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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0172
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156

liegt, des Grafen Egmont Gattin ist, die nin Abwendung
der ihrem Gemahl drohenden Gefahr bittet; denn da diese
Figur ganz allein bleibt, auch jedes Nebensächliche fehlt,
was zur Jndividualisirung derselben irgendwie beitragen
könnte, so bliebe es ohne jenen Zettel der Phantasie eines
jeden Beschauers überlassen, in jener wohlgenährten Danie
eine Maria Stuart, oder Gräfin Helfenstein u. s. w. u. s. w.
zu sehen. Es fehlt mit einem Worte an der nöthigen
Jndividualisirung, und deshalb macht das Bild trotz seinen
der Lebensgröße entnommenen Verhältnissen nur den Ein-
druck einer Studie, ohne deren Unmittelbarkeit zu zeigen.
Ist nun die Auffassung nichts weniger als untadelhaft, so
steht es mit der Zeichnung leider nicht besser. Ganz ab-
gesehen davon, daß die Oberschenkel viel zu kurz geriethen,
wodurch der Eindruck entsteht, als ob dieselben eine Spanne
oberhalb der Kniee abgesägt wären, kann kaum eine un-
schönere Linie gedacht werden, als jene, welche die beiden
Arme der Gräfin gegeneinander biloen. Was die Farbe
betrifft, so bin ich gerne bereit, Biefve's Bild gegenüber
das Kolorit einer gewissen Schule brillant zu nennen, denn
Biefve zeigt uns blos Schwarz und Weiß, selbst der so
oft gesehene blutrothe Teppich fehlt.*) — S ch enkenh o fer-
brachte in seiner „ Gefangennehmung der schönen Agnes
Bernauer" einen der beliebten Unglücksstoffe und bewies
neuerlich, was er und seine Freunde in der natnrtreuen
Darstellung einer grauen Steinwand vermöchten. Dieser
gegenüber treten seine Gefangene und ihre Henkersknechte
vollkommen in den Hintergrund, und mir scheint das auch
ganz am Platze, denn derlei widerwärtige Momente eignen
sich nicht für künstlerisches Fest gehalten werden. — T h. P i x i s
behandelte in zwei größeren Cartons deutsche Volkslieder,
welche das vielbesungene Thema von der Untreue der Ge-
liebten variiren. Das Vollslied mit seiner Naturwarheit
einerseits und seinem allgemein Menschlichen andrerseits
überläßt, seinen Stoff nur in breiten Zügen andeutend,
dem denkenden Künstler einen weiten Spielraum, innerhalb
dessen seine Phantasie frei walten und schaffen kann. Ver-
steht er es, das rein Menschliche glücklich zu individuali-
siren, so kann es ihm an Erfolg nicht fehlen. Pixis
stellte sich dadurch, daß er in den; einen Carton einen höchst
tragische» Stoff behandelte, eine sehr schwierige Aufgabe,
und ich kann Denen nicht beistimmen, die ihn deshalb
tadeln, weil er den Teufel darauf anbrachte, dieser aber
kein künstlerischer Vorwurf sei. Ich denke die Heiligen-
Geschichts-Malerei**) hat sich oft genug dasselbe erlaubt,
ohne deshalb getadelt zu werden. Abgesehen davon hat
Piris durch seine Arbeit bewiesen, daß er in den Geist
der Volksdichtung eingedrungen, und er verdient schon deshalb
unsere Anerkennung, weil er eine neue Bahn beschritten,
auf welcher ohne Zweifel ein schönes Ziel erreicht wer-
den kann.

Die Klage, daß unsere Genre-Maler so oft ans einen
schon dutzendmal behandelten Stoff zurückgreifen und sich
so selber ein geistiges Armuthszeugniß ausstellen, ist eben-
so allgemein wie wohlbegründet. Wer gewisse Genre-
Bilder vor Augen hat, sollte in der That nieinen, die
Welt bestehe nur aus Bauernstuben, und außer Großvä-
tern, welche an einem Vogelbauer basteln, und Großmüt-
tern, welche ihre Enkelinnen stricken lehren, gebe es nichts
Malbares als etwa Kinder, die ihre Morgensnppe essen
oder dem Vater den .Sonntagsrock ausbür'sten. Zu den
Ausnahmen muß ich ein kleines aber treffliches Bild von
Ant. Seitz rechnen. Seine „Spelunke", in der ein grau-
bärtiger Invalide mittels falscher Würfel ausgesäckelt wird,
ragt durch die Neuheit des Gedankens, wie durch scharfe
Charakteristik der einzelnen Personen und die ungewöhnlich

*) Vergleiche die Berichte über dieses Bild bei seiner Aus-
stellung in Wien und Berlin (Jahrgang 1860 Seite 18, 42
und 65). D. Red.

