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Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.17219#0038
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bei einer Hochzeit, bei welcher sic nicht einmal gewesen war,
einen behexten Trunk verabreicht zn haben — alles nach den noch
vorhandenen Akten, schreibt Köhler, welcher diese demnach vor
sich gehabt haben muß! Im Jahre 1605 am 2. März wurde
eine Bauernfrau von Holzhansen zuerst enthauptet und dann
verbrannt; sie sollte ihren Stiefsohn Peter Roth durch eine
Suppe getötet haben, als er schon lange kränklich schnell beim
Mähen starb, obschon sie und ihr Mann die Suppe mit ihm
gespeist hatten. Den 20. September 1606 siel schon wieder
ein trauriges Opfer der damaligen ganz abscheulichen Justiz,
denn eö wurde ein Bursche aus Zimmern bei Hechiugen
lebendig gerädert, dann erst erwürgt und verbrannt, weil er,
von der wiederholten Folter getrieben, angab, zn Herblingen
bei Schasfhausen einen Bauern niedergehaneu zn haben, ob-
schon ans Mitteilungen an die Obrigkeit dieser Kantonsstadt
die Nachricht erfolgte, daß in laitger Zeit in der ganzen dor-
tigen Gegend kein Mord geschehen sei. Den 29. September
bei der Rückkehr vom Michaclismartt in Oberndorf stach der
Bürger und Metzger von Snlz, Jakob Schweickher d. I.
einen jungen Metzgerburschen von Empfingen hinterrücks tot,
und gegen diesen vorsätzlichen Mörder, der in jeder Hinsicht
ein roher Unmensch, aber der Enkel eines Bürgermeisters war,
benahm sich derselbe Vogt Schott, welcher schon so viele un-
schuldig a» das Schwert und auf den Scheiterhaufen geliefert
hatte, so säumig, daß ihm die wohlverdiente Strafe erst unter
einem seiner bessern Amtsnachfolger zu teil wurde. Erst den
20. März 1619 wurde endlich dieser Utimensch enthauptet,
und dadurch nicht nur der vor 13'/- Jahren von ihm an einem
unglücklichen Jüngling begangene Mord gerochen, sondern
überhaupt die ganze Stadt und Gegend von einem furchtbaren
Böscwicht befreit, der mit trotzender Frechheit wieder nach
Snlz kam, wo er als Bürger ehedem gelebt und noch Fa-
milie hatte, aber den 15. Januar festgesetzt wurde. Seit
13 Jahren nnstät und flüchtig, hatte er viele Bosheiten ver-
übt und stellte sich im Gefängnis ganz stumm, beharrte auch
in dieser Verstellung, unerachtet ihm Daumen und Finger ge-
schraubt worden. Alle Bemühungen seiner »och lebenden
Mutter und Anverwandten, den Prozeß in die Länge zn ziehen,
und sein Vorgeben, jenen Mord als Notwehr verübt zu haben,
blieben fruchtlos, weil der Ochsenwirt Jak. Schweiklin und

der Bürger Marx Erhard als Zeugen des Gegenteils noch

lebten. Bald machte sich wieder eine traurige Verfinsterung
der Herzen durch Neid, Haß und dummen Aberglauben bei
derjenigen Klasse der Einwohner geltend, welche, wo nicht
immer die bessere, so doch die vernünftigere sein sollte. Sv

wurde den 5. Mai 1621 eine Bürgersfrau wegen Hexerei, die

aber durch nichts als die Folter erwiesen war, verurteilt, auf
dem Marktplatze und bei der Nikolauskapelle mit einer glühen-
den Zange gerissen, und dann auf der Nichtstätte enthauptet
und verbrannt. Am Tage dieser schauerlichen und grausamen
Prozedur nahm man die Witwe des Schmiedmeisters Mel-
chior Silberrad gefangen, eine Frau ans angesehener Familie.
Sie wurde mit der Hinzurichtenden zusammcngestcllt, und weil
letztere bei der Aussage beharrte, daß sie eine noch ärgere Hexe
als sie selbst wäre, auch als sehr verdächtige Zeugen, ihr
Stiefsohn Hans Silberrad und ihr Gegenschwäher der Bürger-
meister Georg Kürner selbst ihre Ankläger machten, aller ge-
wichtigen Entschuldigungen ungeachtet den 16. Juni durch ab-
scheuliches Foltern gezwungen, alles zu bekennen, was man
haben wollte. Es ist empörend — ruft anläßlich dieses
Hexenprozesses Köhler wieder aus — in den Akten zu lesen,
wie sogar ihr leiblicher Sohn, der Färber Jakob Tieliu gegen
seine eigene alte Mutter zeugte, daß seine erste Ehegattin,
vorgen. Kürners Tochter, welche nach zweijährigen Leiden ihr

