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Kosina, Elena; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen: ohne Lüneburg und die Heideklöster — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.52867#0034
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KUNSTGESCHICHTLICHE EINLEITUNG

Wie in territorialer, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht, lässt sich Niedersachsen auch als Kunstlandschaft
nur schwer definieren. In besonderem Maße trifft diese Problematik auf die vielfach dezimierten und weitläufig
verstreuten Überreste der mittelalterlichen Glasmalerei zu. Von den ca. 850 Scheiben und Scheibenfragmenten, die
sich derzeit, verteilt auf 50 Standorte, innerhalb des 1946 gebildeten Bundeslandes befinden, wurde bereits ein histo-
risch zusammenhängendes und vergleichsweise gut erhaltenes Konvolut von 400 Scheiben in Lüneburg und in den
Heideklöstern von Rüdiger Becksmann und Ulf-Dietrich Korn in einem separaten Band des CVMA Deutschland
eingehend behandelt1. Die übrigen, etwa 450 überlieferten Scheiben und Scheibenfragmente verteilen sich auf 43 er-
haltene Standorte zwischen der Weser und der Nordseeküste, ganz zu schweigen von ungezählten Scherbenfunden,
die durch archäologische Ausgrabungen jüngerer Zeit bekannt geworden sind2, und von weiteren 30 ehemaligen
Standorten mit lediglich überlieferten Glasmalereien.
Die zeitliche Abgrenzung des hier zu behandelnden Bestandes wird durch die Erstverglasung der Burg- und Stifts-
kirche Heinrichs des Löwen in Braunschweig im ausgehenden 12. Jahrhundert und die frühen reformatorischen
Fensterstiftungen in Braunschweig in den 15yoer-Jahren vorgegeben. Als Sonderfall einer neuzeitlichen Verglasung
mit noch mittelalterlich geprägtem Bildprogramm wurde auch der zwischen 1577 und 1631 anzusetzende Scheiben-
komplex aus der Domstiftskirche St. Simon und Judas in Goslar bei der Bearbeitung berücksichtigt. Darüber hinaus
sprengen den üblichen Rahmen eines Regionalbandes zwei in Niedersachsen beheimatete Glasmalereisammlungen:
die Sammlung des Museums August Kestner in Hannover und die Sammlung der Landesgalerie Hannover, Häuser,
die über einige hochkarätige Werke unterschiedlicher, teilweise schwer fassbarer europäischer Provenienz zwischen
dem frühen 13. und dem frühen 16. Jahrhundert verfügen.

Stand der Forschung
Die von Rüdiger Becksmann im Hinblick auf die Lüneburger Glasmalerei zusammengefasste Geschichte der histo-
rischen Überlieferung und der Forschung trifft größtenteils auch auf die südlichen und westlichen Teile Niedersach-
sens zu: Hier wie dort beruht unsere Kenntnis von erhaltenen und verlorenen Verglasungen des Mittelalters maß-
geblich auf dem zwischen 1871 und 1880 verfassten sechsbändigen, flächendeckenden Inventar der Kunstdenkmäler
im Königreich Hannover von Hector Wilhelm Heinrich Mithoff3. Auf seine Angaben stützen sich - mit wenigen
Ergänzungen - auch die vornehmlich im ausgehenden 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert entstandenen Bände der
Kunstdenkmäler der Provinz Hannover und des Herzogtums Braunschweig. Informationen über die Verglasungen
in den ehemaligen Territorien der Grafschaft Schaumburg und des Herzogtums Oldenburg liefern Inventarbände
von Heinrich Siebern und Franz von Buchholtz4.
Ebenfalls von Hector W. H. Mithoff stammt ein akribisch zusammengestelltes, umfassendes Verzeichnis der mit-
telalterlichen Künstler und Werkstattmeister in Niedersachsen und Westfalen, das nicht nur eine Reihe überkom-
mener Namen von Glasmalern, sondern auch teilweise unikale Hinweise auf inzwischen verlorene Werke enthält5.
Eine wertvolle Quellensammlung zur Lüneburger Glasmalerei zwischen 1380 und 1530 bietet sodann die bereits im
ersten Teilband zu Niedersachsen gewürdigte, unpublizierte Dissertation von Maja Mollenhauer6. Ferner wurde
durch profunde Studien zu den Fensterstiftungen für den Braunschweiger Dom von Gesine Schwarz und für den
Dom zu Verden von Enno Heyken eine neue Basis für die Erforschung und Rekonstruktion der verlorenen Vergla-
sungen dieser beiden Denkmäler gelegt7. Darüber hinaus konnte im vorliegenden Band auf das bislang nicht veröf-

1 CVMA Deutschland VII,2, 1992.
2 Eine Übersicht über die jüngsten Glasmalereifunde in Niedersach-
sen Endet sich bei Bärenfänger/Brüggler 2007, S. 172E
3 Mithoff, I-VI, 1871, 1873, 1875, 1877, 1879, 1880; vgl. Rüdiger
Becksmann, in: Becksmann/Korn 1992, S. XIXf.
4 Kdm. Schaumburg 1907; Kdm. Oldenburg 1907.

5 Mithoff 2i88$.
6 Mollenhauer 1954 (Ms., Teil einer nicht abgeschlossenen Main-
zer Dissertation), Kopie im Archiv der Freiburger Arbeitsstelle des
CVMA Deutschland.
7 Schwarz 1997; Heyken 1982 bzw. 1990.
 
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