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EINFÜHRENDE HINWEISE UND ERLÄUTERUNGEN
legt zugleich das lineare Gerüst der Bildkomposition fest. Die Bemalung der Farbgläser ermöglicht die Differen-
zierung und Modellierung des farbigen Lichtes und damit die bildliche Darstellung.
Die mittelalterlichen Farbgläser bestehen aus einem Gemenge von zwei Teilen Buchenholz und Farnasche (Pottasche)
und einem Teil Sand (Silicium), das bei etwa 1200° miteinander verschmilzt. Zur Färbung der flüssigen Glasmasse
(Fritte) werden verschiedene Metalle (Kupfer, Eisen, Mangan, Kobalt) hinzugefügt, bei deren Oxydation eine
bestimmte Färbung erzielt wird. Manche Gläser zeigen einen schichtenförmigen Aufbau, bestehen also aus mehreren
Überfängen; hierzu wird der Glaszylinder während des Blasens in verschiedene Fritten getaucht. Rotes Glas wird in
der Regel als Überfangglas hergestellt, gelegentlich auch aus unvollständig vermischter weiß-roter Fritte als Hafen-
mischglas. Das in Zylindern geblasene Farbglas ergab nur kleine Glastafeln, die im Spätmittelalter immerhin eine
Fläche von einem Viertel Quadratmeter erreichten. Die Glastafeln waren uneben, in der Dicke ungleich und mit
Unreinheiten (Bläschen, Buckeln) durchsetzt, hervorgerufen durch die unvollständige Oxydation der färbenden
Metalle. Diese technischen Unvollkommenheiten machen jedoch den besonderen Reiz mittelalterlicher Farbgläser
aus.
Als Malfarbe kennt der Glasmaler des Mittelalters zunächst nur das Schwarz- oder Braunlot, das durch Aufbrennen
mit dem Farbglas verbunden wird. Hierzu wird der Farbsubstanz (Eisenhammerschlag, Kupferoxyd) zerstoßenes
Bleiglas beigemischt, das einen niedrigeren Schmelzpunkt als das Grundglas besitzt und dadurch eine nachträgliche
Verbindung mit diesem ermöglicht. Das Schwarzlot wird als Kontur- und Überzugsfarbe verwendet und vermag das
Grundglas nur in seiner Transparenz zu verändern. Eigentliche Malfarben, mit denen der Farbton des Grundglases
verändert werden kann, sind erst Silbergelb und Eisenrot, die seit dem frühen 14. bzw. dem späten 15. Jahrhundert in
Gebrauch kommen.
Die mittelalterlichen Bleiruten sind schmal und hochstegig und besitzen abgerundete Kuppen, durch die die Gläser
gehalten werden. Auf Grund ihrer Biegsamkeit können sie jeden möglichen Glaszuschnitt nachvollziehen.
Die Arbeit des Glasmalers beginnt damit, daß er das auszuführende Glasgemälde in natürlicher Größe auf einer weiß
grundierten Holztafel, auf Leinwand oder Pergament, später auf Papier, aufreißt und damit die Größe der einzelnen
Gläser und den Bleirif festlegt. Als zweiter Arbeitsgang folgt die Zuschneidung der Gläser mit dem Kröseleisen;
mittelalterliche Farbgläser weisen daher stets unregelmäßige Bruchkanten auf. Die Bemalung besteht in der Regel aus
drei Schichten, einem flächenhaften Wasserton, einem modellierenden oder schattierenden Halbton und einer mehr
oder weniger deckenden Kontur. Sie wird in der Regel auf der Innenseite aufgetragen, häufig aber durch Bemalung auf
der Außenseite verstärkt. Die Struktur der Bemalung kann der Glasmaler dadurch differenzieren, daß er sie in nega-
tiver Technik mit dem Stoffballen, dem trockenen Pinsel, dem Pinselstiel oder der Nadel durch Wischen, Stupfen oder
Radieren teilweise wieder entfernt. Danach werden die Gläser gebrannt und verbleit.
