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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 13.1868

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https://doi.org/10.11588/diglit.13560#0413
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mühlen" zu nennen, welches wir deswegen hier anfühner, weil die
Mondscheinstimmung durchaus einem wilden, stürmischen Effekt unter-
geordnet ist. Es macht bei aller Virtuosität der Behandlung doch
nur den Eindruck einer kolostalen Skizze und scheint uns ebenfalls
an dem, wie es scheint, von den Münchenern jetzt sehr bevorzugten
räucherigen Ton zu kranken. — Als einigermaaßcn noch der stylisirten
Richtung angehörig tragen wir hier nach Pflugradt's „Altes
Schloß in waldiger Umgebung" nach, das sich durch einen ernsten
Farbencharakter und eine gewisse Strenge in der Zeichnung bemerkbar
macht. — Auch Rodeck's „Landschaft aus Holstein" zeigt diesen
ernsten Charakter, sie stellt eine Waldung mit düsterer Baumgruppe
und einer kleinen Kapelle auf der rechten Seite dar.

Einen starken Accent auf eigenartige Lichtwirkung legen die Bil-
der von Douzette und Kolitz. Der elftere versucht sich in ver-
schiedenen Manieren, aber nicht mit gleichem Glück. Seine Land-
schaft „Nach dem Gewitter" zeigt eine Neigung, im Stimmungs-
charaktcr von A. Achcnbach's „Ostende" sich zu versuchen. Effekt
kann man dem Bilde nicht absprcchen, aber es ist ein ziemlich ge-
suchter und auch noch ziemlich roher Effekt. Einfacher und darum
ansprechender ist ein zweites Bild des Künstlers, „Au der Schleuse";
die übrigen sind mehr ober weniger unfeine Mondscheinbilder. —
Kolitz, obgleich auch er sich sichtlich der ernsten Richtung A. Acheu-
bach's zuneigt, ist doch ein entschieden originales Talent von außer-
ordentlicher Kraft in der Behandlung des koloristischen Stimmungs-
charakters. Wir haben bereits früher von ihm ein mittelalterliches
Motiv, „Ausbruch aus dem Quartier", erwähnk, und haben hier
seine „Abendlandschaft" namhaft zu machen, welche ein ganz ähn-
liches, aber schärfer cffektuirtes landschaftliches Stimmuugsgepräge
zeigt. So hoch wir aber auch diese echt künstlerische und durch die
saftige Fülle und Energie der Lokaltintcn reizvolle Farbeuskala schätzen,
so meinen wir doch, daß der Künstler darin etwas zu weit geht,
nämlich fast bis an die Grenze, wo die Farben den Eindruck machen,
als würden sie durch ein gefärbtes Glas angesehen, oder, um eine
deutlichere Vorstellung von der Eigenartigkeit dieser Koloristik zu
geben, als habe er die Natur bei beginnender Sonnensinsterniß ge-
sehen. — Andreas Achenbach, der Vorgänger der beiden obenge-
nannten Künstler in dieser Richtnng, ist ebenfalls dnrch ein großes
und schönes Bild, „Landschaft bei Sonnenuntergang (Wevelinghoven)",
vertreten, welches bei reicher und pitoresker Komposition — es stellt
eine mit drei mächtigen Wasserrädern versehene Mühle im Walde
dar, nach welcher auf dem rechts sich neben dem Flüßchen hinzie-
henden Wege eine Heerde Kühe über die Brücke fortgetrieben wird
— eine außerordentlich feine und tieftönige Stimmung besitzt. Es
ist nächst seinem „Ostende" das schönste und wirkungsvollste Bild
dieser Art, welches wir von dem Meister kennen.

Eine zweite bedeutende Gruppe von Darstellungen entschiedener
Lichtstimmung wird durch Knorr, Leu, Arnz, Flamm, Gude und
Herrenburg repräsentirt. — Knorr's „Wrack an der norwegischen
Küste", ein großes und höchst wirkungsvolles Bild, zeigt uns den
Künstler, dessen stylvollc „Kompositionen zur Frithjofssage" unsere
Leser wohl noch in lebendiger Erinnerung haben, von einer neuen
Seite, obschon etwas vom Charakter der letzteren Arbeiten sich auch
hier wiedersindct. Das Wrack des gestrandeten Schiffes bildet mit
seiner schwarzen Maffe und feiner grotesken Form einen drastischen
Gegensatz zu der glühenden Stimmung, in der Meer und felsige
Küste behandelt ist. Für die Einfachheit des Motivs dünkt uns in-
dcß die Dimension des Gemäldes etwas zu groß gegriffen, weil
daraus eine für die übrigens mit großer Kraft und Feinheit behan-
delte Wirkung drohende Gefahr der Leerheit entsteht. Wir wissen
recht wohl den Grund, warum der Künstler diese Dimension gewählt,
nämlich um dadurch den Eindruck der monotonen Großartigkeit dieser

