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Becksmann, Rüdiger
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Freiburg im Breisgau: Münster Unserer Lieben Frau — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 2,2, Teil 1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.52840#0423
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422

MÜNSTER • SPÄTGOTISCHER CHOR • VERGLASUNG DES HOCHCHORES

1930 als Leihgabe der Münsterfabrik dem Augustinermuseum
überlassen; dort heute deponiert.
Inschrift: Auf dem Architrav in gotischen Minuskeln mit An-
fangsversalien: • S • Thom(as) Ca(n)turie(n)s(is).
Erhaltung: Gläser alt bis auf Stücke in Albe und Namensinschrift,
die von Heimle ersetzt wurden. Das verlaufende Überfangglas
(Rot auf Weiß) in der Kasel dürfte alt sein, hat aber beim Neu-
brand gelitten. Ganzflächig neu bemalt.
Ikonographie, Farbigkeit: Obwohl der 1170 in der Kathedrale
von Canterbury während einer Messe ermordete Erzbischof
Thomas Becket nicht zu den Heiligen der Verwandtschaft Ma-
ximilians gehört, hat Jakob Mennel ihn in sein Legendär von
1518 aufgenommen, da beide mit naher freuntschafft ainander
verwandt gewesen seien95. Daß die Darstellung Thomas Becket
zeigt, daran läßt nicht nur die Namensnennung am Architrav,
sondern vor allem das in seiner Mitra steckende Schwert keinen
Zweifel. Über einer weißen Albe trägt er eine grüngefütterte,
mit einem blauen Vierpaßstreifen belegte rote Kasel und eine
entsprechende Mitra. In der Rechten hält er einen gelben Bi-
schofsstab mit weißem Velum, in der Linken ein graublaues Buch
mit gelbem Seitenschnitt.
StAE D 35/59/21/f. (um 1910); CVMAB 266f. (1966)
82,83. HL. GEORG Eig. 508, Abb. 254
Inv. Nr. 66/M, 123/M. Bis 1878 in Chor I, 4/5C.
Wie Nr. 78-81 heute im Augustinermuseum deponiert.
Inschrift: Auf dem Architrav in gotischen Minuskeln mit An-
fangsversalien: • S • Georius • .
Erhaltung: Von Heimle weitgehend neu bemalt, Gläser jedoch
bis auf zwei alt. Ob Teile der Rüstung und Fahne noch ihre ori-
ginale Bemalung bewahrt haben, konnte nicht eindeutig geklärt
werden. Daß aus dem Harnisch am linken Knie ein Stück gelben
Kettenhemdes herausquillt, bleibt ebenso merkwürdig wie die
Drachenkrallen, die aus den Schuhen herausragen.
Ikonographie, Farbigkeit: Für Maximilian war Georg nicht nur
sein singularis patronus, dem er ein besonderes Buch widmen
wollte, sondern auch Vorbild und Helfer im Kampf gegen den
»mohammedanischen Drach«, zu dem er durch die Erneuerung
des 1467 von seinem Vater Friedrich III. gegründeten Georgs-
ordens beitragen wollte. Unter Maximilian erlebte die Georgs-
verehrung einen letzten Höhepunkt96. Die Darstellung in dem
von ihm in den Chor des Freiburger Münsters gestifteten Ach-
senfenster bleibt in diesem Kontext vergleichsweise konventio-
nell. Es zeigt den Heiligen, der auch Patron der Stadt Freiburg
war, in einem zeitgenössischen graublauen Plattenharnisch mit
Kuhmaulschuhen; Brust und Fahnentuch schmückt ein mit Fie-
derranken belegtes rotes Kreuz. Auf dem Kopf trägt er an einen
geflochtenen weiß/gelben Kranz mit Brosche ein Paar Straußen-
federn in den Farben des Wappens. Mit der Rechten hält er die
gelbe Fahnenstange, mit der Linken greift er nach dem an einem
Gürtel hängenden Schwert. Der hinter ihm am Boden kauernde
Drache hat einen grauviolett changierenden Körper mit silber-
gelben Verfärbungen, weißen Augen, Zähnen und Krallen.
StAFD 35/59/219L (um 1910); CVMAB 268L (1966)
95 Der Holzschnitt von Leonhard Beck zeigt hingegen einen mit Tho-
mas Becket kaum zu identifizierenden Thoman genant von Canndlberg
(Laschitzer 1887, S. 214, Taf. 104). Vgl. hierzu jetzt Tanja Reinhardt,
Die habsburgischen Heiligen des Jakob Mennel, Phil. Diss. Freiburg i. Br.
2002, S. 197, 214-217.
96 Vermutlich war der Holzschnitt von Hans Springinklee mit dem vor
dem Hl. Georg knienden Kaiser Maximilian (Baldass 1923, Abb. 77) für


