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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 8.1863

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https://doi.org/10.11588/diglit.13517#0258
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im Kaffeehause saß, brachte indeß dies Gesindel aus ein-
ander. Später wurden die Thcilnehmer an diesem Ueber-
fall nach strenger Untersuchung auf den Befehl des Bice-
königs und des Fürsten Cumia sehr streng bestraft. In
Palazzola (Acrae) beim Baron Judica ließ Zahn alle
dessen Antiken formen, worunter sich besonders die Ornamente
altgriechischer Gefäße von Terracotta auszeichnen. Erst
am 16. September langte unser Künstler in Palermo an, wo
der Herzog Serradifalco ihm den vom Könige von
Preußen verliehenen rothen Adler-Orden vierter Klaffe
überreichte, den der preußische Gesandte Graf Lottum
von Neapel dorthin geschickt hatte. Hier war besonders
der Minister Fürst Campofranco ihm zur Erreichung
aller seiner Zwecke sehr behülflich und gab sofort für ganz
©teilten die Erlaubniß, nicht nur alle Kunstwerke zeichnen,
sondern auch die Skulpturen über die Originale formen
lassen zu können. So ließ denn Zahn sogleich die schöne
Broncegruppe „Hercules mit dem Hirsche", welche im
Hause des Sallust zu Pompeji am 15. Februar 1805
ausgegraben war, abformen. Außerdem ließ er auch alle
Metcpen von Selinunt und die berühmten Widder von
Bronce, welche einst den Hafem von Syrakus schmückten
und sich jetzt im königlichen Schlosse zu Palermo befinden,
nebst vielen anderen Antiken abformen. Ferner zeichnete
er die normännischen Kirchen in Palermo, Monreale und
Cefalu, deren reiche Mosaiken er in seinem zweiten Werke
„Ornamente aller klassischen Kunstepochen" in Farbendruck
herasgegeben hat.

In Palermo verweilte er mit einigen Ausflügen nach
Segeste, Selinunt, Girgenti bis Mitte Februar 1833,
worauf er wieder nach Neapel und Pompeji zurückkehrte,
um daselbst seine Studien zu seinem großen Werke fort-
zusetzen. Außer diesen Studien arbeitete Zahn auch an
einigen Kompositionen zu pompejanischen Villen für reiche
Amerikaner, Engländer und Russen. Diese Kompositionen
erregten, als sie in Neapel in Zahn's Wohnung aus-
gestellt waren, großes Aufsehen, und wurden sehr gut
bezahlt.

Unter den hochstehenden oder bekannten Persönlichkeiten,
mit denen unser Künstler in dieser Zeit verkehrte, sind zu
erwähnen der russische Dichter Joukoffski, der Kom-
ponist Boildicu, die alte Gräfin Hessenstein aus
Kassel, die ihn schon von Kindheit aus Neundorf und von
Kaffel kannte, nebst ihrem Schwiegersohn Baron von
Stengliu. Auch später, im Jahre 1834, erhielt Zahn
m Neapel und in Pompeji viele interessante Besuche, so
vom Dr. Dupuytriu aus Paris, Robert Slvmann
und Dt. Spangenberg aus Hamburg, Fürst und
Fürstin Bretzenheim aus Wien und verkehrte viel mit
dem Grafen und der Gräfin Blankensee aus Berlin,
dem GrafenHenkel von Donnersmark aus Breslau,
General und Gencralin von Minutoli, Kricgsminister
General von Hacke aus Berlin, der Gräfin Dohna,
geborne Gräfin Dönhoff aus Dönhoffstedt, der Gräfin
Reale, Baronin von Berg nebst Sohn und Tochter
aus Berlin, u. s. w. Im Mai und Juni 1834 machte
er in Gesellschaft des Banquier David Schickler aus
Berlin eine Reise durch Kalabrien über Salerno, Eboli,
Pertosa, Lagonero, Rotonda, Spezzano, Cosenza, Tiriole,

