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Kosina, Elena; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen: ohne Lüneburg und die Heideklöster — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.52867#0313
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EHEMALS LAGE • JOHANNITERKOMMENDE

madonna-Fenster aus der St.-Viti-Kapelle in Uelzen verbunden werden kann (vgl. Fig. 390)24. Alle dieser Scheiben-
gruppen zeigen die gleiche trockene, graphisch geprägte Art der Modellierung, die sowohl bei den Figuren als auch
in der Architektur- und Hintergrundgestaltung vorwiegend durch eine lineare Konturenzeichnung, gelegentlich
auch durch Ausradieren aus den differenziert abgestuften Überzügen erfolgt (Fig. 299E). Auffallend ist allerdings
bei den Scheiben aus Lage die selbst in der Faltengebung fehlende Verwendung von Schraffuren zur Verstärkung der
Schattenzonen.
Die für das Jahr 1426 überlieferte Weihe der neu errichteten Wallfahrtskirche St. Johannes deutet auf eine Entstehung
ihrer Farbverglasung im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts, die mutmaßlich mit künstlerischen Kräften in der Nach-
folge jener für Ebstorf und Uelzen tätigen Lüneburger Werkstatt zu verbinden ist25.
Vorbemerkung zum Katalog: Die Scheiben wurden zuletzt im Juni 2014 von der Verfasserin im Diözesanmuseum
Osnabrück untersucht und von Andrea Gössel für das CVMA fotografiert. Der Zustand vor der Restaurierung von
1973/74 ist durch die Aufnahmen von Kurt Löckmann (Osnabrück) im Bildarchiv des CVMA Freiburg dokumentiert.

ANHANG: ABGEWANDERTE GLASMALEREIEN

DIÖZESANMUSEUM OSNABRÜCK (Nr. 1-6)
1-3. KARL DER GROSSE IM ARCHITEKTUR-
TABERNAKEL Fig. 299, 302, Abb. 222
Inv. Nr. (A) DM 246b.
H./B.: 1: 46,5/57,5; 2: 46,5/57; 3: 54,5/57 cm.
Erhaltung: Im Glas zu etwa 50-60% mittelalterlich, jedoch
stark korrodiert und durch mehrere Sprünge beeinträchtigt.
Größere Ergänzungen der Werkstatt Oidtmann betreffen die
Figur des Kaisers, den Randbereich und den Hintergrund
v.a. des unteren Feldes. Die Originalbemalung ist sowohl an
der Vorder- als auch an der Rückseite recht gut erhalten. Das
Bleinetz wurde vermutlich bei der Restaurierung des frühen
20. Jahrhunderts vollständig erneuert und 1997 teilweise aus-
gebessert. Im Zuge des letzten Eingriffs wurden auch die stö-
renden Notbleie entfernt und die Sprünge geklebt.
Ikonographie: Karl der Große, der legendäre Gründer des
Bistums Osnabrück, genoss in dieser Region eine besondere
Verehrung, die seit seiner Kanonisierung im Jahr 1165 mit der
festen Bildtradition des heiligen Kaisers verbunden war26.
Vor diesem Hintergrund wirft seine offenbar profane Dar-
stellung in der Wallfahrtskirche zu Lage einige Fragen auf,
zumal hier ihr ursprünglicher Standort im Ostfenster zur
Diskussion steht. Marie-Luise Schnackenburg führt die
Figur auf die Ikonographie der Neun Guten Helden zurück
und begründet dies mit dem Versuch der Johanniterkom-
mende, sich im fraglichen Zeitraum gegen den Bischofsstuhl
Osnabrück zu behaupten27. Es sind allerdings keine Beispiele
für die Darstellung der Neun Guten Helden in einem sakra-
len Raum bekannt28.
CVMA A 06/2014/121 D

24 Siehe nochmals Anm. 21.
25 Holtmann 1980, S. 82; s. auch Mithoff, VI, 1879, S. 74.
26 Vgl. Queckenstedt 2005, bes. S. 11-15; ferner LCI, VII, 1974,
Sp. 276-282 (Wolfgang Braunfels).
27 Schnackenburg 1995, S. 97-100.
28 Vgl. Becksmann 1992, wie Anm. 20.
29 Wie Anm. 27h


4-6. JOHANNITERRITTER IM ARCHITEKTUR-
TABERNAKEL Fig. 300, 303, Abb. 223
Inv. Nr. (A) DM 246a.
H./B.: 1: 46,5/58; 2: 46,5/57,5; 3: 53,5/58 cm.
Erhaltung: Wie Nr. 1-3.
Ikonographie: Die Ritterfigur in voller Rüstung mit einem
griechischen Kreuz im Banner und dem achtspitzigen Kreuz
des Johanniterordens ist als Pendant zur Gestalt Karls des
Großen konzipiert. Ihr ebenfalls fehlender Heiligenschein
lässt auch hier auf einen Bezug zum Neun-Helden-Zyklus
schließen, womit sich zum ursprünglichen Kontext und
Standort dieselben Fragen wie bei Nr. 1-3 ergeben29.
CVMA A 06/2014/122 D
 
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