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Kissling, Hermann; Stadtarchiv <Schwäbisch Gmünd> [Hrsg.]; Deibele, Albert [Bearb.]
St. Leonhard in Schwäbisch Gmünd und die ihm angeschlossenen Pflegen: Geschichte u. Verzeichnis d. Urkunden, Akten u. Bände mit e. Anh. über d. Dreifaltigkeitskapelle u. den St. Salvator ; 1323 bis zur Gegenwart — Schwäbisch Gmünd, 1971

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https://doi.org/10.11588/diglit.37739#0018
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Stift zu Tübingen. 1892 wurde er zum Priester geweiht. Seine unständigen Jahre
führten ihn nach Ludwigsburg, Feuerbach/Zuffenhausen und 1896 als Stadtpfarr-
verweser nach Weilderstadt. Entscheidend für seinen Lebensgang wurde 1897
seine Berufung nach Schwäbisch Gmünd, wo er bis 1912 als Kaplan wirkte. In
dieser von Geschichte getränkten Stadt reifte Weser zum anerkannten Forscher
heran. Schon seine Schüler, zu denen auch ich zählte, wußte er für die Vergan-
genheit unserer Stadt zu gewinnen, und es verging kaum eine Predigt, welche
nicht an die Gmünder Gotteshäuser oder ihre Ausstattung anknüpfte. In zahl-
reichen Vorträgen, Führungen und Veröffentlichungen im „Kirchlichen Anzeiger“
und später auch in den „Gmünder Fleimatblättern“ wußte Weser Freude und
Begeisterung für das hiesige reiche Kulturleben zu wecken. Was die neuesten
Lehrpläne fordern, den gesamten Unterricht auf dem Heimaterleben aufzubauen,
war für ihn damals schon eine Selbstverständlichkeit. Es war für unsere Stadt da-
her ein großer Verlust, als er 1912 die Stadtpfarrei Söflingen übernahm. Doch
in seiner Liebe blieb er der alten Reichsstadt treu. Sie führte ihn als Pensionär
wieder in ihre nächste Umgebung zurück, und von seinem Grabhügel aus über-
blickt man einen Teil von Schwäbisch Gmünd und seines einstigen Gebietes, dem
ein gutes Stück von seiner Lebensarbeit gewidmet war.
Im zunehmenden Alter machte sich bei ihm mehr und mehr ein schweres Au-
genleiden bemerkbar, das eine Zeit lang zu seiner gänzlichen Erblindung führte.
Zum Glücke konnte wenigstens das rechte Auge gerettet werden. Im Jahre 1932
verschlimmerte sich dieses Augenleiden und sein körperlicher Zustand derart, daß er
um seine Zuruhesetzung einkommen mußte. Er zog sich in sein neu erbautes Wohn-
haus in Straßdorf bei Schwäbisch Gmünd zurück, wo er sich so weit erholte, daß
er seine Forschungsarbeiten wieder aufnehmen konnte. In dieser Zeit sichtete,
erweiterte und ergänzte er seinen überaus reichen Stoff aus der Gmünder Stadt-
geschichte. Frohen Herzens konnte er 1941 mitteilen, daß er nun seine Arbeiten
über Schwäbisch Gmünd abgeschlossen habe. Noch im selben Jahre verschlimmer-
te sich sein Gesundheitszustand so sehr, daß er seit Weihnachten außer Stande
war, eine Messe in der Kirche zu lesen. Eine Leberschwellung machte ihm sehr
zu schaffen; doch vermochte er noch einige archivarische Arbeiten durchzuführen.
Im Mai 1942 setzte ein rascher Kräftezerfall ein, der ihn dauernd an das Bett
fesselte. Mit letzter Kraft las er noch in seiner Wohnung am 19. Juli 1942, dem
Tag seines goldenen Priesterjubiläums, eine Messe. Von nun an konnte er das
Bett nicht mehr verlassen. Am 7. August 1942 um 12 Uhr 15 verschied er, noch
bis zum letzten Augenblick bei vollem Bewußtsein, und wurde auf dem Friedhof
zu Straßdorf begraben. Dem größten Gmünder Heimatforscher durfte ich, sein
einstiger Schüler, im Aufträge der Stadt Schwäbisch Gmünd am offenen Grabe
danken.
Mit Weser ging ein vornehmer Charakter, ein frommer, eifriger Priester, ein
bedeutender Forscher, ein erfolgreicher Sammler und ein nimmermüder Arbeiter
in die Ewigkeit hinüber. Mögen diese Zeilen, in tiefster Dankbarkeit geschrieben,
mithelfen, das Andenken an diesen einmaligen Mann in hiesiger Stadt zu er-
halten !

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