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Scholz, Hartmut
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg (extra muros): Anhänge, Tafeln — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 10,1, Teil 2: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.52870#0025
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552

ANHANG l: ABGEWANDERTE SCHEIBEN

schwächlichen Figuren, die spannnungsarme Komposition und nicht zuletzt die Rahmenlösung mit den Zwickelfigür-
chen als typische Arbeiten des Künstlers zu betrachten sind.
Die zuerst von Knappe angestellte Überlegung, daß auch Wolf Traut ab etwa 151 o an den Entwürfen des Zyklus betei-
ligt gewesen sei, ist mit Hinweis auf die »dünnlinig-spröd gezeichneten späten Wöhrder Scheiben« (Noli me tangere,
Höllenfahrt, Thomaszweifel) und den damit übereinstimmenden Zeichenstil Trauts - etwa in der Hl. Sippe in Buda-
pest40 41, der Hl. Anna Selbdritt im Pariser Louvre42 oder der nahestehenden Geburt Christi im Germanischen National-
museum in Nürnberg43 - auch vom Verfasser mit gewissen Einschränkungen übernommen worden44. Die Vorbehalte
galten freilich in erster Linie der Vermutung, daß das gröbere Erscheinungsbild der genannten Darstellungen allein den
Entwürfen und nicht vielmehr dem ausführenden Glasmaler anzulasten sei. Daß die väterliche Werkstatt des Malers
Hans Traut von Speyer (f 1516) aber selbst mit der Produktion von Glasgemälden beschäftigt war, wie in den Rech-
nungsbüchern des Zisterzienserklosters Heilsbronn belegt (Reg. Nr. 35), läßt die Besonderheiten dieses Glasmalerstils
in einem völlig neuen Licht erscheinen. Bis dato hat man die Ausführung des gesamten Karmeliterzyklus einvernehm-
lich der Hirsvogelwerkstatt zugeschrieben und dabei die vorhandenen Unterschiede in der Machart als Eigentümlich-
keit der verschiedenen Entwerfer und als Resultat einer zeitlichen Entwicklung interpretiert. In Anbetracht der Viel-
zahl beteiligter Fensterstifter ist allerdings nicht einfach vorauszusetzen, daß der Auftrag in allen Fällen an ein und
dieselbe Werkstatt gegangen ist (vgl. auch Kunstgeschichtliche Einleitung S. 68 f., 72).
Datierung: Der Beginn der Arbeiten an der Kreuzgangsverglasung des Nürnberger Karmeliterklosters ist nach
Sebald Schreyer Ende 1504, kurz vor Weihnachten, zu datieren (Reg. Nr. 81), wozu auch das Datum 1505 auf der frü-
hen Scheibe der Darbringung im Tempel paßt. Mit dem Abschluß der spätesten, stilistisch einheitlichen Scheiben ist
aufgrund der datierten Fußwaschung im Jahr 1511 zu rechnen. Das immer wieder genannte Vollendungsdatum 1513
geht auf einen von Schwemmer angestrengten Vergleich der frühen Wöhrder Geburt Christi mit dem gleichnamigen,
1513 datierten Glasgemälde der Hornschen Kapelle in den Kunstsammlungen der Veste Coburg zurück und besitzt
keinerlei Aussagekraft45.
Hinweise zum Katalog: Die an den Standorten Großgründlach, Henfenfeld und Nürnberg (Wöhrd) erhaltenen Ein-
zelfelder werden im vorliegenden Band, die der innerstädtischen Nürnberger Pfarrkirche St. Lorenz in dem in Vor-
bereitung befindlichen Teilband 2 behandelt.

40 Vgl. Scholz, Werkstattpraxis, 1991, S. 110.
41 Vgl. Schönbrunner/Meder, Nr. 669.
42 Vgl. Herwarth Röttgen, in Kat. Ausst. Nürnberg 1961, Nr. 372.
43 Vgl. Zink, 1968, Nr. 89.

44 Knappe, Baldung, 1963, S. 67; Scholz, Werkstattpraxis, 1991,8. 113k
45 Vgl. Schwemmer, 1933, S. 44k
 
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