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Chronik für vervielfältigende Kunst — 1.1888

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https://doi.org/10.11588/diglit.3767#0056
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für die Zwecke der Schristgravirung zum ersten Male die grosse Reihe
von Schrcibvorlagen ausgestellt, welche sich in ungewöhnlicher Voll-
ständigkeit im Resitze der kgl. Museen befinden, ein Material, das auch
sür die Zwecke der heutigen Kalligraphie besser gekannt und benützt
werden sollte. Man empfindet erst vor dieser Fülle raumsehöner und
virtuoser Blätter, wie eng heute der Formenkreis und wie ärmlich die
Handsertigkeit der Schreibenden geworden sind.
Die Pariser Exposition de la Caricature ist am 19. April in der
E'cole des Beaux-Arts eröffnet worden. Einen Bericht über sie bringt die
nachste Chroniknummer.

Eine Internationale Placatausstellung hat kürzlich in Wien
stattgefunden, unseres Wissens die erste in ihrer Art auf unserem Con-
tinent. Sie bot sür das vergleichende Studium der edlen Reclame ziemlich
umsänglichen Stoff. Namentlich die amerikanischen und englischen
Placate haben ihrer in die Augen sallenden Originalität halber nicht seiten
auch ihrer technischen Tüchtigkeit wegen vorbildlichen Wert. So künst-
lerisch Ansprechendes aber und techniseh Vollendetes auch hier und da
zur Schau geboten war, eine Vcranlassung zu näherem Eingehen auf
diese Erzeugnisse einer hochentwickelten Industrie in einem vornehmlich
der Kunst gewidmeten Blatte Richten wir vergebens.
In Glasgow wird eine internationale Ausstellung mit einer
retrospectiven Abtheilung vom l. Mai bis letzten October statthaben.
Eine Exposition Internationale des Beaux-Arts soll gleichzeitig
mit der Weltausstellung in Paris am 5. Mai 1889 erösfnet werden. Sie
wird zersallen in eine sranzösische Abtheilung, in eine Abtheilung der
aus der Weltausstellung vertretenen und — „s'il y a Heu" — eine der
dabei nicht betheiligten sremden Länder.

L. F. Londoner Versteigerungen. Am 15. Mai findet bei
Sotheby die Versteigerung der Sammlung vonStichen und Zeichnungen
aus dem Besitze von J. J. Heywood statt. Der Katalog sührt 622 Num-
mern auf. Die Hauptserien sind die Stiche van Dijcks und W. Hollars.
Wir heben noch hervor einige Radirungen wie Miss Theophile Palmer
nach J. Reynolos und Lady Elisabeth Compton nach Peters, beide von
John Raphol Smith. Von Whistler sei sein Porträt Arthur Seymours
erwähnt, eine überaus seltene Radirung; zudem ist das unter den Hammer
gelangende Blatt ein ganz srüher Versuchsabdruck und wahrscheinlich
der Einzige, welcher existirt Es trägt weder Namen noch Datum und
zeigt nur am unteren Rande einen Totenkops. — Am 18. Mai gelangen
ebenfalls bei Sotheby die Werke des Abraham Raimboch zur Auction.
Raimboch wurde 1776 in London als der Sohn eines Suris, der nach
England übergesiedelt war, geboren. Seine Zeichnung ist gut und er wusste
Ausdruck und Charakter seiner Vorlagen wohl zu trefsen. Erwähnt seien
seine Stiche nach einer Venus von Reynolds und dem Ugolino. Um
1812 begann er nach David Wilkie zu stechen, berühmt ist sein Stich
der Village Politicians. Raimboch starb am 17. Januar 1843 in Greenwich.

Vermischte Nachrichten.
Die Seconde Sociale de Teyler in Hartem hat eine höchst
belangreiche Preisaufgabe ausgetrieben, deren Lösung in den
Kreisen der Kenner und Freunde des Ornamentftiches aus das Lebhasteste
interessiren wird. Es handelt sich um nichts Geringeres als um die Aus-
arbeitung eines wissenschastlichen Ansorderungen genügenden Lexikons

