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Deutsche Kunst: illustrirte Zeitschrift für das gesammte deutsche Kunstschaffen ; Centralorgan deutscher Kunst- u. Künstlervereine — 2.1897/​1898

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Nr. 19 (15. Juli 1898)
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https://doi.org/10.11588/diglit.69999#0391
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Deutsche Kunst.

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Bildnerische Verherrlichung der Hochjagd.
Auf der vorjährigen Dresdener Iahresausstellung fiel eine portraitbüste
Norbert pfretzschner's durch ihren kecken Realismus auf. Den Spitzhut
mit Gemsbart und Spielhahnfeder im Racken, den Schnurrbart anfgezwirbelt,
blickte der scharf geschnittene Kopf übermüthig in die Welt. Norbert pfretzschner
ist nicht nur Bildhauer, sondern auch Tiroler Schützenhauptmann und ein
gewaltiger Nimrod vor dem Herrn. Sein Atelier in der Kantstraße in
Lharlottenburg ist ebenso reich mit Gipsabgüssen wie mit Iagdtrophäen aller
Art geschmückt, ein Mittelding zwischen Künstler- und Iägerhelm. Embleme
der Jagd sind es denn auch, mit denen pfretzschner jüngst den Lckthurm zu
Schloß Moschen in Oberschlesien für den Grafen Tiele-Winkler aus-
gestattet hat. Lin Lberkopf mit mächtigen Hauern und ein imposantes, von
zottigem Haar umwalltes Büffelhaupt blicken hoch von der Wand, in Sand-
stein ausgeführt, dem Ankömmling entgegen. Erfreulich an diesen Arbeiten
ist der dekorative Sinn in der das Wesentliche in großen Zügen betonenden
Behandlung und das Maßhalten zwischen T^pus und Modellstudie.
Von fernem Stilgefühl und ausgebildetem Formensinn zeugt eine Bronze-
statuette pfretzschner's auf der diesjährigen Berliner Ausstellung, welche die
„Hochjagd" versinnbildlicht. Line dianenhaft schlanke Mädchengestalt steigt,
ein Hirschsell um den Unterarm geschlungen, den Speer in der Hand, auf
dem Kopfe den leichten Iagdhelm mit aufsteigendem Federschmuck, beutefroh
den Felsen hinab. Die stark ansschreitende Bewegung der jungfräulich
zarten Glieder, die zierliche Beugung des Arms mit dem Speer, das fein
auf dem Halse sitzende Köpfchen erinnern ebenso wie die glatte Behandlung
der Flächen, unter deren Spannung die Mnskellagen verschwinden, an die
Arbeiten der Franzosen am Ende des vorigen Jahrhunderts. Ls schwebt
über dem Ganzen ein Hauch jener Anmuth, die den Uebergangsstil vom
Barock zum Rokoko charakterisirt. Besonders glücklich ist pfretzschner in der
naturalistischen Behandlung dec Sockel, auf die er Lüsten und Statuetten zu
stellen pflegt. G. M.
Herlm. — Ohne die illustri rte Postkarte geht es schon nicht mehr;
auch die Geschäftsleitung dec großen Kunstausstellung hat solche heraus-
gegeben, die aber die Kunst zu sehr vermissen lassen. Statt Reproduktionen
photographischer Aufnahmen von Interieurs und Theilen des Ausstellungs-
parkes zu geben, wäre es richtiger gewesen, sich die Postkarten der vorjährigen
Dresdener Ausstellung zum Muster zu nehmen. Sicher hätten sich wirkliche
Künstlerkarten einer weit regeren Nachfrage erfreut und wären zu einer er-
giebigeren Duelle von Rebeneinnahmen geworden, die bei einer Ausstellung
nie schaden können, wenn auch die bisherigen Verkäufe von Kunstwerken in
der großen Kunstausstellung in Anbetracht ihrer erst zweimonatlichen Dauer
bereits ein recht erfreuliches Resultat ergeben haben. Allerdings darf man
daraus noch nicht auf einen besonders entwickelten Kunstsinn der Berliner
schließen, denn die Mehrzahl der 165 verkauften Kunstwerke geht nach außer-
halb. Mit dem Anfang also darf man zufrieden sein und wenn es so weiter
geht, wird das Cndresultat hoffentlich zu dem Ausruf veranlassen: „Lnde
gut, alles gut!" Aber dann folgen auch gleich wieder neue Kunstaus-
stellungen, die kein Lnde mehr nehmen wollen; denn am 15. Oktober soll das
neue Künstlerhaus in der Bellevuestraße mit einer solchen eingeweiht
werden. Cinstweilen genügt dem künstlerischen Ledürfniß der Berliner neben
der Ausstellung am Lehrter Bahnhof noch Schulte, bei dem neben alten
bekannten und regelmäßigen Stammgästen wie A. Achenbach und Lonrad
Kiesel diesmal ein vielversprechender, bei uns noch unbekannter Maler Fi
Amur kos mit einer Schönheitsgalerie interessant aufgefaßter und virtuos
ausgeführter weiblicher köpfe debütict.

