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Deri, Max
Die Stilarten der bildenden Kunst: im Wandel von zwei Jahrtausenden — Berlin [u.a.]: Bong, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.52615#0213
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HEITERER INNENRAUM

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dergreifender Attacken, als spielte man Passagen in
höchster Geläufigkeit ganz ohen im Diskant eines
Klavieres. Bewegte Feinheit, bewegt um jeden
Preis, fein bis zur letzten Sublimiertheit prickeln-
der Grazie. Bunt und übermütig, zierlich und fast
verwegen wird jede Statik unbedingt negiert — die
Schwerkraft ist der Feind! —, wird jedes Dauer-
gefühl unbedingt vermieden, wird jeder Ernst in
hundert Kleinformen zerstückt, zwischen den nadel-
spitzen Effekten der von allen Seiten heranschwir-
renden Sensationen zerstochen und zerrieben. Die
Frauen in weit ausladenden, aber innen hohlen, auf
Reifen luftig aufgehängten Röcken, auf hohen Ab-
sätzen in spitzen Schuhen trippeln über das glatte
Parkett in tänzerischem Kleinschritt. Bei jedem
Schritt wippt das Gewand in kurzen Schwüngen
hin und her, beim Setzen bauscht es sich nach oben.
Das Spiel wird durchgeführt um jeden Preis. Mit
einer Einseitigkeit des Stiles, die für die sichere
Geschlossenheit des Lebensgefühles zeugt, wird nichts
geduldet, was irgendwie durch seine Ruhe das tän-
zerisch Bewegte stören könnte. So wird auch keine
gerade Linie toleriert. Die Möbelstücke schwingen
ihre Kanten, der Fuß des Tisches oder eines Stuhles
darf nicht im rechten Winkel den Boden fassen,
sonst wirkte er zu ernst, zu „dauerhaft“, zu sta-
tisch. Das dynamisch Kleinbewegte des Gefühles
zwingt auch das Bein des Möbels zum Tänzerschritt,
zwingt es zur leichtest an den Boden greifenden
 
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