XVI
EINFÜHRENDE HINWEISE UND ERLÄUTERUNGEN
die ihre Beschreibung erschwert. Dennoch werden auch hier die dort gebräuchlichen Begriffe verwendet. Unter
Tabernakel wird daher eine von Säulen getragene, unter Baldachin eine auf Konsolen ruhende, vorn frei schwebende,
räumlich vorzustellende Bekrönung verstanden. Ist eine räumliche Interpretation nicht möglich, so wird die Rahmen-
form als Arkade bezeichnet. In der Spätgotik kommt es zu einer Vermischung architektonischer und vegetabiler
Formen, die unter dem Begriff Astwerk zusammengefaßt wird.
Gleiche Aufmerksamkeit gilt der Beschreibung und typenmäßigen Erfassung der Ornamentscheiben, einerlei ob
sie als Ornamentfenster eigenständige Fensterkompositionen bilden oder mit figürlichen Scheiben verbunden sind.
Angesichts der bis in die Anfänge der Glasmalerei zurückweisenden Grisailleornamentik sind hier die entwicklungs-
geschichtlichen Zusammenhänge besonders vielschichtig.
Eine große Vielfalt zeigen auch die Hintergrundornamente. Die Palette der Muster reicht von streng geometrischen
Formen (Karos, Rauten, Kreise) über Mischformen (Kreuzblattkaros, Blütenrosetten) zu vegetabilen Rankenbildun-
gen. Im späten 15. Jh. werden Damastgründe bevorzugt. Bei der Ausführung dieser Muster nimmt der Glasmaler
in der Spätzeit häufig Schablonen zu Hilfe. Die auf den Seiten XIII—XV zusammengestellten Grundmuster sollen
einen entwicklungsgeschichtlichen Überblick über die in dem behandelten Scheibenbestand vorkommenden Typen-
bildungen ermöglichen. Sie sind daher gruppenweise chronologisch geordnet und entsprechend beschriftet. Ihre
Zitation innerhalb des Gesamtwerkes wird durch die Beifügung der Bandnummer sowie die jeweils auf einen
Band beschränkte Zählung erleichtert.
In der Farbkomposition hoch- und spätgotischer Glasfenster spielt die Farbverschränkung eine entscheidende Rolle.
Die Farben der Hintergründe und Architekturbekrönungen werden innerhalb eines Fensters oder eines Fensterpaares
übers Kreuz, d.h. rhythmisch gewechselt. In komplizierterer Form wird die Farbverschränkung auch innerhalb
der Bildkomposition eingesetzt, wobei zusätzlich noch eine Spaltung in warme und kalte Gegenfarbklänge erfolgen
kann. Ist die Farbkomposition klar erkennbar, so wird ihre Struktur beschrieben, d.h. die eigentlichen Farbträger
werden nur in Klammern genannt. Bei fragmentierten Beständen muß dagegen meist vom Bildgegenstand ausgegan-
gen und aufzählend beschrieben werden. In Anbetracht der je nach Lichtverhältnissen wechselnden Farbigkeit
wird auf eine zu weitgehende Differenzierung der Farbbezeichnungen verzichtet.
Als Einführung in die Probleme mittelalterlicher Glasmalerei sind zwei neuere Werke zu empfehlen: J. Lafond,
Le vitrail. Origines, technique, destinees, Paris 1966 bzw. 2i978, und E. Frodl-Kraft, Die Glasmalerei. Entwick-
lung, Technik, Eigenart, Wien/München 1970.
Zur Erhaltung mittelalterlicher Glasmalereien: Glasgemälde waren stets der Zerstörung durch Hagel,
Sturm und Steinwürfe ausgesetzt. Im Mittelalter wurden sie ständig gepflegt und ausgebessert, in nachmittelalterlicher
Zeit immer mehr vernachlässigt. Unermeßliches ging durch den Bildersturm, die Kriege des 17. Jh., das Lichtbedürf-
nis der Aufklärung und nicht zuletzt durch die Verschleuderung kirchlichen Kunstgutes im Zuge der Säkularisation
zugrunde. Erst mit der romantischen Begeisterung für die Kunst des Mittelalters nahm man sich der Glasmalerei
wieder an. Grundlegende Restaurierungen folgten. Heute sind die Farbfenster jedoch überall dort, wo keine Siche-
rungsmaßnahmen getroffen werden, unausweichlich vom Zerfall bedroht.
