Inhalt wichtigste Bewegung. Daraus folgt, daß die Wucht der Bildfläche
ganz unmittelbar mit dem Seelischen sich verbindet und es in einer Weise
steigert, wie es aus dem Menschlichen allein nie erreicht werden kann. "^3
IV. DAS VERHÄLTNIS DER FARBE ZUR FORM
Die frontale Erscheinung des Bildes, wie sie sich im „Davorstehen" zeigt,
leitet den Betrachter durch die Anweisungen der innerbildlichen Perspektive
in das Bild hinein. Die richtige innerbildliche Einstellung erschließt erst völ-
lig die Bildbewegungen, die Spannungen und Entsprechungen der Formen
in der Frontalansicht. Raumkomposition und Ebenkomposition^ bedingen
einander und wirken aufeinander zurückU"
Von der Ebenkomposition soll besonders ein Grundzug hervorgehoben
werden: Die Wiederholung und Abwandlung einzelner Teilformen über das
ganze Bild hin. Die einzelnen Formen verweisen aufeinander und bedingen
sich so wechselseitig. Es ist wichtig, sich diese Eigentümlichkeit der Grüne-
waldschen Formgestaltung^ zu vergegenwärtigen, weil sie eine Parallele zu
einem Grundprinzip der Farbgebung darstellt und weil diese Betrachtung
ermöglicht, die formale Bildbewegung und ihre DurchHechtung mit Farb-
bewegungen und -kontrasten richtig zu bestimmen. Auch hierbei muß wieder
vorausgeschickt werden, daß es sich nur um eine schematische Darstellung
der Bildbezüge in der Ebenkomposition handelt, welche die Fülle der Zu-
sammenhänge keineswegs ausschöpfen kann.
Auf der Isenheimer Kreuzigung wird der Blick nahe an die Gestalt Christi
herangeführt. In ihr wird das Bild räumlich zentriert. Sie ist auch das Bild-
zentrum in der Ebenkomposition. Die Zentrierung erfolgt vor allem durch
abwandelnde und steigernde Wiederholung der Figurengesten. Der rechte
Arm des Antonius, der vorgreift, um den Mantel heranzuholen, wird in seiner
Bewegung gesteigert wiederholt im rechten Arm des Johannes auf der Kreu-
zigung, der sich um den Körper der Maria legt. Die Arme Marias und ihre
ineinandergelegten, sich dem Gekreuzigten entgegenstreckenden Hände wer-
den, in der Gestik verstärkt, wieder aufgenommen in den emporzuckenden
Armen der Magdalena und ihren ineinandergespreizten Händen. Der Blick-
bezug zwischen Johannes und Maria wird im Blick der Magdalena auf Chri-
stus geweitet und intensiviert. In der berühmten Hand des Täufers wird die
betende Gebärde der Sebastianshände zum prophetischen Hindeuten ge-
steigert, sein Arm nimmt die Armhaltung des Sebastian aufU? So weist alles
nach innen, zum Gekreuzigten. - Rot und Weiß sind die beiden Hauptfarben
der ersten Schauseite. Weiß legt einen weitgespannten Kreis um die Gestalt
Christi. Die Rotwerte werden als Brechungen einer gemeinsamen Farbquali-
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ganz unmittelbar mit dem Seelischen sich verbindet und es in einer Weise
steigert, wie es aus dem Menschlichen allein nie erreicht werden kann. "^3
IV. DAS VERHÄLTNIS DER FARBE ZUR FORM
Die frontale Erscheinung des Bildes, wie sie sich im „Davorstehen" zeigt,
leitet den Betrachter durch die Anweisungen der innerbildlichen Perspektive
in das Bild hinein. Die richtige innerbildliche Einstellung erschließt erst völ-
lig die Bildbewegungen, die Spannungen und Entsprechungen der Formen
in der Frontalansicht. Raumkomposition und Ebenkomposition^ bedingen
einander und wirken aufeinander zurückU"
Von der Ebenkomposition soll besonders ein Grundzug hervorgehoben
werden: Die Wiederholung und Abwandlung einzelner Teilformen über das
ganze Bild hin. Die einzelnen Formen verweisen aufeinander und bedingen
sich so wechselseitig. Es ist wichtig, sich diese Eigentümlichkeit der Grüne-
waldschen Formgestaltung^ zu vergegenwärtigen, weil sie eine Parallele zu
einem Grundprinzip der Farbgebung darstellt und weil diese Betrachtung
ermöglicht, die formale Bildbewegung und ihre DurchHechtung mit Farb-
bewegungen und -kontrasten richtig zu bestimmen. Auch hierbei muß wieder
vorausgeschickt werden, daß es sich nur um eine schematische Darstellung
der Bildbezüge in der Ebenkomposition handelt, welche die Fülle der Zu-
sammenhänge keineswegs ausschöpfen kann.
Auf der Isenheimer Kreuzigung wird der Blick nahe an die Gestalt Christi
herangeführt. In ihr wird das Bild räumlich zentriert. Sie ist auch das Bild-
zentrum in der Ebenkomposition. Die Zentrierung erfolgt vor allem durch
abwandelnde und steigernde Wiederholung der Figurengesten. Der rechte
Arm des Antonius, der vorgreift, um den Mantel heranzuholen, wird in seiner
Bewegung gesteigert wiederholt im rechten Arm des Johannes auf der Kreu-
zigung, der sich um den Körper der Maria legt. Die Arme Marias und ihre
ineinandergelegten, sich dem Gekreuzigten entgegenstreckenden Hände wer-
den, in der Gestik verstärkt, wieder aufgenommen in den emporzuckenden
Armen der Magdalena und ihren ineinandergespreizten Händen. Der Blick-
bezug zwischen Johannes und Maria wird im Blick der Magdalena auf Chri-
stus geweitet und intensiviert. In der berühmten Hand des Täufers wird die
betende Gebärde der Sebastianshände zum prophetischen Hindeuten ge-
steigert, sein Arm nimmt die Armhaltung des Sebastian aufU? So weist alles
nach innen, zum Gekreuzigten. - Rot und Weiß sind die beiden Hauptfarben
der ersten Schauseite. Weiß legt einen weitgespannten Kreis um die Gestalt
Christi. Die Rotwerte werden als Brechungen einer gemeinsamen Farbquali-
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