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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,3.1916

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Heft 18 (2. Juniheft 1916)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14293#0320

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jeden Kommentar; nur einige Auße--
rungen neutraler Blätter wurden
später zitiert. Ihre Leser für Deutsch-
land zu gewinnen, sucht die Zeitnng
aus andere Weise: indem sie in
ihrem Feuilleton zahlreiche Auf-
sätze über deutsche Kultur, deut-
sches Leben, deutsche staatliche
und soziale Linrichtnngen bringt.
So finden wir da Aussätze
über Invalidenfürsorge, Unterrichts-
wesen, Landwirtschaft usw., Aussätze,
die dem russischen Leser vor Augen
sühren, wie viel der Russe noch von
Deutschland lernen kann, und wie
viel vernünftiger es gewesen wäre,
mit Deutschland in Frieden zu blei-
ben. Daß viele Gesangene auch so
denken, das beweisen zahlreicheBriese
Gefangener, die die Zeitung abdruckt.

Gerade aus ihnen geht auch her-
vor, wieviel schmerzliche Gesühle
gerade der Vergleich der deutschen
Zustände mit den russischen in der
Seele des sehr an seiner heimischen
Scholle hängenden Russen hervor-
ruft. Der Gedanke an Weib und
Kind, Geschwister nnd Eltern in der
Heimat, die vielleicht im Elend ver-
kommen, während der Gefangene in
Feindesland Brot, Unterkunst und
Arbeit hat, kommt immer wieder
und oft in rührendster Weise zum
Ausdruck. Die Osternummer der
Zeitung brachte eine ganze Reihe
von Gedichten Gefangener. Ans
sprachliche Schönheit und metrische
Korrektheit hat die Schristleitung bei
der Auswahl nicht allzu viel geach-
tet; sie hat die Leute reden lassen,
wie es ihnen ums Herz war. Und
in holperigen Versen mit ost ganz
unmöglichen Reimen reden sie von
ihrem großen Heimweh, ihrer Frie-
denssehnsucht und den tranrigen Zu-
ständen im fernen Vaterland.

Hätten wir vor dem Kriege Zei-
tungen zu schasfen und zu verbreiten
gewußt, die diesem „Russischen
Boten" und der „Gazette des Arden-
nes" entsprechen konnten! A. L.

Vom Erotismus in den
Modeentgleisungen

Man schreibt uns:
le weibliche Mode bedeutet das
Spielen und Betonen der Erotik
im Weibe — sie soll die Reize des
Weibes als Sexualwesen hervor-
heben. — Ob das nun die Frauen
wissen oder nicht. Dieses Spielen
und Betonen kann nun in sehr feiner
und ästhetischer Art vor sich gehen;
die Mode kann also eine Würze im
Dasein der Frauen bedeuten, eine
tzerausarbeitung ihrer Werte. Sie
arbeitet polar, gegensätzlich. Sie muß
die Reize wechseln. Aus enge, alles
enthüllende Kleidung folgt eine
weite, auf große Hüte folgen kleine,
aus hohe Korsetts niedere, aus glatte
Blusen solche mit phantastischer Ver-
zierung usw. Die Mode springt. Das
ist naturwissenschastlich begründet im
Gesetz der Reizwirkungen. Ent-
gegengesetzte Reize wirken am stärk-
sten. „Dunkel — Licht. Lärm —
Stille." Äbergänge würden die
Reize einschleichend vermitteln. In
elektrischen Versuchen kann man
jemandem die Elektrodenplatten
zweier Elemente in die Hände geben
und langsam neue Elemente, eins
nach dem andren, zusügen, bis zn
dem Vielsachen der Ansangsdosis:
die Versuchsperson wird keinen
Schlag, kaum eine Verstärkung mer-
ken. Würde man aber zwei Ele-
mente und sosort dann zehn einleiten,
so würde sie ei-nen furchtbaren Schlag
spüren. Entsprechend arbeitet die
Mode. Eine alte Mode verliert die
Reizstärke; die Frauen müssen neue
Mittel haben, um so stark wie zuerst
zu wirken. Die Modefabrikation stellt
sich in den Dienst dieser Idee, sie
wirft eine neue Mode mit entgegen-
gesetzten Esfekten auf den Markt.

Die Frauen nun, welche schicklich
und mit einem ruhigen Genießen
der Mode solgen, werden die neuen
Modelle sich nur bis zu einer ge-

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