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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,2.1918

DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1918)
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Fischer, Theodor: Was ich bauen möchte
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https://doi.org/10.11588/diglit.14372#0022
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ganz besonders in der Art des Betriebes. Die Verwendung des hauses, das
Leben inr Raunr muß natürlich die Hauptsache werden, und das dürfte nicht
dem Zufall oder der Mode überlassen bleiben. Für die Regie fordere ich noch
mehr Kunst als für den Bau.

In Andeutungen das Iahresprogramm, das eben aus der Iahreszeit und
ihren Naturstimmungen den Leitfaden nehmen muß! Die Wiedergeburt des
Lichtes beim Iahresanfang, erst mit inniger kindlich-ahnender Freude begrüßt
— Weihnachtsoratorien, Krippenspiele, Kinderfeste; dann mit immer ausge-
lassenerem Iubel gefeiert, in dem die Freude sich fast selbst als Zweck betrachtet
und uns über die lange Wartezeit hinwegtäuscht — (Februar, MLrz) freie
Bühne, Kunsttanz, Marionetten. Als starker Gegensatz die süße schlaffe Lrauer
des Vorfrühlings (Lharzeit) — ernsteste Musik, regelmäßige Orgelkonzerte an
den Nachmittagen, kurze Ausstellung großer Kuustwerke, und dann die Er-
lösung, die Auferstehung aus engen Banden. Mit dem Frühling in Wald
und Feld zu wetteifern, hätte wenig Sinn; deshalb schließt jetzt die Reihe der
besonderen Darbietungen mit eiuem Fest großeu künstlerischen Stils, in dem
die Poesie Gedanken und Wort, die bildende Kunst und die Mimik Farbe und
Form gibt und die Müsik die Seele tönen läßt.

Eine wesentlich andere Eigenart hat die zweite Hälfte des Iahres. So°
lange der Mensch in seinen Städten stille saß, galt's im Volkshause zu
wechseln. Ietzt wandert der Mensch und dort kann Stetigkeit einziehen. Des-
halb wird man in den Monaten Iuni, Fuli und August kleine Ausstellungen
veranstalten, etwa jeden Monat sich ablösende Ausstellungen je eines bedeuten-
den Künstlers oder auch länger dauernde einer Gruppe von Künstlern oder des
schönen Gewerbes oder eines anderen Gebietes, sofern dies nur auf den Grundton
unseres Hauses, das Künstlerische, gestimmt ist. Bildermärkte der bekannten Art
meinen wir damit also nicht. — Der Herbst dann kann allmählich sich wieder
den Einzelveranstaltungen öffnen: Virtuosenkonzerte, Darbietungen von Ton-
künstlervereinen und wohl späterhin wieder das eine oder andere Fest; doch
immer in solchem Maßstab, daß darüber die Teilung des Iahres in eine festlich
gesteigerte — Winter und Frühling — und eine ruhigere Hälfte — Sommer
und Herbst — nicht verwischt wird.

Die Anpassungsfähigkeit des Raumes muß demnach fast unbeschränkt sein,
ein Problem für den Architekten. Der Haushalt mit Menschen und beweg-
lichem Inventar darf nicht kompliziert werden, der Kosten wegen. Aberhaupt
wäre es freilich das Allerschönste, wenn der oder die Stifter so viel Kapital
der Idee opfern wollten, daß alle Veranstaltungen kostenlos dargeboten werden
könnten. Das ist nun freilich mehr als unwahrscheinlich, und überdies wird aus
rcin praktischen Gründen die Ausgabe von Eintrittskarten wenigstens für die
größeren Darstellungen unumgänglich sein. Die Preise müssen aber volkstüm-
lich bleiben und dürfen nicht differenziert sein. Außer an großen Tagen stehe
aber das Haus jedem jederzeit offen, und sei es auf die Gefahr, hie und da
als monumentale Wärmstube benützt zu werden.

Nun werde ich nicht weiter belegen müssen, warum ich eine solche Gründung
in protestantischen Landesteilen für wahrscheinlicher halte, als in katholischen.
Einfach, weil jene seit Iahrhunderten ausgehungert sind; in diesen aber über-
nahm es die Kirche selbst, das dem Menschen innewohnende Bedürfnis, sich
aus der nüchternen Alltagwelt in die schönere dsr Kunst zu erheben, in mehr
oder weniger künstlerischer Weise zu befriedigen, indem sie darin sshx brauch-
bare Mittel fand, ihre hochgesteckten Ziele zu verfolgen. Alle bildenden, die
redenden und tönenden Künste, selbst die geheimnisvollen Mittel der rhythmischen

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