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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

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Heft 21 ( 1. Augustheft 1916)
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Schumann, Wolfgang: Bücher der Zeit, 9: über Österreich-Ungarn
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0144
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Reicheren Aufschluß als über irgendein Land bietet uns das Schrifttum
deutscher Zunge über Osterreich-Ungarn. Und doch — lesen wir die letzten
Beweggründe politischen Geschehens und menschlicher Entwicklung aus noch
so einläßlichen geschichtlichen Werken ab? Es kommt darauf an, wie hoch
man fordert, welchen Grad von Anschaulichkeit man verlangt. Wie fast
unser gesamtes geschichtliches Schrifttum, so macht auch dieses nur deutlich,
was sich aus Dokumenten, aus offiziellen und privaten Zeugnissen „fest-
stellen" läßt. Eine seltsame Scheu durchwaltet es, die Lebensstimmung,
die letzten seelischen Beweggründe des Menschentreibens zu berühren. So
wenig wie die meisten andern Geschichtswerke haben alle diese die höchste
erreichbare Anschaulichkeit, die allein aus soziologischer Betrachtung zu
gewinnen ist. Mit allen Kenntnissen, die man solchen Büchern entnimmt,
wird malr trotzdem dem heutigen wie dem gestrigen Geschehen in Öster--
reich-Ungarn noch fremd gegenüberstehen, sobald man es aus nächster Nähe
betrachtet. Vielleicht empfindet man das in keinem Reich so stark wie
in der Monarchie, deren Zusammensetzung sich ja grundsätzlich von der
aller andern Großmächte unterscheidet. Ein wenig hilft hier aus der
reiche Besitz an Selbstbiographien und Erinnerungen, der vorläusig an dieser
Stelle außer Betracht bleiben mußte. Da öffnet sich manchmal gleichsam
überraschend ein Einblick in jene persönlichen, rassenhaften, gesellschaftlichen,
in gewissem Sinne unsachlichen Motive, welche neben politischen allezeit
den Gang der Geschichte mitbestimmen. Ein Grundsätzliches sei aber des
ferneren schon hier bemerkt: Die Geschichte lehrt vor allem Österreichs Auf-
gabe, Österreichs politische Stellung und seine innere und äußere Ent-
wicklung kennen. Ost begegnet man in Deutschland einer Auffassung, als
ob es uns zukomme, vor allem eben die „Aufgabe" der Monarchie klar
zu erkennen, hinzustellen und geschichtlich zu begründen, manchmal scheint
sogar nur die Aufgabe gemeint zu sein, die sie für Deutschland zu lösen,
die Verpslichtung, die sie für Deutschland abzuleisten hat. Schon ein ernst-
haftes Geschichtsstudium wird daneben rasch Österreich-Ungarn als ein
Reich eigner Struktur, eignen Kulturbesitzes, eigner Lebenskraft und
Lebensform erkennen lehren. Mit den Werken, die Österreich als Eigen-
wesen, das gegenwärtige Österreich mit seinen vielverschlungenen Problemen,
seinem reichen Besitz und seinen schweren Lebensfragen darstellen, soll sich
ein zweiter Aussatz später befassen. Wolfgang Schumann

R. Charmatz, Österreichs innere Geschichte (8^8—(907, 2 Bde (Teub-
ner, L.), 32l S., 2,50 M.; derselbe: Gesch. d. ausw. Politik Österreichs im
lh. Iahrh., 2 Bde (Teubner), 268 S., 2,50 M. L. v. Chlumecky, Öster-
reich-Ungarn und Italien (Deuticke, Wien), 5,80 M.; derselbe: Die Agonie
des Dreibundes (Deuticke), ^3 S., 3 M. E. Csuday, Geschichte der
Ungarn, 2 Bde, (078 S. (2. Aufl. (900, ohne Verl.-Angabe, ca. 3 M.).
h. Friedjung, Österreich von (8^(8—-(860, 2 Bde (Cotta, Stuttg.), 5(2
und 570 S., geb. 29 M. (der dritte Band steht <rus); derselbe: Der Kampf
um die Vorherrschaft in Deutschland (859—(866, 2 Bde (Cotta), und
705 S., 28 M.; derselbe: Der Krimkrieg u. d. österr. Politik (Cotta), (98 S.,
5 M. R. F. Kaindl, Geschichte der Deutschen i. d. Karpathenländern,
3 Bde (Perthes, Gotha), 369, ^2( u. ^7 S., 30 M. G. Kolmer, Parla-
ment u. Versassung in Österreich, 8 Bde (C. Fromme, Wien), über ^000 S.,
Vand je 6—9 M. v. Krones, Österr. Geschichte, 3 Bde (Sammlung
Göschen), (55, (3(, (50 S. mit Stamm-, Zeit- und Abersichtstafeln, je
B Ps. G. Loesche, Von der Duldung zur Gleichberechtigung (Manz,
 
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