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Dehio, Georg
Geschichte des Erzbistums Hamburg-Bremen: bis zum Ausgang der Mission (Band 1) — Berlin, 1877

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https://doi.org/10.11588/diglit.43359#0060
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Zweites Capitel.

II. Ansgar.
Die eigentümliche Färbung des Bildes, welches wir uns von einer
auf den Gang der Geschichte bedeutend einwirkenden Persönlichkeit schassen,
ist wesentlich von der individuellen Art und Auswahl beeinflußt, in wel-
cher die Tatsachen uns überliefert sind. Ich meine deshalb an erster
Stelle darüber Rechenschaft geben zu müssen, woher uns unser Wissen
über Ansgar zufließt und wie cs beschaffen ist.
Das Gefühl für die eminent geschichtliche Bedeutung, zu welcher die
Hamburg-Bremische Kirche iws Leben gerufen war, hat seinen vollbe-
wußten Ausdruck in dem Eifer gefunden, mit welchem man mitten im
Handeln zugleich Sorge trug, das Gedächtniß desselben der Nachwelt ein-
zuprägen. Keine Kirche, geschweige denn ein weltliches Institut jener Zeit,
hat etwas Aehnliches aufzuweisen, wie die Lebensbeschreibungen der an
der Spitze der Hamburg-Bremischen Geschichte stehenden Aposteldreiheit
Willehad Ansgar und Rimbert. Für unsere Wißbegier bringen sie frei-
lich viel zu wenig, allein „man darf es bei Beurteilung dieser Litteratur
nicht vergessen, daß was mir am meisten darin zu finden wünschen, ge-
wöhnlich von den Verfassern wie von den Lesern als Nebensache betrach-
tet wurde." Die ausgezeichnetste und umfangreichste der drei Biogra-
phien ist, entsprechend der Größe ihres Helden, diejenige Ansgar's Nieder-
geschrieben ist sie bald nach dessen Tode im Kloster zu Hamburg durch
Rimbert mit eines Ungenannten Unterstützung, welche aber nicht viel
mehr als Handlangerdienst gewesen zu sein scheint?. Rimbert war Ans-
gards treuester Schüler von Jugend auf, dann sein tätigster Gehülfe,
endlich sein Nachfolger auf dem erzbischöflichen Stuhle; ihm hat der
Meister seine vertrautesten Gedanken mitgeteilt, seine Erinnerungen oft
mit ihm durchgesprochen. Rimbert ist deshalb über dessen verschiedenen
Lebensperioden meist gleichmäßig gut unterrichtet. Vieles hat er an der
Seite jenes miterlebt, mehrfach konnte seine Erinnerung durch schriftliche
Documente unterstützt werden, seine Wahrhaftigkeit leuchtet überall in die
Augen. So scheinen alle Bedingungen da zu sein, um RimberÜs Buch
zu einer Geschichtsquelle von höchstem Werte zu erheben. Dem stehen
nun srcilich mehrere jene Vorzüge bedauerlich abschwächende Eigenschaften
entgegen. Rimbert will keine eigentliche Biographie im historischen Sinne
schreiben, er will wesentlich nur dieses: zunächst den Brüdern des Klosters
Cordte und in weiterer Absicht der ganzen Christenheit den Nachweis
führen, daß sein Meister in der Tat das war, als was er ihn schon bei
Lebzeiten verehrt hat, ein vollendeter Heiliger; und nicht nur ein Hei-
 
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