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BADEN-BADEN • KLOSTER LICHTENTAL
den einzeln wiedergegebenen Stifter mit Markgraf Hermann VII.); R. Becksmann, 1967, S. 22, 44f., Abb. 37
(Architektur- und Ornamentscheiben um 1310 datiert und nach Straßburg lokalisiert).
Geschichte des Baues: Zum Andenken an den 1243 verstorbenen Markgrafen Hermann IV. von Baden hat
dessen Frau Irmgard das Zisterzienserinnenkloster Lichtental gegründet, das 1245 bereits in Bau war und zum
Hauskloster der Markgrafen von Baden wurde. Nach Vollendung der 1288 von Rudolf I. gestifteten Totenkapelle
(s. S. 96.) wurde auch die Klosterkirche um 1300 in hochgotischen Formen neu errichtet. Baudaten sind keine
überliefert, doch wird ein Ablaß von 1321 mit dem Abschluß der Bauarbeiten in Zusammenhang gebracht2.
Zumindest der Neubau des Chores ist noch mit der Stiftung Rudolfs I. zu verbinden; in der Stiftungsurkunde
von 1288 heißt es nämlich: mit dem Restbetrag des Zehnten von Steinbach sol man die capellen bessern und auch
da^ Got^hus3. Die Bauformen des Chores weisen in das späte 13. Jh.; seine Farbverglasung muß er bald nach
1300 erhalten haben (s. S. 7f.).
Der durch die jüngsten baulichen Veränderungen — Erhöhung des Chores mit Treppenanlage — in seiner ursprüng-
lichen Raumwirkung erheblich beeinträchtigte Bau schließt nach zwei Jochen mit fünf Seiten eines Achtecks
(Fig. I, Taf. Illa, b). Die Achse des Chores wird durch ein dreibahniges Fenster ausgezeichnet, während die
Schräg- und Längsseiten nur zweibahnige Fenster aufweisen. Die seitlich der Fenster verbleibende Wandfläche
steigert sich folglich vom Chorpolygon zum Langhaus. Trotz unterschiedlicher Breite und Höhe der Fensterbahnen
erreichen alle Fenster eine lichte Gesamthöhe von 7,60 m. Das schlanke, scharf geschnittene Maßwerk zeigt in
den seitlichen Fenstern einfach genaste Bogendreiecke, im Achsenfenster ein Bogenquadrat zwischen Dreipaßroset-
ten. Der gedrungene, breitgelagerte Charakter des Chores wird im Innern einmal durch den wesentlich breiteren
Wandabschnitt in der Achse, zum anderen durch die tief herabgezogenen, auf polygonalen Tütenkonsolen ruhenden
Gewölbeanfänger betont. Den ebenfalls behäbig wirkenden Außenbau gliedern schlanke, tiefe Strebepfeiler mit
umlaufendem Sohlbankgesims und giebelförmigem Abschluß. Eine genaue Ableitung der Einzelformen ist bisher
ebensowenig erfolgt wie eine typologische Einordnung des Chorbaues4.
Geschichte der Verglasung: Nach dem letzten Forschungsstand hätte sich eine Beschäftigung mit der ursprüng-
lichen Farbverglasung des Chores der Lichtentaler Klosterkirche insofern erübrigt, als die hier für diesen Standort
in Anspruch genommenen erhaltenen bzw. verschollenen Scheiben entweder der Fürstenkapelle oder gar der Bickes-
heimer Wallfahrtskirche (s. S. 31) zugewiesen worden waren. Diese Lokalisierungen beruhen jedoch sämtlich auf
erst im Laufe des 19. Jh. entstandenen Mißverständnissen und Fehlschlüssen5.
Nach Angaben des mit der Geschichte Kloster Lichtentals bestens vertrauten Pfarr-Rektors F.J. Herr wurde
die Farbverglasung der Klosterkirche gleichzeitig mit derjenigen der Fürstenkapelle unter der Äbtissin Ursula
Röder von Hohen-Rodeck (1519—1 544) entfernt und auf dem Klosterspeicher deponiert, »woselbst einst ein großer
Rest solcher Fenster mit Figuren soll gelegen sein, wovon noch vor dreißig Jahren der Markgraf Friedrich das
Bessere erhalten haben«6. Eine architektonische und zwei ornamentale Scheiben fanden bei der Wiederherstellung
der Fürstenkapelle 1830/32 Verwendung. Von dem nach 1803 dem markgräflich-badischen Hause überlassenen
Bestand ließ Großherzog Leopold, der seit seiner Jugend ein leidenschaftlicher Sammler von Glasmalereien war
(s. S. 14, 196), für den großen Saal des Küchenbaues im Neuen Schloß, in welchem er eine Art Ahnengalerie
2 Vgl. E. Lacroix/P. Hirschfeld/H. Niester, 1942, S. 412-427,
432-437.
