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Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.17220#0038
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38

7) Christi Geburt: Maria und Joseph sind um das
göttliche Kind her, welches der Künstler ganz naiv in eine
mit dem Monogramm IHS geschmückte Wiege statt in eine
Krippe gelegt hat. OchS und Esel stehen im Hintergrund.
Die anbetenden Hirten haben als Geschenke ein Lamm, einen
mit Früchten gefüllten Korb und einen Vogel gebracht. Von
einem großen Stern umleuchtete Engel singen gloria in ex-
celsis. Die Davidstadt ist sichtbar, andere (außer den ge-
nannten) Hirten bei ihren Herden machen bei der frohen Bot-
schaft mit den Händen Aktionen der aufwallenden Freude.
Das fignrenreiche Bild ist wohlgelnngen, harmonisch und gut
disponiert.

8) Anbetung der Weisen: Maria mit dem Jesus-
kinde auf dem Schoß sitzt auf einem thronartigen Pracht-
stuhle ; unter ihren Füßen ist ein reicher, kostbarer Teppich
ausgebreitet; die drei Könige bringen ihre Gaben dar, wobei
einer kniet, die beiden anderen aber stehen. Auf Pferden und
Kamelen sprengt noch ein Teil deö Trostes heran. Dieses
Relief ist schön und auch trefflich erhalten.

9) Aufopferung Jesu: Mit einem seligen, wonne-
reichen Blick gen Himmel steht Simeon da, das Kind auf den
Armen tragend; die Mutter selbst kniet mit gefalteten Händen
anbetend auf dem Boden, hinter ihr steht St. Joseph, das
Taubenopfer haltend; seitwärts befindet sich ein Engel mit
einer großen brennenden Kerze; sir miniature ist im Hinter-
grund der Scene die hl. Familie auf ihrer Reise nach Jeru-
salem sichtbar, vor ihr die Stadt mit dem imposanten Tempel,
welcher allerdings auf dem Relief den architektonischen Ge-
setzen nicht sehr entspricht. Das ganze Bild ist mit einer
zwischen Wolken thronenden Engelsgruppe gekrönt. Die Engel
schweben, schauen und winke» hernieder gegen die dargestellte
Scene.

10) Flucht nach Aegypten: Maria ruht mit dem
Kinde auf einem Reittiere, St. Joseph trägt auf der Schulter
einen Stab mit einem Körbchen, in dem sich Nahrung be-
findet, In der Ferne schaut man Scenen ans dem bethlehe-
mitischen Kindermord. Auf einer Säule steht ein Mann,
einen Zickzack gegen die Scene des Kindermordes schwingend.
Diese Säule befindet sich an einem großartigen Gebäude,
welches wir entweder für den Tempel oder für den Palast
des Herodes halten zu müssen glauben. Ueber die in schwe-
bender Stellung befindliche, zum Stoße ausholende Figur mit
dem rächenden, drohenden Doppelwiderhacken sind wir nicht
ganz im Klaren. Je nachdem man das Prachtgebäude mit
seiner Säule für den Tempel oder für den Königspalast hält,
wird man eine etwaige Deutung der Gestalt versuche». Man
könnte an die Personifizierung der grausamen Wut des Hero-
des gegen die bethlehemitischen Säuglinge denken; man dürfte
aber auch versucht sein, in der mit der drohenden Rächer-
waffe ausgerüsteten Figur einen Boten (Engel) des Aller-
höchsten zu erblicken, welcher da auftrete, um die schwere
Strafe zu verkünden, welche Gott wegen des Frevels von
Bethlehem über den grausamen Herodes verhängen werde. So
traurig ernst die Miniatursceue von dem Kindermorde auch
ist, so hat der Künstler dennoch dem Hauplbilde seinen fried-
lichen Charakter gewahrt, indem er dasselbe von Palmen
überschattet werden läßt. Auf solche Weise triumphiert doch
auf dem Relief der Friede über den Haß; das ruhige Bild
der fliehenden heiligen Familie drängt die aufgeregte Scene
der Unthat zu Bethlehem in den Hintergrund.