Über die Technik der mittelalterlichen Glasmalerei unterrichten noch immer am anschaulichsten Fritz Geiges, Der
alte Fensterschmuck des Freiburger Münsters, Freiburg i. Br. 1901, S. 154-200, und Heinrich Oidtmann, Die rhei-
nischen Glasmalereien vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, Düsseldorf 1912, S. 1 — 69). Die neueren Erkenntnisse auf die-
sem Gebiet vermittelt am besten das Referat Gottfried Frenzel/Eva Frodl-Kraft, auf der Tagung »Corpus Vitrea-
rum Medii Aevi«, Erfurt 1962, in: Özkd 17, 1963, S. 93-114, sowie Eva Frodl-Kraft, Zur Frage der Werkstattpraxis
in der mittelalterlichen Glasmalerei, in: Glaskonservierung. Historische Glasfenster und ihre Erhaltung (Arbeitshefte
des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 32), München 1985, S. 10-22; zuletzt hierzu Sebastian Strobl,
Glastechnik des Mittelalters, Stuttgart 1990, und Nicole Blondel, Le vitrail. Vocabulaire typolgique et technique,
Paris 1993.
Zum Erscheinungsbild farbiger Verglasungen: Die Entwicklung der mittelalterlichen Glasmalerei ist aufs eng-
ste mit der Entwicklung der Architektur verbunden. In den relativ kleinen Fensteröffnungen romanischer Bauten
waren die Glasgemälde zugleich Lichtquelle. In den stark durchbrochenen gotischen Bauten werden sie zur raumab-
schließenden diaphanen Wand. Der Ausdehnung der Farbverglasungen waren jedoch künstlerische und ökonomische
Grenzen gesetzt. So kam es in der Spätgotik zur Ausbildung partieller Farbverglasungen, in denen die farbigen Glas-
gemälde nur noch einen Teil der Fenster füllten, während die übrigen Fensterflächen mit Butzen oder Rauten blank-
verglast waren. Zuvor waren in der Hochgotik bereits figürliche Farbverglasungen mit mehr oder weniger farbigen
Ornamentverglasungen verbunden worden.
EINFÜHRENDE HINWEISE UND ERLÄUTERUNGEN
legt zugleich das lineare Gerüst der Bildkomposition fest. Die Bemalung der Farbgläser ermöglicht die Differen-
zierung und Modellierung des farbigen Lichtes und damit die bildliche Darstellung.
Die mittelalterlichen Farbgläser bestehen aus einem Gemenge von zwei Teilen Buchenholz und Farnasche (Pottasche)
und einem Teil Sand (Silicium), das bei etwa 1200° miteinander verschmilzt. Zur Färbung der flüssigen Glasmasse
(Fritte) werden verschiedene Metalle (Kupfer, Eisen, Mangan, Kobalt) hinzugefügt, bei deren Oxydation eine
bestimmte Färbung erzielt wird. Manche Gläser zeigen einen schichtenförmigen Aufbau, bestehen also aus mehreren
Überfängen; hierzu wird der Glaszylinder während des Blasens in verschiedene Fritten getaucht. Rotes Glas wird in
der Regel als Überfangglas hergestellt, gelegentlich auch aus unvollständig vermischter weiß-roter Fritte als Hafen-
mischglas. Das in Zylindern geblasene Farbglas ergab nur kleine Glastafeln, die im Spätmittelalter immerhin eine
Fläche von einem Viertel Quadratmeter erreichten. Die Glastafeln waren uneben, in der Dicke ungleich und mit
Unreinheiten (Bläschen, Buckeln) durchsetzt, hervorgerufen durch die unvollständige Oxydation der färbenden
Metalle. Diese technischen Unvollkommenheiten machen jedoch den besonderen Reiz mittelalterlicher Farbgläser
aus.
