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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0082
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die Kommission Vorschlägen, daß derselbe Professor mit
eigener Hand die Zeichnung anfertige.

Nachdem ich somit den Auftrag meiner Vorgesetzten
erfüllt habe, bleibt mir jetzt nur übrig, niich mit der größ-
ten Hochachtung zu zeichnen

Ew. Wohlgeboren

ergebenst gehorsamster Diener
Giambattista Borani,
Secretair der Kommission der päpstlichen
Kupferstecherei.

Rom, den 20. Dccember 1862.

Kalkutta. — Professor Eduard Hildebrandt ist
am 31. December hier angekommen, unv etwa am 9. Ja-
nuar in das Innere des Landes gegangen; sein jüngster
Brief datirt vom 22. Januar aus Agra, wohin er über
Patna, Benares, Allahabad, Cawnpore und Lucknow ge-
reist ist. Er ist ganz entzückt von deni Zauber und der
feenhaften Schönheit der dortigen Landschaft und dem
pitoresken Eindruck, welchen die Städte Lucknow, Benares
und Agra ans ihn gemacht haben. — Der Künstler denkt
noch einige Zeit im Innern Indiens zu verweilen.

Kunst-Kritik.

Berliner Kunlllchau.

Lcssing's „Huß vor dem Scheiterhaufen."

Permanente Gemäldeausstellung von^Sachse. Die

Aufstellung von Lessing's „Huß vor dem Scheiterhaufen"
darf als ein Ereigniß von kunstgeschichtlicher Bedeutung
betrachtet werden. Denn wie Viele haben bisher von dem
hohen Werth, ja von der Existenz dieses Meisterwerks
deutscher Historienmalerei etwas gewußt! Kaum vollendet

— und zwar in jener der Kunst so entfremdeten, unruh-
vollen Zeit von 1849 und 1850 — wurde es, nach kurzer
Ausstellung in einigen rheinischen Städten, wovon kaum
ein schwacher Ruf bis zu uns drang, sofort von dem Be-
sitzer nach Amerika hinübergenommen, wo es allerdings
großes Aussehn erregte, bis es, in andere Hände über-
gegangen, für die londoner Weltausstellung wieder nach
Europa wanderte. Ein Glück vielleicht für uns, daß es für
die Ausstellung zu spät eintraf. Denn wahrscheinlich hätte
es dann die Grenzen Englands nicht mehr verlassen. Freuen
wir uns also dieses Mißgeschicks und hoffen wir, daß dies
Werk voll echt deutscher Tiefe und echt deutscher, einfacher
Größe auch Deutschland verbleiben werde; freuen wir uns
vor Allem, daß der deutschen Kritik endlich Gelegenheit
geboten wird, durch sachliche Charaklerisirnng seines künst-
lerischen Gehalts ihm diejenige Stellung in der Kunst-
geschichte der modernen Malerei anzuweisen, der cS in so
hohem Grade würdig ist. Denn so wohlwollend und selbst
enthusiastisch die Stimmen der amerikanischen unv englischen
Presse in ihrer Beurtheilung des Bildes geklungen haben

— eine Kritik, d. h. eine objektive Charakteristik desselben,
ist weder nach ideeller noch nach technischer Seite hin in
irgend einem der zahlreichen Artikel jener Presse enthalten.
Es sind eben schönklingende, zum Theil hochtrabende Phra-
sen, die — mit Abschung des beschreibenden Theils —
ebenso gut auf jedes andere bedeutende Werk passen könnten.

Um nun von vorn herein nach dem Eindruck des Ge-
mäldes im Großen und Ganzen die specifische Stellung
anzudeuten, die es in der Geschichte der modernen Ma-
lerei unsrer Ansicht nach einzunehmen hat, so bemerken
wir zunächst, daß es vielleicht kein prägnanteres Specimen
giebt, um den Gegensatz der deutschen Kunst zur franzö-
sisch-belgischen Malerei zu veranschaulichen. Es besitzt
weder jene eklatante, farbensprndelnde Koloritwirkung, welche
die Malerei der Franzosen und Belgier theils durch die
Lebhaftigkeit und den Glanz der Lokal- und Stofffärbung
theils durch fein kombinirte Tonkontraste zu erreichen wis-
sen, um das Auge des Beschauers zu blenden — noch
besitzt es, in Rücksicht auf Komposition, jenen pikanten
Esprit dramatischen Aktionseffekts, der sich nur selten, wie
in Dclarochc und Ary Schesfer, mit nobler Simplicität
verbinden im Gegentheil, Nichts kann bescheidener, zurück-
haltender, keuscher in der Farbenwirkung, Nichts natür-
licher, anspruchsloser, naiver in der Komposition sein. Wo-
rin also liegt seine tiefergreifende, bei längerem Anschauen
mehr und mehr überwältigende Wirkung? Darin, mit
einem Worte sei es gesagt, daß der Künstler vollständig
in seinem Werke aufgeht und hinter demselben zurücktritt

