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hen, nimmt niemals Theil am künstlerischen Schaffen und ist
dem Künstler als solchem durchaus nicht nothwendig. Sie hat
nur das Geschäft, denselben Process, den die Kritik an dem
einzelnen Kunstwerk zu vollziehen hat, an der Kunst überhaupt
zu verrichten, ihr eigentliches Wesen, ihre Natur aus ihr selber
zu entwickeln, und was sie sei, zum Bewusstsein zu bringen.
So lange also der Künstler philosophirt, so lange phantasirt er
nicht, und wehe uns, wenn er auf den Einfall kommt, Gedan-
ken, d. h. philosophische Gedanken durch Farben oder Marmor
verkörpern zu wollen.

Soll er sich denn aber zu Nutz und Frommen seiner Schö-
pfungen gar nicht um die Kunstwissenschaften bekümmern?
Sind sie ihm ein ganz unnützer Ballast? Keineswegs. So wie
wir einerseits es nicht in dem Wesen der Philosophie der
Kunst begründet fanden, dass sie dem Künstler für den be-
stimmten Fall Vorschriften mache oder sich gar das Ansehen
gebe, als wenn in ihr der Quell zu aller neuen Schöpfung in
der Kunst sprudele, so müssen wir andererseits vom Künstler
verlangen, dass er mit denjenigen Betrachtungsweisen der
Kunst vertraut sei, welche wir Theorie derselben und Ge-
schichte nennen. Jene muss er schon deshalb genau ken-
nen und in sich aufgenommen haben, weil er sich, wenn auch
nicht als Individuum, doch als Mitglied der Künstlerschaft ihren
Hervorbringer nennen kann; denn Niemand als der praktische
Künstler ist der Erfinder der Theorie. Diese aber ist ihm
nützlich zu wissen, damit er ausserdem, dass er seine Musler
und Vorbilder, die ihm das gewonnene Resultat zutragen, in
ihrem ganzen Umfange kennen lerne, auch sich klar werde
über sein eignes Können und Sollen.

Ein Meister der Theorie kann sich als einen Feldherrn an-
sehen, dem ein schlagfertiges, geübtes Heer zu Gebote steht,
das er der hartnäckigen Natur abgerungen hat, damit er es
wiederum gegen sie kehre und ihre todten Massen zwinge,
laut redende und dauernde Zeugnisse abzulegen von den vor-
übergehenden Sonnenblilzen des Genies. Die Materie dient
Keinem freiwillig, aber sie dient willig dem, der sie kennt
und der sie zu beherrschen versteht. Die Resultate aber der
technischen Eroberungen, wie sie die Geschichte aufzuzeichnen
das Amt hat, wird der Künstler gern bei ihr nachsuchen, um
über die Wirkungen und den dadurch herbeigeführten Fort-
schritt im Klaren zu sein; denn es muss einmal nach den
Worten des Dichlers, dem, der heute kräftig und frei wirken
soll, das Gestern klar und offen liegen.

Aber es giebt noch eine Betrachtungsart der Kunst, welche,
nicht immer richtig ausgeübt, vielleicht am meisten den Misskre-
dit verursacht hat, in welchem die auf dem Gebiete der Kunst
beschäftigte Feder oft bei den Künstlern zu stehen pflegt, und
die Spannung mit erzeugen half, welche unläugbar zwischen
den Künstlern und Kunstgelehrten bestanden hat, ja noch zum
Theil besteht. Wir meinen die Kunstkritik. Freilich ist
sie nach unserer Ansicht eben so sehr wie die übrigen Kunst-
disciplinen berufen, der Kunst zu dienen. Zeichnet die Theorie
die Regel und Gesetze auf, welche die Künstler erfinden, die
Geschichte aber die Thaten, die sie vollbringen, so ist es die
Kritik, welche das Kunstwerk in seiner ganzen Erscheinung
und seiner vollen Bedeutung, seinem wahren Werthe zu wür-
digen hat. Das ist aber eine traurige Sitte, dass man so sehr
gewohnt geworden ist, Kritik und Tadel für gleichbedeutend
zu nehmen. Daher vielleicht auch dieses fast feindliche, min-
destens inisstrauische Verhalten der Künstler gegen die, welche
sich vorzugsweise die Beurtheiler ihrerWerke nennen.

