantige Stirne übergeiagert ist, ein ähniicher
Schnitt des Mundes, der Nase usw., und schiieß-
iich ist auch an der Lemnia das Haar von einer
Erfindung und Beweglichkeit, die nur in dem
Apoiiokopf eine Paraiieie findet. Aiiein, was
man so oft versucht hat, zu definieren, der außer-
ordentlich individuelle Charakter der Athena
Lemnia ist so stark, daß kein anderes Werk im
Vergleich ihr ganz nahe kommen kann.
Von der Athena Parthenos des Phidias haben
wir in der Gemme des Künstlers Aspasios (Furt-
wängler, Gemmen, Taf. 51, f6; hier Fig. 24) eine
Nachbildung, die an Authenticität die bekannten,
unter sich so sehr verschiedenen Marmorkopien
übertrifft. Nicht nur ist sie ihrer Natur nach intact
und dadurch ein sicherer Interpret als jene, ihr
Bild ist auch reicher und glänzender, im Aus-
druck jenen unendlich überlegen. Sie geht gewiß
auf die intimste Kenntnis des Künstlers von der
berühmten Figur zurück. Was nun beinahe er-
staunlich ist, das ist ihre schlagende Ähnlichkeit
mit der Profilansicht unseres Kopfes. Deckt
man den Helm, so scheint es beinahe, als gäbe

sie jenen selbst wieder. Die Stellung der Augen,
Nase, Mund, Kinn, zuletzt das reiche Haar, —
kaum ist eine Nuance von Unterschied zu ge-
wahren, und das Ganze mündet in die gleiche
erhabene Wirkung. Sind sich doch beide Gott-
heiten im Wesen so nah verwandt. Nur ist das Ge-
sicht der schönen Göttin weicher und voller ge-
bildet. Gewahrt man aber die nahe Verwandt-
schaft der Parthenos und Lemnia zum Kasseler
Apoll, dann erklären sich auch die Züge eigen-
tümlicher Strenge an ihnen. Es erhebt sich dann
freilich die Frage nach dem Verhältnis, in dem
der, wie uns scheint, so enge mit dem strengen
Stil der Übergangszeit zusammenhängende Künst-
ler zu den Parthenonsculpturen steht.
L. Curtius.


Fig. 24. Gemme des Aspasios

Anmerkungen.
') Siehe das Repiikenverzeichnis bei Furtwängier,
Meisterwerke, S. 37t Anm. 1. Dazu die ausdrucksvolle
Wiederholung der Glyptothek Ny-Carlsberg, BilledtavlerV,
62, früher bei H. v. Keudell. Bei Lermann, Altgriechische
Plastik, S. t48, ist ein Apollokopf im Louvre, n° t279, „als
nächster, wenn auch jüngerer Verwandter des Kasseler
Apollon" angeführt. Das Stück ist auf Grund der Kataloge
nicht zu identiücieren, wahrscheinlich ist es das von Furt-
wängier a. a. O. unter 5 angeführte. Sich die ganze Sta-
tue zu vergegenwärtigen, bietet ein Hilfsmittel die Abbil-
dung nach dem Straßburger Abguß bei Michaelis, Straß-
burger Antiken, Fig. 27. Studniczka, Kalamis, Taf. 9.
Die im Abguß benutzten, im Text citierten Exemplare
sind der Kopf der Kasseler Statue, Michaelis a. a. O. (K),
jener der Sammlung Barracco, Collection Barracco XXXIV,
Furtwängier, Meisterwerke, S. 377, Fig. 53 (B), ein anderer
früher von Barracco, dann von Brunn besessener, jetzt in

Ny-Carlsberg befindlicher, Arndt, Glyptotheque Ny-Carls-
berg, PI. 34, BilledtavlerV, 6t (C), der neue Florentiner (F).
°) Eines der am besten erhaltenen Beispiele von
Resten bemalter Augen ist an dem herbschönen Athena-
kopf von Brescia, Arndt-Amelung, Einzelaufn. 194/6, Furt-
wängier, Meisterwerke S. 125 (sehr zerstörte Wiederholung
im röm. Thermenmuseum?), noch zu sehen. Hier er-
scheint, nachdem der vielleicht helle deckende Ton ge-
schwunden ist, der Augapfel wie weiß ausgespart inmitten
der dunkleren Sktera. — Für Rot als Untergrund von Gold
im Haar sei aufmerksam gemacht auf ein zartes Marmor-
köpfchen eines kleinen Mädchens, leichte Originalarbeit
aus praxitelischem Kreis, in Privatbesitz in München. Das
Haar der „Melonenfrisur" ist ganz mit einem feinen
Bordeauxrot getränkt. Der Finder teilte mit, er habe es
zu unvorsichtig gereinigt, und da sei alles Gold im Haar,
das er für dauerhafter hielt, weggegangen.
") Die Varianten der Zopftracht sind zahlreicher, als
bisher festgestellt ist. Man hat sie nicht immer deutlich

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