Natur zu erhöhen. Aber das gewählte Mittel entspricht nicht dem
beabsichtigten Zweck, ist vielmehr demselben hinderlich, indem das
Werk dadurch eine anspruchsvollere Form erhält. Wir sind überzeugt,
daß dasselbe Motiv in derselben Weise, aber um die Hälfte verklei-
nert, entschieden bedeutender wirken würde. — Von den Leu'schen
Bildern gehört hierher der etwas an den goldigen Ton von Wilhelm
Schirmer erinnernde „Sonnenuntergang an der Küste von Neapel",
während sein „Norwegischer Fjord" und der „Obersee in Baiern",
wenn auch nüt schöner Wirkung, in das Gebiet der „schönen Ge-
genden" zu rechnen ist. — Voll gegensatzloser Gluth, aber innerhalb
dieser Gluth mit feiner Nüancirung und vortrefflicher Tonperspek-
tivirung durchgeführt ist Arnz' „Engelsburg in Rom" mit der
Aussicht auf die heilige Stadt, deren mächtige Peterskuppel schon in
goldigem Nebel sich verliert. — Flamm's „Motiv von Jschia"
zeigt den blassen, eben über das Meer sich erhebenden Mond, vorn
eine Gruppe von Oelbäumen an der Straße, worauf einige Priester
nebst Begleitung auf Eseln dahinzichen. Das Bild war zu sehr
eingcschlagen, um die Wirkung zu beurtheilen. — Gube's „Som-
mertag am Christiania-Fjord in Norwegen" mit einer Staffage von
Badenden, scheint den Beweis führen zu sollen, daß die Gluth
Italiens auch im Norden zuweilen gefunden werden kann. Ob dies
aber gerade für den Norden charakteristisch sei, scheint zweifelhaft.
Die Wellenbewegung des Meeres ist schön durchgeführt und die
Wirkung im Ganzen eine harmonische. — Bon Herrcnburg ge-
hört hierher das „Motiv vom weißen Nil in Central Afrika". Es ist
ein einfach komponirtes, aber höchst stimmungsvolles Bild, dessen Pal-
men-Staffagc dem Ganzen einen fast malancholischen Charakter verleiht.

Eine dritte Gruppe der Effektlandschaft wird durch die Werke
von Kalckreuth, von Kamecke, Behrendseu, Triebet u. A.
mit einigem Anflug von „schöner Gegend" gebildet. Graf Kalck-
reuth, der sich früher durch einen etwas in's Grüne spielenden feinen
Grundton auszeichnete, hat sich seit einiger Zeit einer entschiedenen
Effektwirkung zugencigt. Unter seinen drei Bildern geben vorzugs-
weise ein abendliches Alpenglühen („Bicrwaldstädter See") und ein
solches in kühler Morgenstimmung („Montblanc") davon umfang-
reiche und wirkungsvolle Beläge. Die großartige Natur der Alpcn-
welt mit ihren Gletschcrfirnen, womit die niächtigen Kegel sich wie
mit weißen Mänteln umhüllen, die kühlen dunklen Thalschluchtcn
und die tiefblauen Seen, welche sie füllen, gewinnen durch diese Be-
leuchtung eine poetische Wahrheit für die Anschauung, welche sie aller-
dings über den bloßen Reiz der „schönen Gegend" hinaus erhebt.
— Die dritte Landschaft des Künstlers, „Die Jungfrau vom Lauter-
brunner Thal" liefert, da sie sich eben auf diesen bloßen Naturreiz
beschränkt, den besten Beweis dafür. — Der ebenfalls Weimar an-
gehöreude v. Kamecke schließt sich im Wesentlichen der Kalckrcuth'-
schen Richtung an. Sein „Wetterhorn" ist groß gedacht. Der im
tiefen Schatten liegende, aber klare Vordergrund bildet einen poetisch-
wirksamen Gegensatz zu den im Hellen Sonnenlicht schimmernden
Gletschern der fernen Alpenspitzen. — Behrendseu nähert sich schon
mehr der Stimmungslandschaft. Er hatte früher einen leisen Anflug
von Süßlichkeit, welche jedoch in dem diesmal ausgestellten Bilde
„Alpensee, Abend bei bewölktem Himmel" einer gediegener» und
feineren Tonstimmung gewichen ist, während Triebe!'s „Tegernsee
in Oberbaiern", das übrigens mit ancrkennenswerther Sorgfalt durch-
geführt ist, von solcher Süßlichkeit in den Farben und von einer
damit in Beziehung stehenden Glätte nicht ganz frcizusprechen ist. —
Für die gemeine Auffaffung des Effcktbildes liefern die Bilder Aiwa-
sowsky's mannigfache Beläge. Eines besonder» Nachweises dieses
Urtheils können wir uns füglich entheben, da die Sachen selbst nicht
bedeutend genug sind, um überhaupt viel Worte darüber zu machen.

(Fortsetzung folgt.)
 
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