PIER CANDIDO DECEMBRIO AN DEN PRIOR UND DIE GO-
VERNATOREN VON MAILAND.
Nachdem der hochwürdigsteVater ,der Herr Kardinal von Morin
[ Jean de Bourgogne], dahier [päpstlicher] Legat, auf die Kun-
de vom Tode des erlauchtesten Fürsten, weiland unseres Herzogs,
im Drange seiner Liebe und auf mein Zureden hin an Eure Gnaden
den edeln Herrn Marco de Castiglione abgesandt hatte, mit dem
Auftrag, Euch und die dortige Gemeinde zum Friedensschluß
zu ermuntern, kam ihm nun doch Furcht vor ärgerlichen Vor-
fällen und Irrungen, die folgen könnten und wahrscheinlich un-
ter dem Schutz des Friedens gedeihen möchten. Nun kam noch
die Nachricht von der Besetzung der Stadt Lodi [durch Venedig
und einiger anderen Städte]. Darüber drückte Euch, wie ge-
bührend, Seine Herrlichkeit herzliches Beileid aus, auch hat
sie mit mir der Befürchtung Raum gegeben, es möchte das
dortige Gemeinwesen in Gefahr, und zwar in große, kommen.
Aus diesem Grunde habe ich, um der bedrängten Vaterstadt
auf jede Weise, wie ich gehalten bin, zu Hilfe zu kommen,
Seiner Herrlichkeit nahegelegt, hochdieselbe möchte alle anderen
Geschäfte ruhen lassen und sich nach Mailand begeben und mit
Euch zusammen den Frieden betreiben, die Irrungen beheben,
die drohenden Anstöße abwenden und so das dortige Gemein-
wesen vor jeder Gefahr behüten, indem darauf geachtet würde,
daß die Stadt weder durch Betrug, noch durch Mißverständnis,
noch durch die Unkenntnis von irgend jemand überrumpelt
werden könnte.
Seine Herrlichkeit aber, als gütigerVater und voller Zuneigung für
unsere Heimatstadt, die fürchtet, sie könnte durch Betrug oder
Gewalt überfallen werden — wo doch so viele Neider ringsum
lauern, denen Mailands Macht ein Greuel ist und die den Unter-
gang der Stadt suchen — hat sich gern dazu bereit erklärt, nicht
im Zweifel darüber, daß der größte Teil Italiens Eurer Freiheit
entgegen ist. Da aber ein Verlassen dieser Stadt ohne Auftrag
des Papstes ungeziemend erschienen wäre, beschloß S. Herr-
lichkeit zuerst an diesen zu schreiben, was sie auch unverzüg-
lich tat, so daß Seine Herrlichkeit hofft, in kürzester Zeit Ant-
wort, und zwar günstige, zu haben. Doch, da alles Zukünftige
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VERNATOREN VON MAILAND.
Nachdem der hochwürdigsteVater ,der Herr Kardinal von Morin
[ Jean de Bourgogne], dahier [päpstlicher] Legat, auf die Kun-
de vom Tode des erlauchtesten Fürsten, weiland unseres Herzogs,
im Drange seiner Liebe und auf mein Zureden hin an Eure Gnaden
den edeln Herrn Marco de Castiglione abgesandt hatte, mit dem
Auftrag, Euch und die dortige Gemeinde zum Friedensschluß
zu ermuntern, kam ihm nun doch Furcht vor ärgerlichen Vor-
fällen und Irrungen, die folgen könnten und wahrscheinlich un-
ter dem Schutz des Friedens gedeihen möchten. Nun kam noch
die Nachricht von der Besetzung der Stadt Lodi [durch Venedig
und einiger anderen Städte]. Darüber drückte Euch, wie ge-
bührend, Seine Herrlichkeit herzliches Beileid aus, auch hat
sie mit mir der Befürchtung Raum gegeben, es möchte das
dortige Gemeinwesen in Gefahr, und zwar in große, kommen.
Aus diesem Grunde habe ich, um der bedrängten Vaterstadt
auf jede Weise, wie ich gehalten bin, zu Hilfe zu kommen,
Seiner Herrlichkeit nahegelegt, hochdieselbe möchte alle anderen
Geschäfte ruhen lassen und sich nach Mailand begeben und mit
Euch zusammen den Frieden betreiben, die Irrungen beheben,
die drohenden Anstöße abwenden und so das dortige Gemein-
wesen vor jeder Gefahr behüten, indem darauf geachtet würde,
daß die Stadt weder durch Betrug, noch durch Mißverständnis,
noch durch die Unkenntnis von irgend jemand überrumpelt
werden könnte.
Seine Herrlichkeit aber, als gütigerVater und voller Zuneigung für
unsere Heimatstadt, die fürchtet, sie könnte durch Betrug oder
Gewalt überfallen werden — wo doch so viele Neider ringsum
lauern, denen Mailands Macht ein Greuel ist und die den Unter-
gang der Stadt suchen — hat sich gern dazu bereit erklärt, nicht
im Zweifel darüber, daß der größte Teil Italiens Eurer Freiheit
entgegen ist. Da aber ein Verlassen dieser Stadt ohne Auftrag
des Papstes ungeziemend erschienen wäre, beschloß S. Herr-
lichkeit zuerst an diesen zu schreiben, was sie auch unverzüg-
lich tat, so daß Seine Herrlichkeit hofft, in kürzester Zeit Ant-
wort, und zwar günstige, zu haben. Doch, da alles Zukünftige
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