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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0411
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einfacher, sicherer und zugleich ausdrucksvoller Weise die Wandmalerei
von deren Meistern gehandhabt worden ist. Die kräftigen Umrisse
sind wie hingeschrieben, die Lokalfarben demnächst aufgetragen und
durch einige Striche oder weiße Lichter belebt, die Gründe mit ver-
schiedenfarbigen Sternchen geschmückt. Alles zeigt den durch und
durch geschulten, seiner Aufgabe vollauf bewußten Praktiker. Mittels
einiger weniger Striche und Punkte war den Physiognomien der
entsprechende Charakter verliehen, wie dies auch namentlich eine Gruppe
von Kriegsvolk zeigt, von welcher nur die Köpfe erhalten waren.
Solche Arbeiten lassen es so recht erkennen, was das alte Kunsthand-
wcrk gewesen ist, und wird es uns bei deren Anblick erklärlich, daß
Jahrhunderte hindurch alle Bauwerke von irgend welcher Bedeutung
sich mit dem Schmucke der Malerei bekleiden konnten, obgleich die
materiellen Mittel damals gewiß nicht in reichlicherem Maaße vor-
handen waren, als heutzutage.

Wien. Im Laufe des Monats Oktober sind an der hiesigen
Kunstakademie die sogenannten Kaiscrpreise zur Vertheilung ge-
kommen, welche in goldenen und silbernen Medaillen, die erstercn
60 Dukaten schwer, bestehen. Die hierfür gestellten Aufgaben, an
deren Lösung sich alle bereits in ihrer Kunstcntwicklung vorgeschrittenen
Schüler der Akademie betheiligen konnten, waren folgende: für das
Fach der Historienmalerei ein Oelgemälde, darstellend die Scene der
„Auffindung der Leiche Abel's durch das erste Elternpaar"; für das
Fach der Bildhauerei eine Gruppe, darstellend „Sokrates, welcher
den verwundeten Alcibiades vertheidigt"; für das Fach der Architek-
tur das durchgebildete Projekt für ein „Stadthaus" auf Grundlage
eines gegebenen Programms. An der Lösung der ersten Aufgabe
haben sich 16, an der zweiten 6, an der dritten 4 Zöglinge betheiligt.

-Der Professor an der Akademie der bildenden Künste

in München, zugleich Mitglied der hiesigen Akadenüe, Maler Theodor
Horschelt, ist durch die Verleihung des Ordens der eisernen Krone
dritter Klasse ausgezeichnet worden.

Gran in Ungarn. Unweit des in der Vollendung begriffenen
Domes Hierselbst (leider eine nichts weniger als glückliche Mischung
von Altgriechenthum und Peterskirche!) ward jüngst unter der Kase-
matte der alten Festung eine sehr interessante, zweifelsohne im 12ten
Jahrhundert erbaute Krypta entdeckt. Dr. A. Reichensperger theilt
in dem „Organ für christliche Kunst" darüber Folgenves mit: „Eine
Marmortreppe führt in die Krypta hinab; das Material ist sonst
durchgängig grauitartiger Quaderstein. Die Wölbung ruht auf einer
Mittelsäule aus rothem Marmor und acht Wandsüulen, deren Ka-
pitäle sämmtlich verschieden gebildet sind, so daß man eine Muster-
sammlung vor sich zu haben glaubt, vom einfachen Würfclkapitäle
an bis zum reichsten korinthisirendeu hinauf. Die stämmigen Schafte
haben mit vier Eckblättern verzierte attische Füße, unter welchen sich
noch quadratische Uutcrsätze befinden. Der Grundriß bildet eine auf-
fallend verschobene Figur. Der Erzbischof hat den Diöcesan-Archi-
tekten, Oberbaurath I. Lippert, welchem Einsender die vorstehenden
Notizen nebst einer Zeichnung verdankt, mit der Wiederherstellung
des merkwürdigen Bauwerkes beauftragt; cs soll dasselbe demnächst
dem heil. König Stephan geweiht und dem Gottesdienste übergeben
werden. Wäre der Dom nochmals zu bauen, so würde er gewiß
durch seine äußere Erscheinung eben so wohl an die glorreiche Zeit
dieses Königs, und nicht an die entartete Renaissance erinnern. Auch
iu Ungarn hat der After-Klassicismus seine Rolle so ziemlich aus-
gespielt, wie dies schon die Thatsachc bekundet, daß ein Mann, wie
Lippert, einen bedeutenden Einfluß als officicllcr Architekt mehrerer
Diöcesen übt."

Florenz. Ein hiesiger Bildhauer, Gagliardi, hat aus den
Vereinigten Staaten den Auftrag zur Ausführung eines grandiosen

Monuments für den verstorbenen Präsidenten Lincoln erhalten. Es
wird von kolossalem Umfange sein und über 50,000 Doll, kosten.

