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Deutsche Kunst: illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen ; Centralorgan deutscher Kunst- u. Künstlervereine — 2.1897/​1898

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Nr. 19 (15. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.69999#0389
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Deutsche Kunst.

371

jedem Muster etwas diskret verschwimmendes, und das ver-
schiedenartige Schimmern des Lichts auf den einander entgegen-
gesetzt verlaufenden Faden verstärkt noch diesen Effekt. Etwas
ähnliches kann man beobachten, wenn man dasselbe Muster in
den gleichen Farben einmal auf ein glattes Papier, das andere
Mal auf ein starkrippiges Gewebe fchablonirt. Hier wirkt weich
und angenehm, was dort sich hart und brutal ausnimmt. So
auch die gedruckte Papiertapete, wenn der Entwurf nicht auf
diese derb aufrichtige Eigenschaft des Materials Rücksicht nimmt,
das nichts von dem unterdrückt, was ihm anvertrant wird.
Daher die Grellheit so vieler Tapeten, an denen wir uns die
Augen müde und überdrüssig gesehen haben, daß die Deutlichkeit
der Farben und Tonkontraste jedes Detail des Ornaments sein
Cinzeldasein führen läßt. Mer ist nicht schon versucht gewesen,
die Blumensträuße an einer wand zu zählen, immer bis zur
Decke hinauf, bis alles vor den Augen flimmerte, daß man sie
geblendet schließen mußte.
All diesen Uebelständen der Tapete suchten die Engländer-
seit Morris Vorbild auszuweichen. Aber mit wenigen Aus-
nahmen wirken auch die modern englischen Muster durch ein
wohlgefälliges Verweilen bei großen Blumenmotiven noch immer-
stark bildartig. Sie mögen auch für des Infelreiches trüben
Himmel und seine dunkeln Tage günstiger wirken, als in Hellem
deutschem Sonnenschein. Man wird dort von diesen Blüthen,
Vögeln und Menschengestalten weniger sehen, als wenn wir die-
selben Papiere bei uns der Probe aussetzen würden. Auch läßt

man sich bei der englischen Sitte, stets nur einen Theil der wand
mit der Tapete zu bekleben, das untere Drittel aber für eine
Holzbekleidung oder für ein einfacheres Papier freizulassen, ein
reicheres Muster auf dem oberen Theile der wand gefallen, da
so die Gegenstände im Zimmer den ruhigeren Hintergrund finden.
Reuerdings sieht man übrigens auch vielfach englische ganz ein-
farbige Tapeten, die nur oben in einem dann reichgemusterten
Fries endigen.
Bei uns in Deutschland wird man aber doch wohl in der
überwiegenden Mehrzahl der Fälle an der Tapete über die ganze
Wand und zwar an der Papiertapete festhalten. Besonders wird
sie für lange Zeit das kleid der Miethswohnung bleiben. Und
es ist gut so, denn man kann sie schlimmsten Falls leicht durch
eine dem eigenen Geschmack zusagendere ersetzen. Aber wie aus-
wählen, um Bewegungsfreiheit für die übrige Zimmerausstattung
zu gewinnen, um die schönen Formen eines Möbelstückes nicht zu
beeinträchtigen, und um unsere Bilder mit vortheil über die
wände vertheilen zu können? Seit kurzem haben wir die
Tapeten, die wir suchen. Otto Lckmann entwarf die Muster und
er wußte seine Zeichnung so zu gestalten, daß wir Formen und
Farben sehen und doch keine falschen Gemälde vor uns haben.
Die Zeichnung hält sich zurück, die Farben treten bescheiden auf,
jedes Detail verschwindet für den, der mitten im Zimmer steht,
in einem anmuthig belebten, ruhigen Ton, dem wir wohl die
Führung im Farbenkonzert unseres Zimmers anvertrauen mögen,
ohne Disharmonien zu fürchten. 21 lp.