3 Der im westlichsten Chorschlußstein als stehender Ritter darge-
stellte Markgraf von Baden ist daher am ehesten mit Rudolfl. zu
identifizieren, zumal er stilgeschichtlich um 1300 anzusetzen ist. Vgl.
E. Lacroix/P. Hirschfeld/H. Niester, 1942, S. 423, 437,
Abb. 335; dort wird allerdings eine Identifizierung mit Rudolf III.,
der 1312 als Stifter genannt wird, vorgezogen. Mit capellen könnte
die frühere Totenhauskapelle gemeint sein.
4 E. Lacroix/P. Hirschfeld/H. Niester, 1942, S. 423, weisen le-
diglich für die Bündelkonsölen auf den Chor der Pforzheimer Franzis-
kanerkirche hin. Zu prüfen bleiben Zusammenhänge mit der elsässi-
schen Architektur um 1300.
5 Die These einer Herkunft aus Bickesheim vertritt erstmals J. Dam-
bacher (s. Bibl. S. 3) ohne Begründung. V. Schneider (s. Bibl.
S. 3) baut auf dieser These ihre Rekonstruktion der Bickesheimer
Farbverglasung auf. Eine Herkunft aus der Fürstenkapelle haben
erstmals K. Gimbel und B. Bauer (s. Bibl. S. 3) vertreten. Ohne
genaue Überprüfung und Kenntnis der Arbeit von F.J. Herr war
diese Angabe von mir noch 1967 übernommen worden.
6 F.J. Herr (s. Bibl. S. 3), 1833, S. 23.
BADEN-BADEN • KLOSTER LICHTENTAL
den einzeln wiedergegebenen Stifter mit Markgraf Hermann VII.); R. Becksmann, 1967, S. 22, 44f., Abb. 37
(Architektur- und Ornamentscheiben um 1310 datiert und nach Straßburg lokalisiert).
Geschichte des Baues: Zum Andenken an den 1243 verstorbenen Markgrafen Hermann IV. von Baden hat
dessen Frau Irmgard das Zisterzienserinnenkloster Lichtental gegründet, das 1245 bereits in Bau war und zum
Hauskloster der Markgrafen von Baden wurde. Nach Vollendung der 1288 von Rudolf I. gestifteten Totenkapelle
(s. S. 96.) wurde auch die Klosterkirche um 1300 in hochgotischen Formen neu errichtet. Baudaten sind keine
überliefert, doch wird ein Ablaß von 1321 mit dem Abschluß der Bauarbeiten in Zusammenhang gebracht2.
Zumindest der Neubau des Chores ist noch mit der Stiftung Rudolfs I. zu verbinden; in der Stiftungsurkunde
von 1288 heißt es nämlich: mit dem Restbetrag des Zehnten von Steinbach sol man die capellen bessern und auch
da^ Got^hus3. Die Bauformen des Chores weisen in das späte 13. Jh.; seine Farbverglasung muß er bald nach
1300 erhalten haben (s. S. 7f.).