Rom. Unter den Archäologen herrscht große Freude über die
sich immer erfreulicher gestaltenden Erfolge der Ausgrabungen am
alten Tiber-Emporium. Die ungeheuren Marmormaffen sind in den
jüngsten Tagen durch ein gewaltiges Stück vermehrt worden, nämlich
durch eine kolossale Säule aus ägyptischem Granit von 7 Palmen
Durchmesser und vielleicht 70 Palmen Höhe, da das eine bloßgelegte
Stück bereits 27 Palmen hoch ist. Auch an den verschiedenen Lan-
dungsplätzen werden täglich die interessantesten Entdeckungen gemacht
und Cav. Visconti kann sich zu diesen Erfolgen nur Glück wünschen.

London. Zur Winter-Ausstellung in der Dudley-Gallerie
sind 344 Gemälde cingeschickt worden, von denen das „Athenäum"
aber nur zehn als ersten Ranges, zehn als vortrefflich und zehn als
erwähnenswerth bezeichnet, um daran die Bemerkung zu knüpfen, daß
der allgemeine Ruf nach größeren Ausstellungs-Räumen unberechtigt
sei. Weshalb solle man Geld für ein neues Gebäude wegwerfen,
so lange dreihundert Gemälde nicht des Betrachtens werth seien?
Für das gute Zehntel jener dreißig Gemälde sei schon der jetzige
Raum viel zu groß. Als die besten Bilder bezeichnet die englische
Zeitschrift die folgenden: I-os Osmoisellos cku Mois cks Marie von
Legros bezeichnen einen neuen Fortschritt des Meisters, der von Jahr
zu Jahr größer wird. Junge Mädchen üben unter der Leitung
eines Mönches iu einer düstern normänuischcn Kirche einen Gesang
ein. Abgesehen von dem blutrothen Priesterrock des Mönches hat das
Gemälde nur gedämpfte harmonisch behandelte Farbentöne. Marks
hal in seinem „Ermattet" sein bestes Bild geliefert. Ein Herr der
alten Zeit schlummert in seinem Lehnstuhl, ohne durch das Ticken
der Uhr an der Wand und durch einige neugierige Enten gestört zu
werden. Durch die offene Thür, welche die Enten benutzt haben,
sieht man in den Hof, den die Mittagssonne erhellt. Das Juwel
der Ausstellung ist Masou's kleine „Skizze nach der Natur." Haupt-
gegenstände der Darstellung sind eigentlich ein Hemd und ein blauer
Rock, die zum Trockenen iu einem vernachlässigten Garten hängen.
Im Hintergründe sieht man einen nackten Hausgiebcl und einen
dämmernden Moorstreifen. Jeder Zug des Bildes ist der Natur
abgclauscht und mit Meisterhand gemalt. Eine zweite Skizze nach
der Natur desselben Meisters stellt ein ödes Moor dar, bestreut mit
Schieferfelsen und mit den Stummeln abgestorbener Bäume, die sich
von einer höchst zart gefärbten Lnft abhcben. Eines der besten
Figurenbilder ist Boughton's „Buße", eine Nonne, die in einer
Schneenacht zur Strafe au der Außenthür eines Klosters kniet. „Die
Tochter des Vicars" von Leslie ist in der anmuthigsten Manier des
Künstlers gemalt. Eine junge Dame katechisirt einen Bauernjungen,
der in einem altmodischen Garten auf dem Unterbau einer Sonnen-
uhr sitzt. Crow e's „Freies Ignorantins“ ist in Farbe, Beleuchtung
und Charakter vortrefflich. Die schwarz-gekleideten Brüder ziehen
iu langer Linie durch die Straßen von Chatenay und -vor einer
Büste Voltaire's vorbei, die dieser Geburtsort des Philosophen von
Ferney dem großen Feinde des Ordens ausgestellt hat. Der Aus-
druck von Verachtung, Widerwillen, Wuth und Aergcr in den Zügen
der Mönche, welche die Büste thcils ansehen, theils absichtlich nicht be-
achten, ist kräftig und gesund gemalt. A. Ditchfield's „Weivcndes
Vieh" ist etwas nüchtern gemalt, aber unter der trockenen Ober-
fläche verräth sich ein Gefühl für Größe. „Tägliche Beschäftigungen"
von Neamcs nennt sich das Bildniß einer jungen Dame, die einen
Brief lesend und mit einem Blumenkörbe zu den Füßen vor einer
Thür wartet. Moore's „Penmaen Bach und Great Orme's Head"
ist eines der besten Landschaftsbilder mit großartigen Wolken- und
See-Effekten.
 
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