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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0412
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396

Kunstkritik.

Die Austsielllmg äer kömgliclien Aluräenrie der Mnste Lu Herlm.

(Fortsetzung.)

v. Die Landschaftsmalerei. (Forts.)

2. Die Landschaft im engeren Sinne. (Forts.)
b) Die Effektlandschaft und die Stimmungslandschaft.

Ed. Hildebrandt, Eschke, Ducker, Ludwig, Erbe,
Schleich, Pflugradt, Rodcck; Douzette, Kolitz; Knorr,
Leu, Arnz, Flamm, Gude, Herrenberg; Kalkreuth, von
Kam ecke, Behrendsen, Triebet, Aiwasowsky — A. Weber,
Max Schmidt, Schamphelecr, Bennewitz; Antonie Biel,
O. Winkler, Scherres; Deiters, Krüger, Goldmann,
Th. Hagen, Hampe, Wegener, Gustav Richter, Penelli;
Kühling, Hoguet, Dreßler; Bellermann, Jonas, Lincke;
Girscher, Carmienke.

iese beide Richtungen bilden keineswegs, wie die beiden
zuletzt charakterisirten, einen Gegensatz, sondern die erstere
kann als eine besondere Gattung der letzteren bezeichnet
werden, während sie andrerseits, sofern sie Alles, selbst
die Wahrheit der Naturformen dem ausschließlichen Reiz
der Lichtwirkung untcrordnet, einen ziemlich entschiedenen
Gegensatz einerseits zu der Stylisirten Landschaft, andrerseits zu der
Schön-Gegend-Malerei bildet. Diese Richtung begnügt sich, wie bei
Ed. Hildebrandt und seinen mehr oder weniger talentvollen Nach-
ahmern, nicht mit der poetischen Stimmung an sich, für welche die
linearische Schönheit ja ein wesentliches Wirkungsmoment uusmacht,
sondern beschränkt, ja konccntrirt sich -— oft mit einer bewußten
Gewaltthätigkeit gegen die Form ■— auf die höchste Potenzirung der
Lichtwirknng. Aller Zauber, den die Lichtkontraste in der Natur auf
das Auge bis zur Blendung Hervorrufen, sucht diese Richtung durch
das immerhin nur surrogative Material der irdischen Farbe auf der
Leinwand wiederzugeben. Da nun einerseits dieses Streben — man
mag es einseitig nennen -— doch ein durchaus ernstes sein und bei
einzelnen Künstlern auf der tiefsten Erforschung der Natur in der
Entfaltung ihrer Lichtwirkungen beruhen kann, so wird die kritische
Beleuchtung desselben durch die beliebten Stichwörter wie „Effekt-
hascherei" und dergleichen im Entferntesten nicht erschöpft. Andrer-
seits darf aber doch nicht verhehlt werden, daß die Poesie des Lichtes
und der Farbenwirkung gegen die Poesie der Linie und der Form
erst in zweiter Reihe, steht und daß daher diese Richtung intentions-
mäßig darauf abzielt, mehr die sensitive Anschauung und die Be-
wunderung des Beschauers zu fesseln) als sein Gemüth durch die
reine poetische Schönheit und künstlerische Harmonie der Darstellung
zu ergreifen und zu rühren.

Daß von den drei großen Landschaften Eduard Hildebrandt's
„Uuler'm Aequator", „Abend auf Ceylon" und „Ein Sonnenblick
(Jersey)" die letzteren beiden, und unter diesen wieder die letzte, den
am reinsten poetischen Eindruck machen, liegt eben darin, daß, bei
gleicher Kraft der Lichtwirkung, doch diese selbst hier in einer an sich
feineren Skala behandelt ist. Der Grund davon liegt nicht in dem
dargestellten Objekt, nicht in der Natur. Im Gegentheil, wir sind
überzeugt, daß in der Natur das Motiv des sogenannten „blauen
Bildes" Hildebrandt's bei Weitem am wirkungsvollsten, dagegen das
des grauen am wenigsten effektvoll erscheinen müßte. Aber dies ist
eben nur ein neuer Belag für den großen Unterschied des Natur-
und des Kunstschönen, ein Unterschied, der hier noch durch die im-
mense Kluft zwischen dem wirklichen Naturlicht und dem armseligen
Surrogat, welches dem Künstler zu Gebote stehe, um es darzustellen,