der niederländischen Ornamentstecher. Dadurch, dass die hollän-
dische Gesellschast diese von allen Sachkennern dringend ersehnte Aus-
gabe zum ersten Male stellt, hat sie sich ein grosses Verdienst erworben.
Hofsentlich sindet das Beginnen auch bei uns in Deutschland, das so reich
gewesen ist an Ornamentstechern, Nachsolge. Es fehlt hier nicht an Kräften
von wissenschaftlicher Besähigung und praktischer Einsicht, mannigfache
Detailarbeitcn liegen auch vor oder sind im Werke, aber im grossen
Ganzen sind die Handhaben sür das Studium des Ornamentstiches
überaus dürftig und ungeschickt. Nicht eher, als bis wir werden gelernt
haben, das überaus reichhaltige Material übersichtlich zu ordnen, zu
sichten und zu prüfen, erst dann werden wir den Schatz wahrhaft nutz-
bar zu machen vermögen. Seitdem namentlich unsere grossen Kunst-
gewerbemuseen umfallende Sammlungen von Ornamentstichen angelegt
haben, wird mehr und mehr auch die Aufmerksamkeit der Praktiker aus
diese kosthare Hinterlassenschaft unserer Altvorderen gelenkt. Die syste-
matische und vornehmlich die praktische Catalogisirung dieser Schätze
gehört noch zu den schwierigsten Fragen: noch kein allgemein befriedi-
gender Versuch ist bisher gelungen. Erst wenn kunstgeschichtliche For-
schung eingedrungen sein wird in die Ornamentstichkunde, die Meister
scheidend und ihre Beziehungen wägend zu Vorgängern und Zeit-
genossen, kurz, erst wenn uns das Lexikon der deutsehen Ornament-
stecher vorliegen wird, erst dann wird auch Klarheit kommen in unsere
Ornamentstichsammlungen und deren Cataloge. Es wäre eine schüne
Aufgabe für ein deutsehes, die Kunstwissenschaft sörderndes Instltut, nach
dem Vorgange der holhindischen Gesellschast zu diesem Werke die An-
regung zu geben und seine Durchsuhrung zu ermöglichen.
Nach dem Programme der Harlemer Seconde Societe de
Teyler wird verlangt:
1. Ein chronologisches Verzeichnis mit biographischen Notizen
der niederländischen Ornamentifien, welche seit Beginn des XV. Jahr-
hunderts bis in die Mitte des XVIII. Ornamente erfunden oder gezeichnet
haben und deren Werke von ihnen selblt oder anderen Künstlern
gestochen worden sind;
2. eine genaue Beschreibung der Werke dieser Ornamentstecher
mit der Angabe der Blattgrössen und der Orte, an denen sie bewahrt
werden;
3. eine Beschreibung der Kupferstiche niederländischer Künstler
nach sremden Meistern, soweit diese nicht schon von fremden Stechern
wiedergegeben worden sind.
Auch die anonymen Meister und die Monogrammisten sollen be-
rücksichtigt werden. Nähere Angaben über die Art der Bearbeitung gibt
das Programm. Als Einlieferungstermin ist der 1. April 1S90 bestimmt
worden. Die Arbeit kann in holländischer, französischer, deutseher und
englischer Sprache abgefasst sein. Die Sendung ist zu richten an die
„Maison de laFondation de seu M.P. Teyler van der Hülst ä Hartem".

Die Dresdener Kunstgenossenschaft hat einen Aufruf zur
Errichtung eines Ludwig-Richter-Denkmals in Dresden erlassen, den
wir im solgenden zum Abdruck bringen:
Nach einem langen Tagewerke unermüdlichen Schasfens, segens-
reicher Arbeit ist Ludwig Richter am 19. Juni 1884 von uns geschieden.
Den Dank, welchen tausend Zungen ihm jubelnd zuriesen, als sie ihm
kurz vordem zu seinem achtzigsten Geburtstage ihre Grissse und Wünsche
entgegenbrachten, sollen und wollen wir auch nach seinem Tode laut
und kräftig durch die That aussprechen.
Wohl lebt Ludwig Richter wie jeder wahre Künstler in seinen
Werken sort. Unwillkürlich wendet sich aber der Blick der Nachwelt von
den Schöpsungen zu dem Meister, erwacht der Wunseh, auch das Bild
des Mannes, dessen wir stets in Liebe und Bewunderung gedenken, ver-
klärt und verewigt zu schauen.
Wir erachten es deshalb als eine Ehrenschuld, Ludwig Richter
an der Stätte, wo er geboren wurde, wo er gelebt und gewirkt hat, ein
bleibendes Denkmal zu errichten und sind überzeugt, dass uns zur Lösung
dieser Schuld alle Freunde der Kunst, alle Schichten unseres Volkes gern
ihre werkthätige Hilse leihen werden.
 
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