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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 15 (1. Maiheft 1916)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0156

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Gefangnenhilfe

ine studentische Vereinigung mit
„christlicher" Lendenz hat Sol-
datenheime hinter der Front gegrün-
det und treibt Gefangnensürsorge in
Rußland, England, Frankreich und
Deutschland. Das sind dankenswerte
und gute Werke. Im besonderen
Sinne christlich will mir vor anderm
die Hilse für die gefangnen feind-
lichen Soldaten vorkommen. Denn
für die eignen im sremden Land zu
sorgen, treibt das Blut und alle
natürliche Empsindung von selbst:
und das ist recht. Die sremden Ge-
fangnen aber in die Fürsorge hin-
einzuziehen, bedarf es Selbstüber-
windung nnd ein etwas geweitetes
Herz. Das ist nicht jedermanns
Sache. Es gibt Kreise, in denen es
geradezu sür patriotisch gilt, von
fremden Gefangenen und von der
Fürsorge für sie mit einer gewissen
Gehässigkeit zu sprechen. Das ist
„Maulbarbarentum". Wir Deut-
schen, die wir uns kennen, wissen ja,
daß es nicht so schlimm gemeint ist,
und daß dieser rauhe Ton, wo er
bei uns laut wird, sogar eine Art
Versteck für ein leicht zu rührendes
Herz sein kann. Im Ausland wird
das leider nicht verstanden. (Merk-
würdigerweise, wie es scheint, auch
in Amerika nicht, das doch im gro-
tesken Humor Mark Twains ein ge-
wisses Seitenstück zu unserm „Gro-
bianismus" besitzt.)

Ob es wirklich so wertvoll ist, das
harte Herz zu spielen und den roten
Kopf zu bramarbasieren auf Kosten
teurer und mit Blut (und zwar meist
nicht dem eignen!) zu bezahlender
Mißverständnisse? Sollte aber gar
das wüste Haßgeschrei von drüben
die wütenden Stimmen bei uns her-
vorlocken, so möge man erwägen, ob
es nicht wertvoller sei, auch den
mächtigeren und stärkeren Geist be-
weisen möchte, sich nicht ablocken zu
lassen vom ruhigen Weg starker
Selbstsicherheit, die auch dem Feind

gerecht sein kann, weil ihr Gleich-
gewicht nicht gestört ist. Es scheint
mir nicht in der Ordnung, daß
sich die Vereinigung durch die Zei-
tungsangriffe auf ihre Gefangnen-
hilfe genötigt sieht, in ihren Werbe-
fchriften zu versichern, daß diefe Hilfe
an den fremden Gefangenen „um
der Gleichmäßigkeit und des Aus-
tauschs willen" geschehe. Christliche
Gefühle sind keine Austauschgegen-
ftände. Erst das einfache Erbarmen
mit Leuten, die aus demselben
Pflichtgefühl wie unsre Soldaten sich
zu opsern gingen und gefangen wur-
den, und die Ehrfurcht vor allem
schweren Schicksal, auch dem feind-
lichen, ist wahrhaftes ChristentuM!.
Wir können der guten Zuversicht
sein, daß es das in Wahrheit Trei-
bende bei dieser noblen Sorge für
die fremden Gefangnen ift, und fo
mögen wir uns diefer Arbeit ganz
besonders freuen, selbst die unter uns
mögen es tun, welche das Hinein-
mifchen christlicher Bekehrungsab-
sichten weniger billigen, nnd die
das starke In-den-Vordergrundrücken
vornehmer Namen weder christlich
noch studentisch finden. fmsj

Bonus

Wo haßt man sich am we-
nigsten?

H>iese Frage beantwortet uns ein
^deutscher Regimentskommandeur
in einem Briese von der Front wie
folgt: Da, wo man sich am blutigsten
bekämpft! Freilich gilt diese Ant-
wort — wenigstens an der West-
front — nur für die Franzofen. Ich
weiß allerdings nicht genau, ob die
französische Front über uns ebenso
verständig denkt, wie wir über sie,
aber ich habe Anhaltspunkte und
das Vertrauen, daß es da drüben
nicht viel anders ist. Die berüchtig-
ten „Fraternisierungsannäherungen"
gehören nicht in dieses Kapitel. Sie
sind zwar ein Ausfluß, aber der
Exzeß eines Ausflusses gegenfei-
 
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