11) Jesus im Tempel: Jesus fitzt in einer kapellen-
artigen Nische des Tempels. Ihre Pfeilerkapitelle find mit
Voluten und in der Mitte mit einer flammeusprüheuden Vase

geziert. Das zwölfjährige GotteSkiud ist umgeben von einer
Schar gereifter Israeliten, welche bei der gelehrten Dispu-
tativn ihre Bücherrollen zu Rate ziehen. Von der rechten
Seite aus betreten Maria und Joseph diesen Tempelraum;
denn sie suchen das Jesuskind. Aus Wolken blicken Engel
nieder.

12) Die heilige Familie: St. Joseph obliegt dem
Zimmermannshandwerk, Maria lehrt das Kind und weist mit
dem Finger nach oben. Außer dieser Hauptdarstellung ist in
einem Miniaturrelief die heilige Famile zu sehen, wie sie das
Tischgebet verrichtet und im Begriffe steht, die Mahlzeit ein-
zunehmen. Im Kontraste zu dem Gottesfrieden in der heiligen
Familie, wo Gebet mit Arbeit abwechselt, zeigt ein Bildwerk
im Kleinen zwei streitsüchtige Gesellen, welche im Zweikampfe
liegen und die Waffen kreuzen.

13) Die Versnchun g Christi: Das Hauptbild stellt
den Herrn vor in der Einsamkeit der Wüste. Der vor Jesus
stehende Satan bietet einen Stein dar mit der bekannten Auf-
forderung zum Umwandeln in Brot. Die Figur Luzifers hat
Hörner und Bocksfüße. Im Kleinen hat der Meister rechts
oben gegeben die Versuchung auf der Tempelzinne, links oben
dagegen jene auf der Höhe des Berges mit einem Ausblicke
aus Städte und Schlösser. Durch eine Handbewegung des
Herrn ist das bekannte Wort:'„Weiche Satan" recht deutlich
ausgedrückt. Zwischen diesen beiden Miniaturen ist ebenfalls
in ziemlich kleinere Dimension die Taufe Jesu durch beu hl.
Johannes zu sehen.

14) Die Hochzeit zu Kana: Auf dem Hauptbild-
werke tafeln die von Pagen bedienten Hochzeitsgäste an einem
perspektivisch mißlungenen Tische. Im Hintergründe rechts
schöpfen die Diener Wasser aus einem Brunnen und füllen
die Krüge; links ist der Speisemeister im Begriffe, das in
Wein verwandelte Wasser zu verkosten.

15) Jesu Verklärung zeigt außer der obere«
Partie mit Christus, Moses (an den Hörnern kenntlich) und
Elias und außer der unteren mit Petrus, Johannes und
Jakobus auch noch in einer untersten Gruppe diejenigen
Apostel, welche am Fuße des Tabor zu warten hatten und
sich in eifrigem Redeverkehr befinden.

16) Jesu Abschied (vor dem Leiden) von seiner
Mutter und von anderen frommen Frauen, welche mit vor-
gehaltenen Tüchern ihre Thränen abwischeu. Der Künstler
hat im Kleinen auch noch ein alttestamentliches Vorbild von
jenem schmerzvollen Lebewohlsagen Jesu vor dem Gang zum
Kreuz und Tod dargeboten. Als Prototyp deö Abschieds
Christi hat der Meister nämlich die TrennungSscene der ver-
witweten Noemi von ihren beiden Schwiegertöchtern Orpha
und Ruth gewählt. Die Orpha läßt sich zur Rückkehr in
das Land Moab bewegen. Noemi und Ruth dagegen hat der
Bildschnitzer treffend in jenem Moment gezeichnet, wo Noemi
in mütterlicher Fürsorge ihre Schwiegertochter Ruth in das
Heimatland Moab zurücksenden will, während Ruth in kind-
licher Anhänglichkeit sich anbietet, ihre Schwiegermutter Noemi
nach Bethlehem und überhaupt auf all ihren Lebenswegen zu
begleiten.

17) Christus auf dem Oelberg: Das Christus-
bild ist leider schon sehr beschädigt, auch die Figur des Trost-
engels hat schon stark gelitten. In der Ferne wird der Ver-
räter Judas , gerade die Gartenthüre öffnend, sichtbar; ihm
folgen Soldaten und Knechte mit Lanzen, Morgensternen,
Pechpfanneu u. s, w. Unten in einer Felsengrotte schlafen die
drei Apostel.

18) Jesu Geißelung: Neben der Hauptscene der
 
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