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Kosina, Elena; Korn, Ulf-Dietrich
Die mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen: ohne Lüneburg und die Heideklöster — Corpus vitrearum medii aevi - Deutschland, Band 7,1: Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2017

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52867#0093
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92

AMELUNGSBORN • EHEMALIGES ZISTERZIENSERKLOSTER

LANGHAUSFENSTER nord IX

Fig. 56, Abb. 13

Lichtes Gesamtmaß: H. 1,78 m, B. 0,46 m.
Rundbogiges Fenster mit vier Zeilen, in das 1964 Verglasungsreste aus dem 1945 zerstörten Chorachsenfenster ein-
gesetzt wurden.
Gesamtaufnahmen: CVMA E 09/123E

1 PASTICCIO AUS SCHERBENFRAGMENTEN
Fig. 56, Abb. 13
H. 19 cm, B. 39 cm.
Scherben von mit Sternen besetztem Hintergrund, Architek-
turrahmung, Gewändern, Kettenpanzern sowie Ornamenten
zwischen modernen hellgrauen Echtantik-Gläsern.
CVMA E 09/123
2 KÖNIG MIT GOLDPOKAL (CASPAR) Fig. ##, Abb. 13
H. 56 cm, B. 39 cm.
Ursprünglich in Chor I, jf.
Erhaltung: Etwa ein Drittel des Hintergrunds enthält noch
mittelalterliche Glassubstanz. Der stark korrodierte Kopf mit
bis zur Intransparenz verdunkelten Gläsern des Nimbus und
der Krone sowie eine Hand, der Pokal und ein Fragment des
Mantels sind ebenfalls original. Auch die seitlichen Ornament-
bänder mit Mauerwerk bzw. filigraner Ranke sind weitgehend
intakt. Sämtliche Fehlstellen wurden mit penetranten grauen
bzw. braunen Gläsern 1964 im Zuge der letzten Restaurierung
ergänzt. Überwiegend Blei des 19. Jahrhunderts, mit partiellen
Reparaturen.

Fig. 56. ES
Lhs. nord IX, 1-4.
M 1:15


Ikonographie: Die Heiligen Drei Könige oder Magier aus dem
Morgenland, die nach Bethlehem gekommen sind, um Chris-
tus, dem neugeborenen König, zu huldigen (Mt 2,1-11), be-
saßen seit dem 3. Jahrhundert eine feste Bildtradition. Später
wurden sie im lateinischen Westen nach Namen, Herkunft und
Aussehen unterschieden. Bereits Beda Venerabilis beschreibt
Melchior als Greis mit weißem Bart, Balthasar als reifen Mann
mit schwarzem Vollbart und Caspar als bartlosen Jüngling85.
Die gebräuchliche Komposition der Anbetung, in welcher der
erste König vor der Muttergottes kniet, der zweite, dem jüngs-
ten Gefährten zugewandt, auf den Stern weist und der dritte
die Szene abschließt, wird in der Literatur traditionell auf das
französische Schauspiel zurückgeführt86. Weit verbreitet ist die
Verteilung der Szene auf drei Felder, so etwa im Chorfenster
nord II der Klosterkirche Königsfelden (um 1330)87.
Technik, Stil: Selbst in diesem spärlichen Restbestand fällt die
großzügige Verwendung von Silbergelb auf: im Saum des vo-
luminösen Faltenwurfs des weißen Mantels, in der Verzierung
des Pokals sowie im Perlband des extrem korrodierten Nim-
bus. Trotz des beklagenswerten Erhaltungszustands lassen
sich auch in diesen wenigen Scherben die charakteristischen
maltechnischen Züge der Werkstatt deutlich erkennen: in der
Kreuzschraffur der Gesichtsmodellierung wie in der feinen
Handzeichnung mit den betonten Handballen.
CVMA E 09/123
3 ARCHITEKTURBEKRÖNUNG Fig. 56, Abb. 13
Ursprünglich in Chor I, 6f(?).
H. ca. 56 cm, B. 39 cm.
Erhaltung: Rund zur Hälfte originale Glassubstanz; weni-
ge Ausbesserungen des 19. Jahrhunderts; Reparaturen Müh-
lenbeins wie in 2. Relativ geringfügig korrodiert. Partieller
Schwarzlotverlust, insbesondere auf gelben Gläsern.
Technik, Stil: Aufbau und Formsprache der doppelten Wimperge,
flankiert von übergroßen Fialen und hinterfangen von einer Wand
aus Mauerwerk und Blendarkaden, begegnen in verschiedenen,
durchaus verwandten Variationen bereits in der ersten Hälfte des
14. Jahrhunderts: etwa in einer Scheibe aus Friedberg (um 1306),
im Marienfenster der Marburger Elisabethkirche (um 1300/15)
oder in den Verglasungen mutmaßlich Marburger Herkunft in
Neu-Berich und Winnen (beide um 1310/20)88. Einige charakte-
ristische maltechnische Details wie die ausradierten Kringel im
Hintergrund der Blendarkaden finden sich in allen genannten Be-
ständen. Auch die überlieferten Blattrankenborten, die einst jede
Scheibe flankiert haben, sprechen für retardierende Tendenzen
bzw. ältere Vorlagen, die in der Werkstatt des Amelungsborner
Fensters weiter in Gebrauch waren.
CVMA E 09/125
Leipzig 1909 (Nachdruck: Hildesheim 1976), S. 66f.
86 Kurmann-Schwarz 2008, S. 263.
87 Ebenda, S. 430 mit Abb. 10.
88 Gast 2010, S. 60 mit Abb. 8; Parello 2008, S. 432-434, 467-473,
500-504, Fig. 278E, 588-590, 633.
89 Vgl. etwa die Wasserspeier am Architekturtabernakel der Mutter-
 
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