Leben an einem Brustkrebs endigte, darauf gestorben sei, die
Schwieger habe ihr solchen angethau! Vergeblich berief sich
diese darauf, daß ihre Söhnerin durch den Gebrauch von
Afterärzten und Zaubereien den Schaden unheilbar gemacht
habe, beteuerte ihre Unschuld gegen den Diakon, der sie den
3. Juli im Kerker besuchte, bestätigte aber aus gegründeter
Furcht vor noch ärgerer Folter die Bekenntnisse gegen sich
selbst vor den Blutrichtern, welche mitleidlos und drohend zu
ihr ins Gefängnis kamen, und wurde den 5. Juli wie ihre
Angeberin hingerichtet, mit Ausnahme der glühenden Zange,
aus Rücksicht auf ihren Vater, welcher viele Jahre Mitglied
des Stadtrats gewesen war. Den 9. Februar 1623 wurde
wieder ein angesehener Bürger der Stadt, der Sonnenwirt und
Salzbrunnenmeister Jak. Schweicker im 63. Jahr seines
Lebens mit dem Schwerte hingerichtet. Sein Verbrechen ist
nicht mehr bekannt — vielleicht aber auch in „Hexerei" zu
suchen — weil die Akten seines Prozesses entweder absichtlich
vernichtet, oder wie viele andere, besonders Kriminalakten im
dreißigjährigen Kriege, namentlich bei den Plünderungen der
Stadt, verloren worden sind. Den 21. April 1624 wurde
der Salzsieder. Johann Koch enthauptet. Seit zwei Jahren
Witwer, hatte er nach und nach gegen 20 Simri Salz ent-
wendet, um für seine hungernden Kinder Mehl und Brot ein-
zutanschen. Daß man diesen armen Mann, der sei» Vergehen ehr-
lich bekannte, durch Anwendung der Folter noch
größere Verbrechen zu bekennen nötigen wollte,
muß um so mehr auffallen, da in den Akten seines Prozesses
Ausdrücke Vorkommen, ans denen sich ergiebt, daß bei diesem
Falle zum erstenmal das Gutachten der Rechtslehrer in Tü-
bingen eingeholt wurde. Im Jahre 1625 wurden allein neun
Personen hingerichtet, unter denen vier von Wittershansen
waren. Sogar die Gattin deö Dorfvogts Martin Hetzet war
eine dieser Hingerichteten. Drei weitere waren von Hvlz-
hansen, und der Bürger Ludwig Plocher aus diesem Ort ent-
zog sich nur dadurch der Hinrichtung, daß er sich im Ge-
fängnis selbst erwürgte. Dieses Plochcrs Sohn, ebenfalls
mit Vornamen Ludwig, war bloß einiger Diebereien über-
wiesen, wurde aber gefoltert, bis er seine Eltern und seine
Großmutter Gertrud, Heinrich Plochers Witwe, der Hexerei
schuldig angab, und dann den 27. September gerädert, er-
würgt und verbrannt. Seine Mutter Agnes bekannte, vor
25 Jahren ihr kränkliches Kind im Bade ertränkt zu haben,
und gab auch des Schusters Georg Plochers Witwe Marie
als Hexe an. Weil die letztere wohlhabend war, wurde sie
den 1. November von der Folter freigesprochen, die Agnes
und Gertrud hingegen wurden ans eine ergreifend ernstliche
Vorstellung des Dekans M. Weinlin und der Pfarrherren
seines Sprcngels gegen das lebendige Verbrennen als eine
Strafe, welche zur Verzweiflung an Gottes Barmherzigkeit
führe, den 3. November enthauptet und dann erst verbrannt.
Die noch vorhandenen Akten enthalten die schauerliche That-
sache, daß der Stadtvogt Sebastian Gastel oder Gastoldt H
öfters keinen anderen Grund anzugeben wußte, um auf wieder-
holte Folter anzutragen, als verdächtige Geberden, oder mit
seinen eigenen Worten es zu sagen: „Weil alle ihre Ge-

berdcn geuügsam zn erkennen geben, daß viel böser Mücklein
hinter ihnen stecken!" und das peinliche Gericht auf solche
elende Gründe hin auf das bei einigen zum viertenmale
wiederholte Foltern erkannte. — Kein Wunder, daß die Vögtin
von Witteröhausen, Anna, nachdem sie sich vergeblich auf ihren
unbescholtenen Lebenswandel und auf Gott berufen hatte, ihre

0 Er war von 1G19—1 Gr? 1 Uiiteruögt nnd Keller und eines
Pfarrers Sohn in dem benachbarten Mühlheim; er resignierte 1631
sein Awt und starb 1635.
 
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