Wer trägt die Schuld? Zumeist natürlich ist sie auf Seilen
der Kritiker. Und zwar jedesmal dann, wenn sie subjeetive
Meinungen, spezielle Neigungen reden lassen, anstatt aus der

Sache heraus mit objeetiven Gründen aufzutreten. Es isl da-
her von einem gründlichen Kritiker zu verlangen, dass nicht
bloss sein Auge vielfältig geübt und erslarkt sei unter Kunst-
werken, dass er nicht bloss eine gewisse Geläufigkeit besitze,
auf die verschiedenartigsten Kunstgedanken einzugehen', er
muss auch mit Theorie und Geschichte vertraut sein, aus den-
selben Gründen, aus denen der schaffende Künstler ihrer nicht
entrathen konnte. Mit einem Worte, er ist es, der dem
Künstler sein Werk in seiner ganzen Tiefe nachempfinden, der
es geistig reproduciren soll, der es im Ganzen wie im Ein-
zelnen auffassen, der es nicht bloss in Idee und Form zu zer-
legen, sondern auch wieder zum vollsten eignen Genüsse zu-
sammenzusetzen wissen muss, nachdem er es im Anfang seiner
Betrachtung mit williger Hingebung in seiner Totalität hat auf
sich wirken lassen. Dann ist es möglich, dass nicht seine
Individualität, nicht seine Stimmung, sondern dass die Wissen-
schaft durch ihn rede. Jenen geistigen Process aber halb zu
vollführen, mit dem kalten Verstände Leib und Seele von ein-
ander zu reissen und dann tadelnd vor dem Leichnam stehen
zu bleiben, das ist nur zu oft das unerfreuliche Geschäft derer,
die einmal Kunstwerke nicht anders sehen können, ohne sich
berufen zu fühlen, ein Gericht darüber abzuhalten. Wer soll
es ihnen gegenüber den Künstlern verdenken, wenn sie mit
Goethe ausrufen:

Was hilft's, wenn ihr ein Ganze3 dargebracht,
Das Publikum wird es euch doch zerpflücken!
Es ist gewiss eine merkwürdige Erscheinung, dass sehr
viele Menseben, den Kunstwerken gegenüber, sich förmlich zu
schämen scheinen, keine Kenner zu sein. Sie geniren sich
nicht, in philosophischen oder andern Dingen ihre Laienschaft
einzugestenen; aner in oer Kunst meinen sie ihr Votum ab-
geben zu dürfen und zu müssen, selbst wenn sie nur noth-
dürftig ihren Detmold auswendig gelernt hätten. — Anderer-
seits finden sich gar Viele, welche vor den Kunstwerken gar
nicht mit der Sprache herausgehen und vielleicht selbst gar
mit der Bemerkung: „ich bin kein Kenner" — auf den Kunst-
genuss verzichten, also fast noch strenger als Kestner die
Kunst fast ausschliesslich den Kennern vindiciren. Aber es ist
ein grosser Unterschied zwischen dem Zeugniss, das man von
einem empfangenen Eindrucke ablegt und der öffentlichen, gründ-
lich beurtheilenden Betrachtung eines Werkes. Beides kann
der Künstler nicht entbehren wollen. Es kommt nur darauf
an, dass das letztere ernst, einsichtsvoll und mit Liebe zur
Sache geschehe; diese Liebe zur Sache möge aber auch Jene
erfüllen, die sich nur als Geniessende zu den Kunstwerken
verhallen wollen, damit sie über die Qual, die sie sich aufer-
legen, die Mängel eines Werkes an's Licht zu ziehn und vor
ihr Bewusstsein zu bringen, den Genuss nicht vergessen, ein-
gedenk des Wortes von Winckelmann: „Es gehört viel mehr
Geist und Bildung dazu, die Schönheit eines Kunstwerks, als
seine Mängel aufzufinden." F. E.

Das Leben einer Hexe

in Zeichnungen von Bonaventura Genelli, gestochen von H. Merz und
C. Gonzenbach. Auf Kosten von Jul. Buddeus in Düsseldorf und Rudolf
Weigel in Leipzig in 5 Lieferungen, jede zu 2 Blattern. Die Lieferung auf
weissem Papier 1% Thlr., auf chinesischem Papier 2 Thlr. 12 Sgr., nebst er-
läuternden Bemerkungen von Dr. Hermann Ulrici.

Indem wir unsern Lesern das neunte Blatt hiervon weiter
unten im Holzschnitte vorlegen, lassen wir sowohl zur Erklärung
dieser Darstellung als der ganzen Idee des Werkes einen Aus-
zug der auf die eignen Angaben des Künstlers gestützten erläu-
ternden Bemerkungen des Hrn. Ulrici reden:
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