Als Malfarbe kennt der Glasmaler des Mittelalters zunächst nur das Schwarz- oder Braunlot, das durch Aufbrennen
mit dem Farbglas verbunden wird. Hierzu wird der Farbsubstanz (Eisenhammerschlag, Kupferoxyd) zerstoßenes
Bleiglas beigemischt, das einen niedrigeren Schmelzpunkt als das Grundglas besitzt und dadurch eine nachträgliche
Verbindung mit diesem ermöglicht. Das Schwarzlot wird als Kontur- und Überzugsfarbe verwendet und vermag das
Grundglas nur in seiner Transparenz zu verändern. Eigentliche Malfarben, mit denen der Farbton des Grundglases
verändert werden kann, sind erst Silbergelb und Eisenrot, die seit dem frühen 14. bzw. dem späten 15. Jahrhundert in
Gebrauch kommen.
Die mittelalterlichen Bleiruten sind schmal und hochstegig und besitzen abgerundete Kuppen, durch die die Gläser
gehalten werden. Auf Grund ihrer Biegsamkeit können sie jeden möglichen Glaszuschnitt nachvollziehen.
Die Arbeit des Glasmalers beginnt damit, daß er das auszuführende Glasgemälde in natürlicher Größe auf einer weiß
grundierten Holztafel, auf Leinwand oder Pergament, später auf Papier, aufreißt und damit die Größe der einzelnen
Gläser und den Bleirif festlegt. Als zweiter Arbeitsgang folgt die Zuschneidung der Gläser mit dem Kröseleisen;
mittelalterliche Farbgläser weisen daher stets unregelmäßige Bruchkanten auf. Die Bemalung besteht in der Regel aus
drei Schichten, einem flächenhaften Wasserton, einem modellierenden oder schattierenden Halbton und einer mehr
oder weniger deckenden Kontur. Sie wird in der Regel auf der Innenseite aufgetragen, häufig aber durch Bemalung auf
der Außenseite verstärkt. Die Struktur der Bemalung kann der Glasmaler dadurch differenzieren, daß er sie in nega-
tiver Technik mit dem Stoffballen, dem trockenen Pinsel, dem Pinselstiel oder der Nadel durch Wischen, Stupfen oder
Radieren teilweise wieder entfernt. Danach werden die Gläser gebrannt und verbleit.
Über die Technik der mittelalterlichen Glasmalerei unterrichten noch immer am anschaulichsten Fritz Geiges, Der
alte Fensterschmuck des Freiburger Münsters, Freiburg i. Br. 1901, S. 154-200, und Heinrich Oidtmann, Die rhei-
nischen Glasmalereien vom 12. bis zum 16. Jahrhundert, Düsseldorf 1912, S. 1 — 69). Die neueren Erkenntnisse auf die-
sem Gebiet vermittelt am besten das Referat Gottfried Frenzel/Eva Frodl-Kraft, auf der Tagung »Corpus Vitrea-
rum Medii Aevi«, Erfurt 1962, in: Özkd 17, 1963, S. 93-114, sowie Eva Frodl-Kraft, Zur Frage der Werkstattpraxis
in der mittelalterlichen Glasmalerei, in: Glaskonservierung. Historische Glasfenster und ihre Erhaltung (Arbeitshefte
des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 32), München 1985, S. 10-22; zuletzt hierzu Sebastian Strobl,
Glastechnik des Mittelalters, Stuttgart 1990, und Nicole Blondel, Le vitrail. Vocabulaire typolgique et technique,
Paris 1993.
Zum Erscheinungsbild farbiger Verglasungen: Die Entwicklung der mittelalterlichen Glasmalerei ist aufs eng-
ste mit der Entwicklung der Architektur verbunden. In den relativ kleinen Fensteröffnungen romanischer Bauten
waren die Glasgemälde zugleich Lichtquelle. In den stark durchbrochenen gotischen Bauten werden sie zur raumab-
schließenden diaphanen Wand. Der Ausdehnung der Farbverglasungen waren jedoch künstlerische und ökonomische
Grenzen gesetzt. So kam es in der Spätgotik zur Ausbildung partieller Farbverglasungen, in denen die farbigen Glas-
gemälde nur noch einen Teil der Fenster füllten, während die übrigen Fensterflächen mit Butzen oder Rauten blank-
verglast waren. Zuvor waren in der Hochgotik bereits figürliche Farbverglasungen mit mehr oder weniger farbigen
Ornamentverglasungen verbunden worden.