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Kosina, Elena; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen: ohne Lüneburg und die Heideklöster — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.52867#0332
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EHEMALS MÖLLENBECK • KLOSTERKIRCHE

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sitionen nicht mehr rekonstruiert werden20. Eine etwas rätselhafte Spur
führt von diesen Relikten zu einer Sammelscheibe mit drei männlichen
Köpfen im Museum Schnütgen in Köln (Fig. 33 8): Zweifelsohne handelt
es sich bei den beiden ersten Köpfen von links um die wahrscheinlich
während der Restaurierung durch die Gebrüder Ely ausgeschiedenen
Originale der in den Kassler Scheiben erneuerten Köpfe des Pilatus
der Ecce Homo-Szene und eines besonders markanten Schergen aus
der Dornenkrönung (vgl. Fig. 319, 337)21. Die beiden zum Teil schwer
beschädigten Gesichter wurden von den Restauratoren mit großer
Sorgfalt kopiert und in die umgestalteten Kompositionen passend ein-
gefügt. Allerdings wurde von dem grotesk verzerrten Schergentypus
nur der obere Teil spiegelverkehrt als Vorlage für die Dornenkrönung
herangezogen, während der im Schnütgen-Museum befindliche origi-
nale Figurenrest mit einer Wasserkanne in der Rechten einer ehemals
vorhandenen Darstellung der Händewaschung des Pilatus angehört ha-
ben dürfte. Die dritte Gestalt auf der Sammelscheibe - die eines jungen
bartlosen Mannes mit einer roten Feder auf der turbanartigen Kopfbe-
deckung wurde in den Fenstern der Löwenburgkapelle nicht verwendet
und kann trotz ihres identischen Stilbildes keiner bestimmten Szene
zugeordnet werden.
Dennoch zeigen gerade diese Bestandreste erneut enge motivische Be-
ziehungen zum Passionsfenster nord XXI im Seitenschiff des Kölner
Domes22. So dürfte für die Komposition der Ecce-Homo-Szene mit dem
frontal stehenden, entblößten und an den Händen gefesselten Heiland in
leicht verdrehter Körperhaltung und der ihm an die Seite gestellten Fi-
gur des Pilatus in einem prachtvollen, mit Pelz besetzten Brokatumhang
in beiden Werkstätten ein und dieselbe Bildvorlage gedient haben, die
ihrerseits enge Beziehungen mit dem um 1505-1508 entstandenen Flü-
gelgemälde des Kalkarer Altars von Jan Joest aufweist (Fig. 319-321)23.
Die ursprüngliche Zusammengehörigkeit dieser Passionsszenen und
der beiden ihnen übergeordneten Heiligenfiguren in Architekturtaber-
nakeln erscheint plausibel, ist jedoch nicht zu belegen24. Zwei weitere,
den Maßwerkrosetten der Fenster nord III und süd III in der Löwen-
burgkapelle eingegliederte Engelsfiguren gehören zweifelsohne zu
demselben Scheibenbestand und dürften wahrscheinlich aus der Maß-
werkzone des hochgotischen Langchores in Möllenbeck stammen.
Leider bieten die spärlichen Überreste des Originalbestandes zu wenig
Anhaltspunkte, um den einstigen Umfang bzw. den Aufbau, ja nicht
einmal die ursprünglichen Scheibenmaße für die beiden mutmaßlich
museum zu Düsseldorf, heute Museum Kunstpalast, wie Ulrike Brinkmann herausfand
(Brinkmann 1996, S. 145, Abb. 84E).
22 Rode 1974, S. 190-193, Taf. 2iof.
23 So Brigitte Wolff-Wintrich, gestützt auf die Forschungsergebnisse von Ulrike
Wolff-Thomsen (Wolff-Wintrich 1998, S. 6if., und Wolff-Thomsen 1997, bes. S.
283-288). Zu den vielfältigen Beziehungen zwischen dem Werk von Jan Joest und der
Kölner Malerei jüngst Schollmeyer 2004, S. 164-169, 214-220, die allerdings den Ein-
fluss des Kalkarer Altars auf die zeitgleich entstandenen Langhausfenster des Kölner
Domes ablehnt.
24 Entsprechend mit Heiligenfiguren besetzte Architekturbekrönungen über sze-
nischen Darstellungen finden sich mit schöner Regelmäßigkeit in der Straßburger Glas-
malerei vor 1500 (Abb. bei Frankl 1956, Abb. 194-196; ferner Kat. Ausst. Ulm 1995,
S. 79 mit Anm. i (mit weiteren Verweisen).



Fig. 317, 318. Stammvater Jesse und König Asa aus
der Wurzel Jesse. Ehern. Möllenbeck, Klosterkirche.
Kassel-Wilhelmshöhe, Löwenburgkapelle,
s III , 2a und 3a. Niederrhein, um 1510/20.
 
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