**) In der Malerei möchte es bedenklicher sein, als im Carton.

D. R.

sorgfältige Behandlung weit über das Niveau des Gewöhn-
jichen empor. Eine ganz exeellente Gestalt ist die des
Gaunerwirthes, der seinem ächten Spitzbubengesichte einen
solchen Schein von Gntmüthigkeit und Ehrlichkeit zu geben
weiß, daß eö sich wohl begreift, wie der alte treuherzige
Soldat auch nicht die leiseste Ahnung hat, in welche Hände
er gerathen. — Neu ist ebenfalls die treffenbe Sathre
„Herkules und Omphale" von C. Fries. Die Seene
zeigt uns ein Münchener Atelier, in welchem eine junge
Frau im leichtesten Morgennegligee Genelli Konkurrenz
macht, indem sie die „Entführung der Europa" malt. Zn
ihren Füßen kauert ein hübsches Kind und hantirt wie die
Frau Mama mit Pinsel und Farbe; der Herr Gemahl
aber, eine bärtige Physiognomie über die erste Jugend
hinaus, hält die Kafseemühle zwischen die Kniee geklemmt
und trifft so die ersten Vorbereitungen zum Frühstück, dem
er eine Cigarre vorausschickt. — Auf neuen Bahnen wan-
delt endlich auch Stelzner in seiner „Siesta eines Hage-
stolzen", der, während er im Schlafrock seinen Moeea schlürft,
beim Durchblättern alter Briefe vergangene Zeiten an sich
vorüber ziehe» läßt. Im klebrigen bleibt noch gar Manches
zu wünschen übrig.— Die ehrenvollste Anerkennung verdient
des reichbegabten Hart mann „Kartoffel-Ernte" durch Un-
mittelbarkeit der Anffassnng wie durch treffliche Anordnung,
sorgfältige Zeichnung und feine Farbe; es ist eine Idylle
im ächten Sinne des Wortes. — Beyschlag holte in
seiner „Begegnung" einen anmuthigen Stoff ans seiner
Heimath im RieS. Einem jungen Bauernmädchen, das
nur etwas zu elegant und städtisch gerathen ist, verstellt
ein draller, stämmiger Bursche den dnrch's hohe Korn füh-
renden Kirchenweg und sein Schmunzeln wie der verlegene
Blick der ländlichen Schönen zeigt zur Genüge, daß sie sich
nur durch Bezahlung süßen Zolles freien Durchgang ver-
schaffen wird.—Rhomberg führt uns zu einem Bauern-
schuster, dem eine Frau die ernstesten Vorwürfe darüber
macht, daß er die Schuhe ihres Buben so unverantwortlich
schlecht genäht. Der Gedanke ist allerdings nicht allzutief,
aber mit gesundem Humor behandelt, und so zieht das
Bildchen, das zudem im Kolorit viel Gutes hat, wohl heiter
genug au. — Eine „Italienerin" von C. W i l l i ch, ein kleines
auf den ersten Blick vielleicht unscheinbares Bild, wird uns
bei näherer Betrachtung gar lieb. Die anmuthige Er-
scheinung des schönen Kindes, die Anspruchslosigkeit, heitere
Naivetät und die Frische der Behandlung zieht um so leb-
hafter an, je öfter wir näher treten. — Bischofss „Mor-
gengebet" und Bethke'S „Zerbrochner Krug" bewegen sich
im breit ausgefahrenen Geleite der Alltäglichkeit und haben
auch darin Verwandtes, daß beide Künstler die innere Be-
deutung ihreS Stoffes weit überschätzten; für jeden hätte
der vierte Theil der Leinwand genügt. — Geyer's „Münch-
hausen" sollte wohl humoristisch wirken. Die leblosen, steifen
Wachspuppen aber nüt den geschminkten Wangen wirken
geradezu komisch. Bon Natur ist im ganzen Bilde auch
nicht eine schwache Spur zu finden.

(Schluß folgt.)

B. Rom, im Mai. (Ausgrabungen.) Heut
kann ich Ihnen Nachricht geben von einer sehr wichtigen
und interessanten Ausgrabung, die in den letzten Tagen in
allen Kreisen Roms, besonders bei Künstlern und Kunst-
freunden viel von sich reden gemacht und große Hoffnun-
gen erregt. Acht Miglien von Porta del popolo, da wo
die von Civita Castellana kommende Via Flaminia von
der Höhe herabsteigt und durch den kleinen, Prima porta
genannten Engpaß (Westphal, Römische Campagna Seite
134) in das Thal des Tiber tritt (welcher Punkt int Al-
terthum, wahrscheinlich wegen der hier zu Tage tretenden
rothen Tuffselsen Saxa Rubra genannt wurde), befinden
sich auf der Höhe antike Mauerreste, hohe Futtermauern
mit Strebepfeilern, die den Berg stützen, und verschiedenes
Mauerwerk in großer Ausdehnung. AuS Plinini (Rist,
nat. XV, 30) ist bekannt, daß an dieser Stelle die Villa
 
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