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Kosina, Elena; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen: ohne Lüneburg und die Heideklöster — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.52867#0107
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EHEMALS BRAUNSCHWEIG • DOM

106
ANHANG II: VERLORENE GLASMALEREIEN
1. DIE FARBVERGLASUNG DER LAURENTIUSKAPELLE VON 1345
In einem überlieferten Vertrag zwischen den Testamentsvollstreckern des Herzogs Otto des Milden (1292-1344), den
Ratsherren und den Bürgern der Stadt Braunschweig vom 25. Mai 1345 wurde vereinbart, dass die vier westlichen
Joche des südlichen Seitenschiffs im Dom - in der bereits 20 Jahre zuvor umgebauten und zur Grablege des Herzogs
und seiner Gemahlin Agnes (1298-1334) bestimmten Laurentiuskapelle - im Laufe des kommenden Jahres mit neuen
Glasfenstern ausgestattet werden sollten12. Die ausdrückliche Bedingung, dass abgesehen von sechs neu gemalten
Glasbildern für die übrigen Fenster das alte Glasmaterial, einschließlich Eisen und Draht, wiederverwendet werden
sollte, lässt auf damals noch vorhandene Reste der Erstverglasung schließen13.
Die in doppelter Ausfertigung auf einem Bogen Pergament geschriebene und durch Zackenschnitt getrennte Ur-
kunde durfte allem Anschein nach zugleich als Handwerksvertrag gedient haben14. Über den Gegenstand der aus-
geführten Verglasung ebenso wie den Anteil der Glasmaler an dem vereinbarten Gesamtpreis von 110 Mark lötigen
Silbers schweigen die Quellen.

2. DIE FARBVERGLASUNG DES ERNEUERTEN NORDSEITENSCHIFFS VON 1471/72 UND 1559

Ein weiterer bedeutender Glasmalereikomplex entstand im Anschluss an die zwischen 1466 und 1472 erfolgte, durch
das Vermächtnis des Stiftsherrn von St. Blasii und Dompropst zu Halberstadt Ludolf Quirre (f 1463) ermöglichte
Umbaumkampagne im nördlichen Seitenschiff (Fig. 71)15. Aus den vollständig überlieferten Baurechntingen dieser
Zeit geht hervor, dass für alle Fenster dieses ambitionierten Neubaus der angesehene Lüneburger Glasmaler Hinrik
Gronow beauftragt worden war16. Die Tätigkeit dieses Meisters und Werkstattleiters, der seit 1447 in Lüneburg ur-
kundlich nachgewiesen ist, ist relativ gut dokumentiert: Ab 1455 wird sein Name mehrfach im Zusammenhang mit
Glasreparaturen und der Herstellung neuer Fenster im Lüneburger Rathaus genannt, zwischen 1458 und 1470 bekam
er Aufträge für die aufwendigen Farbverglasungen in der Johanniskirche und Nikolaikirche zu Lüneburg sowie in
den Klöstern Celle, Heiligental und Lüne17.
Laut den Baurechnungen des Blasiusstifts wurde der Glasewerte Hinrike Gronaw zwischen Juni 1469 und Mai 1472
mit der Herstellung von insgesamt neun drei- bzw. vierbahnigen und acht- bzw. neunzeiligen Fenstern im nördlichen
Seitenschiff des Doms betraut und mit insgesamt 100 Gulden für die ausgeführten Arbeiten entlohnt18. Dieselbe
Quelle erlaubt auch die Identifizierung der meisten Stifterpersonen (Fig. 72): Die Stiftungen für das erste und dritte
Fenster von Osten (nord IV und nord VI) sind leider nicht überliefert, für das dazwischenliegende Fenster nord V
kam Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel auf. In Anbetracht der knapp hundert Jahre späteren Zweit-
verglasung dieser Fenster mit einem ausführlichen Bilderzyklus der Braunschweiger Herzöge wird man jedoch - wie
Gesine Schwarz zu Recht angenommen hat - für die drei ranghöchsten Fenster im Osten des Nordseitenschiffs
von Anfang an auf die Schirmherrschaft der Landesherren schließen dürfen19. Aus den Baurechnungen geht hervor,
dass Fenster nord VII durch die verbündeten Klöster der Stadt Braunschweig und ihrer Umgebung gestiftet wur-
de; das anschließende Fenster nord VIII wurde in Gedenken an den Stifter des Neubaus, Ludolf Quirre, aus dem
Domschatzfond officium armarii bezahlt. Für die Stiftung des Fensters nord IX liegt keine Überlieferung vor. In der
Frage der Finanzierung der beiden vierbahnigen und achtzeiligen Fenster nord X und nord XII (des Westfensters im
Nordseitenschiff) ist den Baurechnungen nicht zu entnehmen, welches davon die Stadt Braunschweig und welches
das Kapitel des Blasiusstifts übernommen hatte, und demzufolge bleiben die Angaben bei Schwarz unentschieden20.
Beachtet man jedoch den Umstand, dass im Westfenster (nord XII) noch im Jahre 1707 die Wappen alter Braun-
schweiger Patrizier in einer Ordnung, »wie sie vor gar alten Zeiten hero in diesem Fenster gestanden« hatten, erneu-

12 Die nachfolgende Darstellung basiert auf den grundlegenden For-
schungsergebnissen von Gesine Schwarz (Schwarz 1997, S. 88f.).
H UB Braunschweig, IV, 1912, S. 186f., Nr. 177; s. auch Reg. Nr. 3.
14 Vgl. Schwarz 1997, S. 88 mit Anm. 5-7.
15 Ausführlich hierzu Gesine und Ulrich Schwarz, Eine Bauhütte

entsteht. Aus den Rechnungen des Blasiusstifts in Braunschweig (1463-
1466), in: Braunschweigisches Jb. 76, 1995, S. 9-62, bes. S. 10-17.
16 Schwarz 1997, S. 96-103.
17 Eine ausführliche Auswertung der Quellen mit Nachweisen bei
Mollenhauer 1954, S. 68f.; zu weiteren Erwähnungen des Meisters
 
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