verstärkt wird. Nichtsdestoweniger ist, von dieser Rangfolge der
Bilder rücksichtlich ihrer rein ästhetischen Wirkung abgesehen, doch
anzuerkennen, daß Hildebrandt in der relativen Wiedergabe des Natur-
effekts keinen größeren Triumph gefeiert hat, als in der blauen See.
Aber dieser Ruhm gebührt mehr dem Künstler als dem Kunstwerk;
dies darf nicht verschwiegen werden. In allen dreien aber zeigt sich
Hildebrandt als ein Meister ersten Ranges und unvergleichlicher
Originalität. Namentlich möchten wir einen Punkt hervorheben, in
welchem er unseres Erachtens geradezu unerreicht dasteht: das ist die
Kunst, durch reine Tonwirkuug und mit absichtlicher Unterdrückung
jeder blos linearischen Perspektivirung Acther zu malen. Keine Land-
schaft auf der Ausstellung besitzt solche unendliche Tiefe in dem Zurück-
weichen des Horizonts wie die drei Gemälde Hildebrandt's. Wir
können uns umsomehr mit dieser kurzen Charakteristik der Hilde-
brandt'schen Gemälde begnügen, als wir in unserer allgemeinen
Schilderung seines künstlerischen Wesens an der Spitze unseres
Blattes eingehender über ihn uns äußern.

Es hat seine Schwierigkeit, nach Hildebrandt noch die Werke
der anderen, dieser Richtung verwandten Künstler auf gerechte Weise
zu würdigen. Einer derjenigen, welche, obwohl sich in vielfach ver-
schiedenen Richtungen ergehend, ihm zuweilen ziemlich nahe kommen,
ist Eschke. Mit dem „Abend auf Ceylon" hat sein Bild „Am
Jordan" viel Verwandtes, obschon es nicht die entschiedene Wir-
kung erreicht, mit dem „Sonucnblick auf Jersey" dagegen die „Ebbe
ans der Insel Amrum". Selbstständiger und darum auch wohl mit
größerer Liebe durchgeführt ist die stimmungsvolle „Schmale Haide
auf Rügen" sowie die etwas kühl-, aber feingetonte „Abenddämme-
rung am Weiher". Am wirkungsvollsten erschien uns das große
Bild des Künstlers „Das Steinbachthal im Harz", welches bei feiner
und höchst wirkungsvoller Stimmung eine dieser sehr angemessene
pittoreske Zeichnung sowohl der Felsen wie der Staffage zeigt. Es
ist mehr im Lessing'schen oder A. Weber'schen Charakter gehalten,
neigt sich also entschieden der Stimmungslandschaft zu. — Wenn
wir, nicht nur im Hinblick auf die außerordentliche Vielseitigkeit,
sondern auch auf die routinirte Produktivität des Künstlers, sagen
müssen, daß wir in manchen seiner Werke den künstlerischen Ernst,
die empfindnngsvolle Hingabe an die Poesie der Natur vermissen, so
ist das vielleicht der wesentlichste Unterschied, der den Künstler Eschke
von dem Künstler Hildebrandt trennt. — Einige Aehnlichkeit mit
dem „Steinbachthal" von Eschke, wenn auch nicht im Terrainmotiv
so doch in der Art der Wirkung, besitzt das schöne Bild von Dücker
„Motiv von Rügen". Vordergrund wie ferner Hintergrund sind in
dunkle Gewitterluftschatten gehüllt, während auf die weite Fläche des
Mittelgrundes, der durch einen langgestreckten Hügelzug begrenzt
wird, ein scharfer Sonnenglanz fällt. Es ist beginnender Gewitter-
sturm, dies erkennt man nicht nur an der blcigraucu, ticfgestinimten
Luft, sondern auch au verlebendig bewegten Staffage, einigen Fischern,
die auf dem aus einzelnen breiten Steinplatten bestehenden Fußwege
durch das Moorland dahinschreiten. — Wir schließen hieran die Er-
wähnung eines kleinen Bildes von C. Ludwig „Herbstucbelniorgeu",
das eine effektvolle Stimmung besitzt, jedoch einen etwas räucherigen
Stich hat und auch zu skizzenhaft behandelt ist, sowie eines recht
gediegenen Werkes von Erbe, betitelt „das alte Vorwerk", das
ebenso stimmungsvoll — auch hier ist Gewittersturm intendirt —
wie sorgfältig in der Durchführung erscheint. — Als ein Hauptbild
dieser Richtung ist noch Schl eich's „Mondlandschaft mit Wind-
 
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