Mittelalterliche Farbgläser sind freilich schon auf Grund ihrer chemischen Zusammensetzung und physikalischen
Struktur durch die ständige Einwirkung von Wasser (Regen, Tau) einem natürlichen Alterungsprozeß unterworfen,
der ein Irisieren bzw. Blindwerden der Scheiben bewirkt. Seit der Industrialisierung wird dieser Zersetzungsprozeß
durch Schadstoffe in der Atmosphäre (vor allem Schwefeldioxyd) beschleunigt; in den beiden letzten Jahrzehnten
hat er katastrophale Ausmaße angenommen. Die in Verbindung mit Feuchtigkeit entstehende Schwefelsäure zerfrißt
die Glasoberfläche (Lochfraß) und zersetzt dabei die Glassubstanz. Der so entstehende Sulfatbelag verursacht nicht
nur eine Transparenzminderung, sondern meist auch den Verlust der außenseitigen Bemalung. Bei Schwitzwasserbil-
dung bleibt auch die Bemalung der Innenseite nicht verschont; Lotausbrüche sind die Folge.
Die einzige, derzeit vertretbare Maßnahme zur Sicherung der Farbfenster besteht in der Anbringung einer isotherma-
len Außenschutzverglasung, bei welcher die originalen Scheiben auf einer Stahlkonstruktion in den Innenraum versetzt
und damit vor atmosphärischen Einflüssen geschützt werden.
Zum Problem der Erhaltung und Sicherung vgl. die jüngsten Beiträge von U.-D. Korn, Ursachen und Symptome
des Zerfalls mittelalterlicher/ Glasmalereien, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 29, 1971, S. 58—74; E. Frodl-
EINFÜHRENDE HINWEISE UND ERLÄUTERUNGEN
die ihre Beschreibung erschwert. Dennoch werden auch hier die dort gebräuchlichen Begriffe verwendet. Unter
Tabernakel wird daher eine von Säulen getragene, unter Baldachin eine auf Konsolen ruhende, vorn frei schwebende,
räumlich vorzustellende Bekrönung verstanden. Ist eine räumliche Interpretation nicht möglich, so wird die Rahmen-
form als Arkade bezeichnet. In der Spätgotik kommt es zu einer Vermischung architektonischer und vegetabiler
Formen, die unter dem Begriff Astwerk zusammengefaßt wird.
Gleiche Aufmerksamkeit gilt der Beschreibung und typenmäßigen Erfassung der Ornamentscheiben, einerlei ob
sie als Ornamentfenster eigenständige Fensterkompositionen bilden oder mit figürlichen Scheiben verbunden sind.
Angesichts der bis in die Anfänge der Glasmalerei zurückweisenden Grisailleornamentik sind hier die entwicklungs-
geschichtlichen Zusammenhänge besonders vielschichtig.
Eine große Vielfalt zeigen auch die Hintergrundornamente. Die Palette der Muster reicht von streng geometrischen
Formen (Karos, Rauten, Kreise) über Mischformen (Kreuzblattkaros, Blütenrosetten) zu vegetabilen Rankenbildun-
gen. Im späten 15. Jh. werden Damastgründe bevorzugt. Bei der Ausführung dieser Muster nimmt der Glasmaler
in der Spätzeit häufig Schablonen zu Hilfe. Die auf den Seiten XIII—XV zusammengestellten Grundmuster sollen
einen entwicklungsgeschichtlichen Überblick über die in dem behandelten Scheibenbestand vorkommenden Typen-
bildungen ermöglichen. Sie sind daher gruppenweise chronologisch geordnet und entsprechend beschriftet. Ihre
Zitation innerhalb des Gesamtwerkes wird durch die Beifügung der Bandnummer sowie die jeweils auf einen
Band beschränkte Zählung erleichtert.