Der durch die jüngsten baulichen Veränderungen — Erhöhung des Chores mit Treppenanlage — in seiner ursprüng-
lichen Raumwirkung erheblich beeinträchtigte Bau schließt nach zwei Jochen mit fünf Seiten eines Achtecks
(Fig. I, Taf. Illa, b). Die Achse des Chores wird durch ein dreibahniges Fenster ausgezeichnet, während die
Schräg- und Längsseiten nur zweibahnige Fenster aufweisen. Die seitlich der Fenster verbleibende Wandfläche
steigert sich folglich vom Chorpolygon zum Langhaus. Trotz unterschiedlicher Breite und Höhe der Fensterbahnen
erreichen alle Fenster eine lichte Gesamthöhe von 7,60 m. Das schlanke, scharf geschnittene Maßwerk zeigt in
den seitlichen Fenstern einfach genaste Bogendreiecke, im Achsenfenster ein Bogenquadrat zwischen Dreipaßroset-
ten. Der gedrungene, breitgelagerte Charakter des Chores wird im Innern einmal durch den wesentlich breiteren
Wandabschnitt in der Achse, zum anderen durch die tief herabgezogenen, auf polygonalen Tütenkonsolen ruhenden
Gewölbeanfänger betont. Den ebenfalls behäbig wirkenden Außenbau gliedern schlanke, tiefe Strebepfeiler mit
umlaufendem Sohlbankgesims und giebelförmigem Abschluß. Eine genaue Ableitung der Einzelformen ist bisher
ebensowenig erfolgt wie eine typologische Einordnung des Chorbaues4.
Geschichte der Verglasung: Nach dem letzten Forschungsstand hätte sich eine Beschäftigung mit der ursprüng-
lichen Farbverglasung des Chores der Lichtentaler Klosterkirche insofern erübrigt, als die hier für diesen Standort
in Anspruch genommenen erhaltenen bzw. verschollenen Scheiben entweder der Fürstenkapelle oder gar der Bickes-
heimer Wallfahrtskirche (s. S. 31) zugewiesen worden waren. Diese Lokalisierungen beruhen jedoch sämtlich auf
erst im Laufe des 19. Jh. entstandenen Mißverständnissen und Fehlschlüssen5.
Nach Angaben des mit der Geschichte Kloster Lichtentals bestens vertrauten Pfarr-Rektors F.J. Herr wurde
die Farbverglasung der Klosterkirche gleichzeitig mit derjenigen der Fürstenkapelle unter der Äbtissin Ursula
Röder von Hohen-Rodeck (1519—1 544) entfernt und auf dem Klosterspeicher deponiert, »woselbst einst ein großer
Rest solcher Fenster mit Figuren soll gelegen sein, wovon noch vor dreißig Jahren der Markgraf Friedrich das
Bessere erhalten haben«6. Eine architektonische und zwei ornamentale Scheiben fanden bei der Wiederherstellung
der Fürstenkapelle 1830/32 Verwendung. Von dem nach 1803 dem markgräflich-badischen Hause überlassenen
Bestand ließ Großherzog Leopold, der seit seiner Jugend ein leidenschaftlicher Sammler von Glasmalereien war
(s. S. 14, 196), für den großen Saal des Küchenbaues im Neuen Schloß, in welchem er eine Art Ahnengalerie
2 Vgl. E. Lacroix/P. Hirschfeld/H. Niester, 1942, S. 412-427,
432-437.
3 Der im westlichsten Chorschlußstein als stehender Ritter darge-
stellte Markgraf von Baden ist daher am ehesten mit Rudolfl. zu
identifizieren, zumal er stilgeschichtlich um 1300 anzusetzen ist. Vgl.
E. Lacroix/P. Hirschfeld/H. Niester, 1942, S. 423, 437,
Abb. 335; dort wird allerdings eine Identifizierung mit Rudolf III.,
der 1312 als Stifter genannt wird, vorgezogen. Mit capellen könnte
die frühere Totenhauskapelle gemeint sein.
4 E. Lacroix/P. Hirschfeld/H. Niester, 1942, S. 423, weisen le-
diglich für die Bündelkonsölen auf den Chor der Pforzheimer Franzis-
kanerkirche hin. Zu prüfen bleiben Zusammenhänge mit der elsässi-
schen Architektur um 1300.
5 Die These einer Herkunft aus Bickesheim vertritt erstmals J. Dam-
bacher (s. Bibl. S. 3) ohne Begründung. V. Schneider (s. Bibl.
S. 3) baut auf dieser These ihre Rekonstruktion der Bickesheimer
Farbverglasung auf. Eine Herkunft aus der Fürstenkapelle haben
erstmals K. Gimbel und B. Bauer (s. Bibl. S. 3) vertreten. Ohne
genaue Überprüfung und Kenntnis der Arbeit von F.J. Herr war
diese Angabe von mir noch 1967 übernommen worden.
6 F.J. Herr (s. Bibl. S. 3), 1833, S. 23.