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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 18.1900

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Beck, Paul A.: Die Klosterschule in Schussenried vor 100 Jahren, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15870#0010
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eiste» Siuiide seiner Regierung und in
edelstem Patriotismus und unter nicht
geringem Kostenaufwand so viel zur He-
bung der Sch. Schule beigetragen, das
Wohl der vaterländischen Jugend nicht.
Die Schule wurde wieder geöffnet und
mau sah sich, zwar in einer etwas ver-
änderten Lage, wieder im Kreise hoffnungs-
voller Zöglinge. — Mit neuem Mute
machten sich daun die Lehrer wieder an
ihr Tagewerk und worin auch dieses Schul-
jahr die lieben Kinder unterrichtet wurde»,
das findet sich hier den Lehrgegenstäuden
nachstehend kurz beigefügt. Plan und Zweck,
nach welchen gearbeitet wurde, ward bereits
vor einigen I. (nämlich in den eit. Schriften
von 1794/95) dem Publikum vorgelegt;
und dürste teils den schmeichelhaften Bei-
fallsbezeigungen nach zu schließen, teils
der eigenen Erfahrung nach, eine nicht
ganz uuricbtige Wahl getroffen worden sein.
Man weiß freilich mahl, daß die Stimmen
des Publikums über moderne Lehr- und Er-
ziehungsart geteilt sind; einer unzeitigen Neuer-
ungssucht hoffen aber die Sch. Klosterlehrer um
deswillen nicht geziehen zu werden, weil sie in
bedächtlichen Schritten mit dem Geiste des Zeit-
alters vorrückten. So vieles ist anders geworden
— ob besser oder schlimmer, laßt sich nicht ent-
scheiden —, aber für eine der ersten Pflichten
eines jeden Zugendlehrers halten die Sch. Lehrer
es, darauf Bedacht zu nehmen, wenn anders dem
sich etwa einschieichenden Verderbnis uorgebcugt,
dem aufkeimenden Guten nnchgeholfen und Wahr-
heit und Sittlichkeit verbreitet werden soll. Sitt-
lich güte Menschen und brauchbare Bürger for-
dert das Vaterland; uni hierin, zu entsprechen,
muß vorzüglich bei der Bildung der Jugend auf
die zeitigen Bedürfnisse, und auf all' das, waS
in der wirklichen Lage der Dinge dem Vater-
lnnde an, mehrsten not und nütze ist, gesehen
werden, — Das; moderne Vehr- und Erziehungs-
methode diesen Bedürfnissen schon gänzlich ent-
spreche, laßt sich ebensowenig behaupten, als
im Gegenteile die gehäuften Klagen über dieselbe
billigen. Es ist doch wohl noch etwas zu frühe,
über ihren Wert oder Unwert nbzuürteilen. Einige
LO Zahrc sind es kaum, als die Revolution im
Schulwesen begann; Basedow stand an der
Spitze der neuen Epoche, Anfänglich schienen
die Plane dieses tüchtigen Mannes wenig Beifall
zu finden, und sie beschränkten sich auf Dessau,
Indes vereinigten sich doch frühe Männer von
Kopf und Herz, und voll Liebe zum Vatcrlandc,
und traten der guten Lache bei. Ihre Stimme
erscholl in die zehn Kreise Deutschlands und
schreckte die Schulmänner von ihren Kathedern auf.
Man schrieb und las, räsonnierte und deräsonnierte
über Schulenreform und bald blies alles in die
tnda mugna: Da erhob sich dann über Erziehung
ein Gelärme, wie weiland über das Ehamäleo»
Aufklärung, das sich jedem in anderen Farben
zeigte. Es entstanden Parteien, Meinungen und