Fig. 509. Hl. Hubertus aus der Holzschnittfolge der habsburgischen
Heiligen des Jakob Mennel. Entwurf Leonhard Beck, um 1516.

84,85. HL. HUBERTUS Fig. 508, Abb. 255
Inv. Nr. 61/M, 60/M. Bis 1878 in Chor I, 4/$d.
1930 mit Nr. 78-83 dem Augustinermuseum überlassen.
Inschrift: Auf dem Architrav in gotischen Minuskeln mit An-
fangsversalien: • S • Hubert(us) • .
Erhaltung: Gläser bis auf wenige Ausbesserungen alt, doch scheint
nur die linke Hälfte des Maßwerksockels ihre ursprüngliche Be-
malung bewahrt zu haben. Zu den fälschlicherweise von Geiges
in der Kopie vorgenommenen Korrekturen s. S. 421.
Ikonographie, Farbigkeit: Als Sohn eines Herzogs von Aquita-
nien missionierte der erste Bischof von Lüttich (722-727) das Ar-
dennengebiet, in das er sich später als Eremit zurückzog. Seine
adlige Herkunft hat Mennel veranlaßt, den schon früh als Pa-
tron der Jäger verehrten Heiligen in die Verwandtschaft Kaiser
Maximilians aufzunehmen, zumal sich seine Verehrung im 15. Jh.
nach Gründung des Hubertusordens bis nach Spanien ausge-
breitet hatte97. Das Attribut - die Erscheinung des Gekreuzig-
ten in einem Hirschgeweih - war im 14. Jh. aus der Eustachius-
Legende entlehnt worden. Wie auf dem späteren Holzschnitt von
Leonhard Beck (Fig. 509) trägt der Heilige über der Albe eine
damaszierte Dalmatik und einen entsprechenden Chormantel.
Nicht nur formal, auch farblich sind die Bischöfe in 4/5a und
4/$d als verschränkte Spiegelbilder angelegt. So stehen dem
Grün und Rot im Chormantel des Gebhard Purpurviolett und
Gelb im Hubertus gegenüber, während dem Blau und Rot sei-
ner Dalmatik, die Spannung der Gesamtkomposition erhöhend,
ein Blauviolett und Gelb im Ornat des Gebhard antworten.
StAFD 35/59/221^ (um 1910); CVMAB 262h (1966)
dieses Buch bestimmt gewesen (Laschitzer 1887, S. 216). In zwei gro-
ßen, 1508 datierten Holzschnitten von Hans Burgkmair hat seine Georgs-
verehrung ihren künstlerisch bedeutsamsten Ausdruck gefunden (Tilman
Falk, Hans Burgkmair. Das graphische Werk, Stuttgart 1973, Nr. 21L).
Vgl. auch Walter Winkelbauer, Kaiser Maximilian I. und St. Georg, in:
Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs 7, 1954, S. 523-550.
97 Vgl. hierzu nochmals Laschitzer 1886/87, Taf. 50, S. 199.
 
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