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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Text — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52869#0476
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ZWEITVERGLASUNG DES CHORES

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ebenso gewahrt wie in der unveränderten Wiederholung ein und derselben Rahmenform bei den Medaillons, die
lediglich durch den rhythmischen Farbwechsel unterschieden werden. Der gesamte ornamentale Apparat weist indes-
sen so exakt auf das drei bis vier Jahrzehnte frühere Passionsfenster der Regensburger Minoritenkirche zurück, daß
hier sogar eine der Wurzeln für die jüngere Rothenburger Fenstergruppe zu vermuten ist: Der Teppichgrund zeigt die
gleichen weiß besamten, roten Blütenrosetten mit grünen Kreuzblättern in Gestalt von Hornaffen wie in Regensburg;
auch die ornamentale Gestaltung der Medaillonrahmen ist als konsequente Fortentwicklung des in Regensburg vorge-
bildeten Wechsels von Prismen, Perlen und Rosetten zu betrachten. In den Hintergründen der szenischen Groß-
medaillons wechseln dagegen einfarbige, für das Ende des 14. Jahrhunderts typische Würfelgründe recht unorthodox
und z.T. im selben Medaillon mit üppigen Rankengründen. In den Rahmen und Randbordüren dominiert das im
gesamten 14. und 15. Jahrhundert verbreitete SOS- und Perlbandmuster.
Im Vergleich zum begrenzten Ornamentapparat der Medaillons zeigt die fünfzeilige, architektonisch gerahmte Kom-
position der Verkündigung eine bunte Vielfalt geometrischer Muster, die in Form und Farbigkeit im Rhythmus a-b-a
des dreibahnigen Fensters wechseln. Teppichmuster aus Diamantquadern, Vierblattrauten und -karos mit kleinen, in
den Schnittpunkten eingestreuten Rosetten bilden die mehrfarbigen Hintergründe der Figuren und der Architektur
als Ganzes, während in die Tabernakelspitzen einfarbige Flächen von Prismen, Maßwerkkreisen und -karos einge-
schrieben sind, die lediglich aus dem Halbton ausradiert wurden. Gegenstandsgebundene Verzierungen, sei es in
Gewändern, Architektur oder szenischen Accessoires, sind in beiden Chorflankenfenstern nur sparsam eingesetzt und
beschränken sich neben einfachen schachbrettartig scharierten Flächen auf ein immer wiederkehrendes Repertoire
von Rosetten, Maßwerkformen, Rundbogenfriesen und mit Zwillingsblättern besetzte Kehlen. Plakative, mehrfarbige
Rautengründe wie im Fenster der Verkündigung zeigt das Eucharistiefenster nur im ausgedehnten Teppichgrund hin-
ter der Turmspitze (Abb. 365).
Farbigkeit: Obwohl das Farbglassortiment in allen Rothenburger Chorfenstern, auch im älteren Achsenfenster,
übereinstimmt, sind im Einzelnen sehr unterschiedliche Farbstimmungen zu beobachten: Im Verkündigungsfenster
herrscht Brillanz gepaart mit größtmöglicher Buntheit, ausgelöst durch die hervortretenden weißen und gelben Archi-
tekturformen und die farbige Vielfalt der Figuren einschließlich plakativer Farbkontraste in den Hintergründen (Fig.
311). Demgegenüber zeigt das Eucharistiefenster - gewiß verstärkt durch fortgeschrittene Verbräunung - ein
gedämpftes, wärmeres Kolorit, das zum einen auf den größeren Anteil gebrochener Töne (Rosa, Braun, Amethyst und
Purpur) in Architektur und Figuren, zum anderen aber auch auf die weniger unruhigen Farbwechsel in den tiefroten
und -blauen Hintergründen zurückzuführen ist. Lediglich im oberen Fensterdrittel schafft der großflächige hell/dun-
kelblau geschachte Rautengrund im Verein mit den roten Gründen hinter Gottvater und dem Propheten der Taber-
nakelspitze sowie der übergreifenden weißen Rundbogenrahmung mit roten Rosetten und gelben Perlbandstreifen ein
dem Verkündigungsfenster nahestehendes farbiges Wechselspiel (Fig. 3o8f.). Konsequent systematisiert ist die Farb-
gebung allein im Freuden-Marien-Fenster. Dort kommt mit dem einheitlichen Teppichgrund aus roten Rosetten und
grünen Kreuzblattzwickeln in den Seitenbahnen, blauen Zwickeln in der Mittelbahn, vegetabilen hellblauen Schlaufen
zwischen den Medaillons und einfachen Farbwechseln in Rahmen (gelb-weiß-gelb-weiß-gelb) und Hintergrund (grün
und blau) der Szenen eine klare farbliche Flächengliederung zum Einsatz. Innerhalb dieser strengen, die Gesamt-
erscheinung beherrschenden Farbhierarchie treten die wechselnden Akkorde aller verfügbaren Töne in den Szenen
deutlich zurück. Allenfalls die großflächigen roten, hellblauen oder gelben Gewänder setzen hier und da vereinzelte
Akzente (Fig. 310).

124 Vgl. Maurer, 1954, S. 74(1.; Becksmann, CVMA Deutschland II,1,
1979, Taf. XXIII (Rekonstruktion des Medaillonfensters in Colmar);
Fritzsche, CVMA Deutschland XIII,1,1987, Taf. 195 ff.; Frenzel, 1954,
S. 38-46; Scholz, CVMA Deutschland 1,3, 1994, S. 26-29; Becksmann,
CVMA Deutschland 1,2, 1986, S. 166-168; Frankl, 1936 (mit Behand-
lung der Medaillonfenster in München, Augsburg, Freising etc.).
125 Becksmann, 1967, S. 91-96, 120-126, 133, Fig. 17, Abb. 41, 71;
Rode, CVMA Deutschland IV,1, 1974, besonders S. 57-65.

126 Drachenberg, CVMA DDR 1,2, 1983, passim. Das gemeinsame
Vorbild dürfte indessen in den gemalten Loggien der Marienkapelle auf
Burg Karlstein zu finden sein (vgl. Anm. 145).
127 Vgl. Scholz, CVMA Deutschland 1,3, 1994, besonders S. 26-28,
Fig- 3-5-
128 Zur Chorverglasung von St. Sebald vgl. einstweilen Frenzel, 1954.
 
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