Pizzo, Monteleone, Palma, Reggio und Sicilien, um die
Naturschönheiten Kalabrien's kennen zu lernen, wobei er
ein reiches Album von Ansichten aus Calabrien und
Sicilien sammelte. Von der schönen bis dahin kaum ge-
kannten Grotte bei Pertosa fertigte er ein Oelgemälde. —

Am 20. und 27. August 1834 sah er von Pompeji aus
die größte Eruption des Vesuv's in diesem Jahrhundert,
wobei der ganze Ort St. Giovanni mit 70 Häusern
(nicht weit von Bosco) mit glühender Lava übergoffen
wurde. Als er sich am Abend des 27. an den Lavastrom
begeben hatte, war er Zeuge des schrecklichen Anblicks,
wie die letzten 6 Häuser des genannten Ortes von der
Lava überfluthet wurden. Gegen Ende des September
unternahm der Künstler mit dem preußischen Gesandten
Grafen von Lot tum und David Schickler eine Reise
über Nola, Avellino, Monte Vergine, Benevento, Piedc-
monte, auf dem 3000 Fuß hohen Lago Mattese, über
Cajazzo und Caserta nach Neapel zurück. In Nola be-
sichtigte er die in dieser Zeit ausgegrabenen altgriechischen
Grabmäler und mehrere darin gefundene bemalte Basen,
in Benevento die reichen antiken Baudenkmäler und Marmor-
statuen, welche er sowie die Naturschönheiten bei Piede-
monte und am Lago Mattese in sein Album aufnahm.

Unter den zahlreichen Notabilitäten, welche in den
Jahren 1835 und 36 Neapel und Pompeji besuchten und
die natürlich auch stets unfern Künstler, als den ideellen
Leiter der Ausgrabungen, aufsuchten, sind zu erwäh-
nen: Lord Harrowby, Lord Rosse, Fürstin Ga-
litzin, Gräfin Suchtelen, Graf und Gräfin Ugglas,
Fürst und Fürstin Windischgrätz, Lady Langford,
General und Generalin Rachmanoff, Graf Paul
Fersen, Fürst und Fürstin Soltikoff, Graf und
Gräfin Hompesch-Wisbccq, Graf Natuczewic,
Graf und Gräfin Laval, Graf Skibitsky, Sir
Robert Gordon, Baron Rougemont de Löwen-
berg, Graf Esterhatzy, Gally Knigt, Baron von
Thümmel und viele Andere. Wir führen alle diese
Namen theils aus dem Grunde an, weil sie ein schätzbares
Material für die Chronik der Ausgrabungen bilden, theils
deshalb, weil daraus sich ergiebt, welche ungeheure Aus-
dehnung der Kreis von notablen Bekannten und Freunden
gewinnen mußte, die sich Zahn während des vieljährigen
Aufenthalts in Pompeji erworben hatte, und die stets ein
ehrendes Andenken an dem ebenso bescheidenen und liebens-
würdigen Mann wie tüchtigen Kunstkenner und Archäologen
bewahrten. Am 1. August 1836 empfing Zahn in
Pompeji den Besuch der Prinzessin von Dänemark, der
Mutter des jetzt regierenden Königs von Dänemark,
in deren Gegenwart in Pompeji eine Ausgrabung ver-
anstaltet wurde, welche schöne Wandgemälde zu Tage
förderte. Im Frühjahr des folgenden Jahres besuchte
der Künstler Gaäta, wo er mit dem Gouverneur Grafen
Milano sehr befreundet war, Molo di Gaöta, Tondi,
Jtri, Marmola, Traötta, Sessa und Capua, wo er besonders
die Ruinen vom alten Minturno am Garigliano unter-
suchte und die Ueberreste der antiken Billen in Molo di
Gaöta u. s. w. genau maaß und zeichnete. Seinen kurzen
Aufenthalt in Traötta benutzte er zum Ankauf von vielen
antiken geschnittenen Steinen und antiken Münzen, deren
 
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