— darin, daß der Beschauer den vollen Eindruck empfängt,
daß alle Mittel der Technik und Komposition einzig und
allein dem poetischen Gedanken des tragischen Vorgangs
zum Ausdruck dienen, daß es dem Künstler nicht um ein
„schönes Bild," daß es ihm vielmehr ausschließlich um die
Darstellung einer historisch bedeutsamen, dichterisch ergrei-
fenden Idee zu thnn war.

Man mag Lessing einen Vorwurf daraus machen

— und selbst dies Werk giebt vielleicht trotz seiner großen
künstlerischen Bedeutung eine Veranlassung dazu —, daß
er sich der technischen Entwicklung der modernen Male-
rei gegenüber zu indifferent verhalten habe, daß er zu
fern geblieben sei von der Strömung des heutigen Kunst-
schaffens, um selbst dessen Vorzüge kennen zu lernen.
Wir gestehen, daß auch wir — namentlich nach der Aus-
stellung seiner „Gefangennehmung des Pabstes Paschalis"

— dieser Ansicht gewesen sind. Nachdem wir seinen „Huß
vor dem Scheiterhaufen" gesehen, begreifen wir diese Selbst-
isolirung und wissen sie zu würdigen. „Alles schickt sich
nicht für Einen" möchten wir mit Umkehrung des Göthe'-
schen Spruches in diesem Falle ausrufen. Wie, wenn
Lessing gefühlt hätte, daß er nur die Wahl hatte, ent-
weder mit bescheidenen und einfachen Mitteln der Idee
zu dienen oder die Idee über die Kultivirung des techni-
schen Knnstmatcrials zu vernachlässigen! — Beides in gleich
hohem Grade zu vereinigen, ist keinem Sterblichen — oder
vielleicht nur Einem: Raphael — gegeben gewesen. So
hat denn Lessing das beste Theil erwählt. Es ist der
Maler des historisch großen Gedankens gewor-
den: dies scheint uns etwas mehr zu sein als der Ruhm,
ein großer Kolorist oder auch ein großer Komponist zu
heißen.

Treten wir vor seinen „Huß:" welche stille Einfachheit
der Wirkung, welche bescheidene Harmonie der Stimmung
weht uns an! Wir werden weder überrascht durch kühne
Kontraste, noch gedrückt und geblendet durch Farbenglauz.
Keine rauschende Orchestermusik, die an das Theater ge-
mahnt, sondern der volle, gleichmäßig harmonische Orgel-
klang, der an die ehrfurchtgebietenden Hallen des gothischen
Doms erinnert, ist es, was uns aus diesem Gemälde ent-
gegenströmt. Wir wundern uns vielleicht zuerst über die
verhältnißmäßig geringe Intensität des Gesammteindrucks,
den das „berühmte" Werk auf uns macht, weil für uns
leider das Wort berühmt stets mehr oder weniger ein
Symonym von Knalleffekt ist; sein Eindruck ist eben keine
„Nervenerschütterung"; aber versenken wir uns in seine
Beschauung, suchen wir in den Geist des Bildes ein-
zudringen, die Seele zu fassen, die aus ihm spricht, so
empfinden wir etwas Besseres als Nervenerschütterung —
cs ist unser Herz, das zuerst gerührt, dann tief bewegt
und endlich mit der ganzen Wärme tragischer Empfindnngs-
innigkeit erfüllt wird.

Nachdem wir so den allgemeinen Eindruck des Genial-
des zu charakterisiren versucht, wollen wir zunächst einen
 
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