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ein Oval. Man muß die Himmelsgloriole nach rechts in den Raum hinaus-
greifend sehen, nur so erreichen ihre Strahlen Maria. In den nach vorne sich
öffnenden Bogen des „Tempels Salomos" auf dem Engelskonzertbild blicken
wir von rechts hinein, wie am deutlichsten die Ansicht des Baldachins in
seinem Inneren, aber auch der Kielbogen und die Krabben darauf erkennen
lassen. In der Verkündigungstafel ist diese Blickrichtung schräg nach links
einwärts weitergeführt, so daß die Tafeln auch durch eine Abstimmung ihrer
innerbildlichen Perspektiven miteinander verbunden werden.
Im Auferstehungsbild findet ein fortwährender Wechsel zwischen einer
bildßächenparallelen RiAtung und einer Diagonalrichtung, die nach rechts
in das Bild hineinführt, statt. Der vordere Wächter ist bildparallel gelagert,
der Krieger hinter ihm stürzt in der Diagonalrichtung vornüber. Gesteigert
führt diese Bewegung der dritte Krieger, rechts in der Bildtiefe, vor. Der
Sarkophag wiederholt die frontale RiAtung dejs ersten GrabwäAters, der
Sarkophagdeckel führt wieder sAräg in das Bild hinein. Im Christuskörper
verbinden siA in kreisender Bewegung die beiden RiAtungen. Aus der
Raumdiagonale des Grabtuches und der Beine wenden sich Oberkörper und
Gloriole zur Frontalität. Hier kommt die Raumbewegung der ganzen Schau-
seite zur Ruhe. - Die VersAränkung der Richtungen erfüllt den Bildraum
mit Bewegungsenergien, die wir in uns aufnehmen. So geraten wir in den
Bann des Bildes, in einen stärkeren Bann als ihn ein Bild ausstrahlen kann,
dem wir als reinem Gegenüber entgegentreten.
Die dritte Schauseite bringt in den beiden Antoniustafeln eine beträchtliAe
Differenzierung der Raumgestaltung. Die Antoniusversuchung fordert ein
Höchstmaß von Identifizierung des BetraAters mit dem Heiligen. Der Boden
ist stark „aufgeklappt". Man bli&t auf ihn wie auf den Boden, der unmittel-
bar vor den eigenen Füßen sich erstre&t. Das nilpferdmäulige Ungeheuer,
das über Antonius auf taucht, ist halb von unten und halb von links gesehen:
so sieht es Antonius und so sehen wir es mit ihm. Der basiliskgestaltige Dä-
mon vor der Antoniusfigur ist dagegen in halber Aufsicht gegeben. Antonius
sieht ihn von oben und so wir mit ihm. In die Hütte blickt man von unten
hinein. Die Berge in der Ferne wachsen mächtig in die Höhe und die Wiese
an ihrem Fuß steigt steil empor. Den Eindruck einer solchen Höhenrichtung
hat man nur aus der Untersicht. Wir befinden uns den Bergen niAt nur gegen-
über, sondern sehen sie zugleich gewaltig über uns aufragen. - Seltsam ist hier
die Diskrepanz der LichtriAtungen. Antonius wird von rechts beleuchtet, die
Berge jedoch stehen in einem Licht, das von links oben, von der Himmels-
gloriole her, sie zu treffen scheint. Bei einem Anblick des Bildes nur von
vorne stehen die beiden LichtriAtungen beziehungslos übereinander. „Liest"
man aber das Bild in der angegebenen Weise „zusammen", indem man siA
in es hineinversetzt und den Verkürzungsanweisungen der Formen folgt, so
sAließt sich die LiAtführung zu einem bogigen Lichtgang zusammen. Die
Berglandschaft muß mit einem Blick von unten, von Antonius her, erfaßt
werden. Diesem Blick, der sich von unten naA oben hebt, kommt das LiAt

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