In der Farbkomposition hoch- und spätgotischer Glasfenster spielt die Farbverschränkung eine entscheidende Rolle.
Die Farben der Hintergründe und Architekturbekrönungen werden innerhalb eines Fensters oder eines Fensterpaares
übers Kreuz, d.h. rhythmisch gewechselt. In komplizierterer Form wird die Farbverschränkung auch innerhalb
der Bildkomposition eingesetzt, wobei zusätzlich noch eine Spaltung in warme und kalte Gegenfarbklänge erfolgen
kann. Ist die Farbkomposition klar erkennbar, so wird ihre Struktur beschrieben, d.h. die eigentlichen Farbträger
werden nur in Klammern genannt. Bei fragmentierten Beständen muß dagegen meist vom Bildgegenstand ausgegan-
gen und aufzählend beschrieben werden. In Anbetracht der je nach Lichtverhältnissen wechselnden Farbigkeit
wird auf eine zu weitgehende Differenzierung der Farbbezeichnungen verzichtet.
Als Einführung in die Probleme mittelalterlicher Glasmalerei sind zwei neuere Werke zu empfehlen: J. Lafond,
Le vitrail. Origines, technique, destinees, Paris 1966 bzw. 2i978, und E. Frodl-Kraft, Die Glasmalerei. Entwick-
lung, Technik, Eigenart, Wien/München 1970.
Zur Erhaltung mittelalterlicher Glasmalereien: Glasgemälde waren stets der Zerstörung durch Hagel,
Sturm und Steinwürfe ausgesetzt. Im Mittelalter wurden sie ständig gepflegt und ausgebessert, in nachmittelalterlicher
Zeit immer mehr vernachlässigt. Unermeßliches ging durch den Bildersturm, die Kriege des 17. Jh., das Lichtbedürf-
nis der Aufklärung und nicht zuletzt durch die Verschleuderung kirchlichen Kunstgutes im Zuge der Säkularisation
zugrunde. Erst mit der romantischen Begeisterung für die Kunst des Mittelalters nahm man sich der Glasmalerei
wieder an. Grundlegende Restaurierungen folgten. Heute sind die Farbfenster jedoch überall dort, wo keine Siche-
rungsmaßnahmen getroffen werden, unausweichlich vom Zerfall bedroht.
Mittelalterliche Farbgläser sind freilich schon auf Grund ihrer chemischen Zusammensetzung und physikalischen
Struktur durch die ständige Einwirkung von Wasser (Regen, Tau) einem natürlichen Alterungsprozeß unterworfen,
der ein Irisieren bzw. Blindwerden der Scheiben bewirkt. Seit der Industrialisierung wird dieser Zersetzungsprozeß
durch Schadstoffe in der Atmosphäre (vor allem Schwefeldioxyd) beschleunigt; in den beiden letzten Jahrzehnten
hat er katastrophale Ausmaße angenommen. Die in Verbindung mit Feuchtigkeit entstehende Schwefelsäure zerfrißt
die Glasoberfläche (Lochfraß) und zersetzt dabei die Glassubstanz. Der so entstehende Sulfatbelag verursacht nicht
nur eine Transparenzminderung, sondern meist auch den Verlust der außenseitigen Bemalung. Bei Schwitzwasserbil-
dung bleibt auch die Bemalung der Innenseite nicht verschont; Lotausbrüche sind die Folge.
Die einzige, derzeit vertretbare Maßnahme zur Sicherung der Farbfenster besteht in der Anbringung einer isotherma-
len Außenschutzverglasung, bei welcher die originalen Scheiben auf einer Stahlkonstruktion in den Innenraum versetzt
und damit vor atmosphärischen Einflüssen geschützt werden.
Zum Problem der Erhaltung und Sicherung vgl. die jüngsten Beiträge von U.-D. Korn, Ursachen und Symptome
des Zerfalls mittelalterlicher/ Glasmalereien, in: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 29, 1971, S. 58—74; E. Frodl-