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Kosina, Elena; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen: ohne Lüneburg und die Heideklöster — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52867#0171
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CLUS • EHEMALIGES BENEDIKTINERKLOSTER

I/O

zwar in die Sockelzone des Fensters (s.o. S. 176)22. Ob allerdings
jene von ihm genannte »Mutter Christi Maria« mit der überkom-
menen Darstellung der Muttergottes in der rechten Kopfscheibe
des Achsenfensters identisch ist, ist keineswegs sicher. Das Mari-
enpatrozinium der Klosterkirche und die mariologische Prägung
der überlieferten Inschriften lassen durchaus die Möglichkeit zu,
dass in den Chorfenstern noch weitere Darstellungen der Mutter-
gottes zu sehen waren. Die geringen Abmessungen der überkom-
menen Monolithe von ca. 17x12 cm sprechen wiederum für ihre
paarweise Anbringung innerhalb der (ohne Kopfscheiben) ca. 2 m
hohen und ca. 40 cm breiten Fensterbahnen.
Der in der linken Kopfscheibe des Achsenfensters sitzende Mo-
nolith mit dem Hl. Bartholomäus lässt sich innerhalb der Chor-
verglasung ebenfalls nur schwer lokalisieren. Lediglich sein ak-
tueller Standort kann - allein schon aufgrund der Überlieferung
von Johann Georg Leuckfeld - mit größter Wahrscheinlichkeit
nicht der ursprüngliche gewesen sein. Das Patrozinium des Hl.
Bartholomäus ist zwar unmittelbar im Kloster Clus weder durch
das Reliquien- noch durch das Altarverzeichnis nachzuweisen,
gleichwohl genoss dieser Heilige eine Verehrung im übergeord-
neten Reichsstift Gandersheim und scheint für Clus ebenfalls
wichtig gewesen zu sein, war doch das bereits erwähnte, etwa
zeitgleich im Klosterskriptorium ausgefertigte Manuale mit einem
identischen Heiligenbild versehen (Fig. 136)23.
Für die Flankenfenster des Chores liegt keine Überlieferung vor.
Die Darstellungen von zwei nimbierten Gestalten in monastischer


Fig. 134. Apostel Bartholomäus aus der Kupferstichfolge
des Meisters E. S. (L. 120). Um 1460.

Tracht mit Krummstäben in den Zwickeln des Fensters nord II scheinen sich - trotz ihres seltsam abgeschnittenen
vegetabilen Hintergrunds - noch an ihrem ursprünglichen Platz zu befinden, war doch das nördliche Chorfenster
traditionell für die ranghöchsten Stiftsheiligen vorgesehen. Diese beiden Heiligen, die in der Vergangenheit unter-
schiedslos als Nonnen gedeutet wurden24, zeigen zweifelsfrei einen Abt und eine Äbtissin und dürfen daher - trotz
fehlender persönlicher Attribute - mit einiger Sicherheit als der Ordensgründer Benedikt und seine Schwester Scho-
lastika angesprochen werden25.

Im Maßwerk des Fensters süd II befinden sich einige ornamentale Motive, die möglicherweise noch Reste von ori-
ginalem Glas enthalten, in ihrer Komposition jedoch auf eine Wiederverwendung bzw. Neuschöpfung des 19. Jahr-
hunderts schließen lassen. Im Maßwerk des Fensters nord III befindet sich eine Engelsscheibe mit dem Anfangsvers
einer marianischen Antiphon: Regina celi /e[tare alleluia ...]. In die beiden teilweise mit originalem Schuppenmuster
besetzten Kopfscheiben darunter sind kleine, bunt gefasste Rosetten mit den Namen Jesus Christus und Maria in
symmetrischer Anordnung eingestreut26. Das Fenster nord III enthält im Maßwerk des Weiteren eine scheinbar
alte und mit Notbleien zusammengefasste Scherbe mit einem gekrönten Vogel mit ausgestreckten Flügeln, welcher
auf einem kreuzblumenähnlichen, dreigeteilten Baum sitzt. In die linke Kopfscheibe ist eine Rundscheibe mit einer
weiteren Engelsfigur eingefügt; auf ihrer Schriftrolle steht der Anfangsvers des Gloriamissales Gloria in ex(c?)els(is)
deo. In der anderen Kopfscheibe des Fensters sah Karl Steinacker noch 1910 das Pendant eines zweiten Engels mit

22 Leuckfeld 1709, S. 188.
2^ Zu Ehren des Hl. Bartholomäus wurde 1344 am südlichen Sei-
tenschiff der Stiftskirche Gandersheim auf Kosten des Kanonikers
Heinrich von Sebexen eine eigene Kapelle errichtet; s. hierzu Richter
2010, S. 56. Darüber hinaus wiederholen die beiden Darstellungen des
Heiligen in der Handschrift und im Chorfenster der Cluser Kirche de-
tailgetreu ein und denselben Kupferstich aus der Reihe der sitzenden
Apostel des Meisters E. S. (L. 120).

24 Bereits in der frühesten uns bekannten Beschreibung der Vergla-
sungsreste in Clus wurden beide Figuren als zwei »heilige Nonnen«
bezeichnet (Kdm. Gandersheim 1910, S. 61), Kurt Kronenberg
nannte sie gar »zwei Äbtissinnen« (Kronenberg 2i^66, S. 44).
2 5 Eine gemeinsame Darstellung des Hl. Benedikt und seiner Schwe-
ster Scholastika ist nicht ungewöhnlich (vgL LCI, V, 1973, Sp. 357, fer-
ner Becksmann/Korn 1992, S. 202, Abb. 213). Als weitere Indizien
für eine solche Interpretation der beiden Figuren in Clus kann nicht
 
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