Urteile über dieselbe teilten sich, und in dör
gegenwärtigen Lage der Dinge sind sie wohl am
geteiltesten, so geteilt, daß jeder, der auch noch
ein Wort über Erziehung sprechen will, bei sich
unschlüssig sein muß, ob er ihr eine Lob- oder
Schutzrede halten soll. — Wir sagen in der gegen-
wärtigen Lage der Dinge: jetzt, wo beinahe nil-
gemein über Verderbnis und Sittenlosigkeit, über
' Mangel an Gcmeinsinn, gesunkene Achtung vor
! Regenten, über emigrierte deutsche Redlichkeit, über
! den Zerfall der Religion und ihrer Altäre, über
i Aufwiegelung, Volksempörung und Staatenum-
wälzung geklagt wird; jetzt glauben wohl manche,
daß sie das moderne Schul- und Erziehungs-
wescn mitunter als eine Quelle des Uebels be-
schuldigen dürfte», — Der Erziehung, rufen sie,
> erging es wie dem Hute in der Fabel; er ging
von Kopf zu Kopfe, jeder trug ihn so nach seiner
Art, und er schützte gegen Regen und Sonnen-
! Hitze. Endlich aber hieß er alt und abgetragen;
da verschönerte mau ihn mit Schnur und goldenen
Schleifen, schnitt ihn indes so zu, daß er seinen
ersten Zweck gänzlich verfehlte und zu weiter
nichts mehr als zum Putze taugte. Sv, glauben
sie, wäre es der Erziehung gegangen. Sie, die
ehemals so ernste Mutter, die Erziehung, Hütte
sich verjüngt, und da sie sich zu den Kindern
hcrabließ, wäre sie mit denselben kindisch geworden ;
j statt guter Lehren Hütte sie die Köpfe derselben
, mit allerhand schönen Tnuscndsüchelchen vollge-
pfropft, ihre Herzen zur Empfindelei gestimmt
und anstatt erhaben zu denken und groß zu han-
deln, sie bloß groß sprechen gelehrt. Dies als
wahr vorausgesetzt, glauben sie dann das mehrste,
was bisher im Schul- und Erziehungswesen
geschah, wenn nicht als schädlich, wenigstens als
; unbrauchbar verwerfen zu müssen. Als ein
' warnendes Beispiel für alle Erzieher Deutschlands
! berufen sie sich daun noch auf Frankreich, Auf
! obige Art wäre dort die gegenwärtige Generation
^ gebildet worden, die Thronen und Altären ihre
Stütze» raubte, und als sie über den Köpfen
! ruhiger Bürger zusammenstürzten, wie Miltons
Teufel lachten, — Männer, welche mit den; Geiste
moderner Erziehung bekannt sind, wissen, wie
viel Nebertriebcnes und Unwahres in diesen Kla-
j gen enthalten ist. Es bedarf nur eines Blickes,
; um den himmelweiten Unterschied zwischen der
; ehemaligen gallischen Erziehungsmethode, und
dem deutschen Philantropinismus einzuseheu.
Zwar hatte Frankreich seinen „Emil"; es war
stolz auf ihn und häugte ihn als glänzenden
Schild aus; weiter aber that es nichts, benützte
keinen seiner vortrefflichen Grundsätze. Deutsch-
lands Geist hingegen, endlich einmal der ewigen
Nachahmung müde, zerriß das Gängelband, an
welchem ihn gallische Gouvernantinnen leiteten,
und wollte Deutsche durch Deutsche in Deutsch-
land gebildet wissen. Es sichtete die Erziehungs-
systeme von Rom und Sparta, Lackes Vorschläge
und Nousseaus Paradoxen; und so begann die
Schulenumwälzung, die bei uns so nötig war,
und die, wäre sie in Neufrauken vor einigen
Dezennien erfolgt, den Ausbruch von tausend
Schreckensseenen verhütet hätte, --- Zwar sind
Stock und Rute aus den Schulen größtenteils
verdrängt, und wer selbst die traurige Erfahrung
gemacht hat, und durch volle sechs Jahre von
 
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