Die Deutschen im äe
m Salon haben sich deutsche Meister ein Rendez-vous gegeben, die
zwar keinem, der sich über die moderne kunftbewegung — denn eine
moderne Kunstrichtung giebt es nicht — auf dem Laufenden erhält,
unbekannt sind, aber doch noch selten genug zu uns kommen, um ein zahl-
reiches Publikum zu finden, denen sie neu sind. An ihrer Spitze steht Adolph
Menzel. Zeigt er sich auch nicht in seiner erstaunlichen Vielseitigkeit, so
treten in seinen allerdings meist schon älteren Arbeiten doch genug bedeutende
Züge seiner markanten Persönlichkeit hervor, die sich auch im kleinsten mit
derselben Kraft offenbart, wie in seinen größeren Gemälden. Line vor-
zügliche Arbeit, breit in der Ausführung und trefflich in der Charakteristrung
ist der bekannte Rabbiner, neben dem dec Kopf eines Mannes als eine
Zeichnung von staunenswerther technischer Sicherheit und realistischer Treue
trotz der einfacheren Mittel in Ehren besteht. Line Zeichnung, „Die Schwieger-
mutter", verräth nicht weniger die Hand des Meisters. Dem Gesichtsaus-
druck nach hat Menzel in diese Schwiegermutter zeitgemäße Ansichten dar-
stellen wollen, die für diese Abart von Elternschaft nicht gerade empfehlend
sind. Als Kuriositäten wirken die ebenfalls bekannten Handstudien, die in
ihrer anatomischen Richtigkeit genau beobachtet und ehrlich wiedergegeben sind.
Allerdings muß Menzel die Hand, die er zweimal gezeichnet hat, auch sehr
genau kennen, denn es ist seine eigene Rechte, die er mit der Linken fest-
gehalten hat. Das manu8 mauum lavat darf der Meister für sich selbst
dahin abändern, daß ec mit berechtigtem Lünstlerstolz sagt: eine Hand zeichnet
die andere, wahrlich Jeder hätte Anspruch darauf, als tüchtiger Künstler
anerkannt zu werden, der mit der rechten Hand leisten könnte, was Menzel
mit der linken schasst, denn er arbeitet mit beiden gleich gut. von den
andern Studien güt ein Pferdekopf allgemein als uu vrai cüsf-ck'oeuvi-e;
die Kritik ergeht sich in seltenen Lobsprüchen, deren begeisterten Ton man
diesmal nicht allein auf Rechnung des französischen Temperaments zu setzen
braucht, „wer das machen kann", heißt es, „kann alles machen!" (?s8t
Is pertsckiou cke Part äu cke88inarsur.
Lin zweiter Berliner Maler, Max Liebermann, der in Paris beinahe
eher und mehr anerkannt worden ist als in Deutschland, gilt hier eigentlich
nicht als ausschließlich deutscher Künstler. Das interessante Ensemble
seiner Werke im Lalon äs In 8ocisk6 cks8 bsaux-ari8 zeigt alle jene Vor-
züge, die die französische Kunst für sich beansprucht. Das „Altmännerhaus",
„die zwei kleinen Mädchen", „der Mann in den Dünen" und die „holländische
Straße", ein Bild von intimem Reize, normalen koloristischen Eigenschaften, die
man deutschen Malern nicht zutraut und auch von ihnen nicht erwartet. Gewiß
hat Liebermann in Paris viel gelernt, gewiß haben Lourbet, Millet,

soeiete äes beaux-arts.

Bastien Lepage auf ihn eingewirkt so gut wie Israels und Frans
hals; er verarbeitet internationale Ueberlieferungen zu dem Produkte seiner
Eigenart, dem Stimmungsbild. Als Stimmungsmaler bedeutet er für
Deutschland den Bahnbrecher des realistischen Impressionismus. Ihn von
Frankreich her in Deutschland eingeführt zu haben, ist sein Verdienst. Und

doch spricht aus Liebermann's Werken auch ein deutscher Zug; ein hauch

Menzel'schen Geistes durchweht sie, nur gemildert, aber er hat sich technisch
unabhängig gemacht und ducchgearbeitet zu einer eigenen Malweise, so daß
man von ihm sagen kann: il boit äau8 8on propre verre! Ls ist kein

deutsches, aber auch kein
direkt französisches, es ist
Liebermannisch.
Reben Liebermann's
internationaler Kunst ge-
fällt aber selbst kerndeut-
sches Wesen, dem man
Lourbet's Einfluß auch
nicht mehr anmerkt. Die
Ausstellung Wilhelm
Leibl's gilt als uoru-
breu86 er inker-
688nnre. Leiblwird ge-
stempelt zu einem nouveau
Net8^8. An erster Stelle
muß von seinen Werken
das Bildniß eines Berliner
Kunstfreundes hervorge-
hoben werden. Ls unter-
scheidet sich von den ande-
ren bis ins Detail, mit
dem Fleiße alter Meister,
mit liebevoller Geduld und
Andacht vor der Ratur
ausgeführten Arbeiten wie
„Die Unterhaltung", „Die
bayerische Bäuerin", „Die
Tirolerin" durch freiere


Mache und kühnere Auf-
fassung. Trefflich beob-

Italienischer Reliefrahmen, (puattrocento.
 
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