Linen tiefen Eindruck macht durch seinen poetischen Inhalt sein groß
gedachtes und tiefempfundenes Gemälde „Stern von Bethlehem". Der
Ausdruck des Innenlebens in den fünf weiblichen und zwei männlichen jungen
Gestalten, die in dämmeriger Felsenlandschaft emporschauen zu dem ver-
heißungsvollen Stern, läßt alle Seiten der menschlichen Seele erklingen, die
eine Hoffnung auf Erlösung anschlagen kann.
Sehr reichhaltig ist die Ausstellung von C. O. Simonsen - Lastelli,
der sich in verschiedenen künstlerischen Richtungen und Techniken als virtuos
erprobt. Unter den Genrebildern zeichnet sich L. M. Se^ppel's „Das junge
Genie" durch seine Malweise und „Stille Andacht" von A. Bock, München
durch liebevolle Beobachtung der Natur aus. — Von Landschaften seien noch
erwähnt A. Grothe's wirksame, etwas derb behandelte „Alte Maas bei
Roermond", der stimmungsvolle „Abend in der Haide" von G. Merveldt, und
H. Deiter's „Herbstwald".
München. — Die Sezession ist in der glücklichen Lage, zu konstatiren,
daß der Besuch ihrer Ausstellung im neubezogenen König!. Kunstausstellungs-
gebäude ein noch viel regerer geworden ist, als ec in den Jahren 1893—1896
im provisorischen Ausstellungsgebäude in der pcinzregenten-Straße war, und
giebt sich im schönen Glauben an weitere Lcfolge dec tröstlichen Hoffnung
hin, daß die Schuldenlast des Vereins, die von 170 000 Mark im Jahre 1893
auf 10 000 Mark bis Lnde Juni 1898 hecabgemindert worden ist, noch in
diesem Jahre getilgt werden kann, vielleicht soll der verkauf von Ansichts-
postkarten mit dazu beitragen. Line neue Zugkraft hat die Ausstellung
noch durch ein großes Gemälde von Prof, von Uhde erhalten, ein „Heiliges
Abendmahl", das den Künstler auf der Höhe seines eigenartigen könnens
zeigt. Das neue Abendmahl Uhde's zählt ohne Furage zu seinen reifste» und
ausgeglichensten Werken und ist als eine wichtige Bereicherung der Sezession
zu begrüßen.
Möchte sich in diesem Jahre noch ihre Hoffnung erfüllen, damit sie bald
auch finanziell mit der Kunstgenossenschaft konkurriren kann, die in der Lage
ist, zur Vollendung des Künstlerhauses auf dem Maximiliansplatze aus
eigenem vermögen 500 000 Mark zu bewilligen. Für Zwei Fünftel dieser
Summe haben die ersten Künstler wie Lenbach und Andere Jinsgarantie
übernommen.
Auch die Iahresausstellung im Glaspalast übt neue Anziehungskraft
aus, denn endlich konnte auch die völlig neu inszenirte Abtheilnng für
Architektur und Kunstgewerbe eröffnet werden. Im großen Plastiksaale
ist nachträglich noch die für den deutschen Reichstagsbau bestimmte Kolossal-
statue „Kaiser Otto I." von Prof. Rudolf Maison in Originalbronzegnß
aufgestellt.
Line Kleinkunstausstellung, die einer noch jungen Industrie Gelegenheit
giebt, ihre Erzeugnisse auch hier einer weiteren Oeffentlichkeit voczuführen,
ist im Saale des großen Kollergarten in der Schwanthalerstraße vor einiger
Zeit eröffnet worden: Die Große internationale Ausstellung illustrirter und
von künsilerhand gemalter Postkarten. Wenn sie sich international heißt, so
findet dies seine Berechtigung nicht so sehr in dem Ursprung dec Karten, als
vielmehr in den zur Anschauung gebrachten Landschaften; denn die meisten
Karten tragen ein „impoctö", das dem „maäe irr 6ermair)'" gleichkommen
dürste. Das möchten wir als das Erfreuliche an der Ausstellung bezeichnen,
daß sie den Vorrang der deutschen Industrie auch auf diesem Gebiete dar-
thut. So finden wir denn auch in dem Führer durch die Ausstellung fast
nur deutsche und österreichische Namen und Firmen.
 
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