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strenger selbst im Tanzreigen einher, als in den späteren Jahr-
hunderten, wenn nicht gerade Veitstanz und Tanzwuth an die
Tagesordnung kamen. Beibehaltung und Aenderung mögen im
Buche selbst nachgelesen werden, und werden bei der noch zu
hoffenden colorirten Ausgabe auch in den Farben vor Augen treten.
Die Zeichnungen zu diesem Atlas, wie der Stich, rühren
von dem Kupferstecher König aus Koburg her, dessen der
Herausgeber mit grossem Dank erwähnt und dem wir gern auch
hier die verdiente Anerkennung rühmlichen Kunstfleisses und
wackerer Führung des Grabstichels bei treuer Wiedergabe cha-
rakteristischer Bildgruppen zollen. Noch ziert ein mit beson-
derem Fleiss ausgeführtes, vom Herrn Professor Peter Ti-
scher zu Basel gestochenes Kupferblatt den Atlas, das nach
dem in Wirklichkeit noch erhaltenen Kopf der Herzogin (No. 9)
ausgeführte Brustbild, an welchem wir eine höchst sinnige und
eigenthümliche Anlage und Ausführung der Haltung sowohl als
der Gewandung wahrnehmen, eigenthümlich schon darin, dass
die Haarflechten von beiden Theilen des Vorderscheitels in zwei
geflochtenen Zöpfen über den Busen niederhängen und in eine
Haarquaste auslaufend, an ihrem Ende zusammengefasst sind.
VMM» So eben geht uns noch eine ganz neue Ausgabe
des Basler Todtentanzes zu. La Danse des Morts ä Basle
de J. Holbein. Hasler & Cie. editeurs ä Basle. Basler Tod-
tentanz von Hans Holbein, herausgegeben von Hasler &
Comp, in Basel. Kleinfolio, o. J. 40 lithographirte Bildtafeln
und eben so viele weder numerirte noch paginirte einseitig be-
druckte Blätter mit den Versen. So elegant und wohlausge-
stattet dieses Werk sich dem Blick darstellt, so können wir in
demselben doch nur ein Machwerk merkantiler Speculation er-
blicken und gar wenig Freude daran haben.
Man sollte nicht meinen, dass es möglich sei, nach allem,
was vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nun seit langen Jah-
ren über H. Holbein, über dessen Todtentanz in Holzschnitten,
und über die nicht von Holbein herrührenden Basler T. T. ver-
öffentlicht worden, nochmals und in neuester Zeit einer Publika-
tion des Basler Todtentanzes, die übrigens durch Eleganz der
typographischen wie der künstlerischen Herstellung sich aus-
zeichnet, zu begegnen, welche ungescheut den Kamen H. Hol-
beins für den Basler T. T. in Anspruch nimmt, und aufs
Neue Täuschung und Unwahrheit im Publikum, das solche Werke
kauft, verbreitet.
Keine Vorrede, kein historisch oder kritisch erläuternder
Text, keine Bechtfertigung der offenbaren Täuschung auf dem
Titel, ist zu finden.
Nur auf den Bildtafeln der Name des Zeichners, Hiero-
nymus Hess, der sich, obschon die ganze Bilderreihe nur
freie Copie des bereits Vorhandenen, oft Copirten ist, hier
Maler nennt, und des Lithographen G. Danzer. Ob nun der
als Künstler übrigens sehr achtungswerthe Baseler Maler H.
Hess diese Bilderreihe des Basler T. T. wirklich für sich oder
für Jemand Anders in der Art, wie wir sie in dem vorliegen-
den Werke erblicken, gemalt, oder ob er sie nur für die
Verleger gezeichnet, können wir nicht wissen, es kommt
auch darauf nur wenig an, denn die Zeichnung ist, manche
Steifheit abgerechnet, wohl gelungen und die lithographische
Ausführung ist recht wacker, besonders gut behandelt müssen
wir die Fleischpartieen an den tanzenden Todtengestalten nen-
nen , allein abgesehen davon, dass wer dieses Werk kauft, H o 1 -
bein's T. T. nicht erhält, so erhätt er auch keine treue Copie
des Basler Todtentanzes. Vielmehr hat der zeichnende Künstler
beliebt, mannigfache Willkürlichkeiten vorzunehmen.
Blatt No. 1 ist vom Beinhaus nur wenig sichtbar, und im
Frontispiz steht, statt der Scene des jüngsten Gerichts MEMENTO
MORI. Der offene Sarg am Boden fehlt, hingegen sind einige
Felsstücke und eine Mohnpflanze mit reifen Saamenkapseln hin-
zugethan. Der Prediger fehlt ganz.
No. 2. Beim Papst ist der Tod bekränzt, also Hug Klau-
bers Zuthat beibehalten; der Boden ist, wie auf allen folgenden
Blättern, frei und willkürlich behandelt.
No. 3. Beim Kaiser ist zum Reichsapfel noch ein Schwert
an den Boden gelegt, dagegen fehlt das charakteristische, ihm
aus der Hand fallende Scepter; Gürtel und Wehr sind verän-
dert, und aus dem nicht verstandenen Wetscher (kleinen Täsch-
chen) ist ein grosser reich verzierter Beutel geworden. Die
Krone ist anders, wie auf dem Urbild.
No. 4. Das Gewand der Kaiserin ist verändert; auf dem Ur-
bild (siehe Massmann's Ausgabe) und bei Merian hat sie auch
um die Aermel am Handgelenk Hermelinbesatz, hier hat sie eine
neumodische Manschette. Statt der offenen Krone bat sie eine
geschlossene.
No. 5. 6. sind bezüglich des Costüms bei König und Königin
noch mehr verändert.
Auch auf die Todtengestalten erstreckt sich die Verände-
rung; der oft aufgeschlitzt erscheinende Unterleib ist mit Fleisch
bekleidet, oft verschleiert und ästhetisirt. Selbst mit noch vor-
handenen Augen erscheint einigemal der Tod. Es würde zu
weit führen, alle Veränderungen und Willkürlichkeiten bei die-
sen Copieen nachzuweisen, wie die Vorgänger sie zum Theil
auch geübt, aber durch dieselben und durch das Ueberschweifen
in das Gebiet des Grotesken, das auf manchen der Bilder vor
Augen tritt, jenes der Einfachheit, der künstlerischen Würde
und Schönheit verHessen. Doch dies möchte alles noch gelten.
Warum sollte ein Künstler nicht nach vorhandenen alten Bildern
neue schaffen und nach eigener Phantasie ihnen Gestalt und Ge-
wandung abändernd geben? Allein hier ist man noch weiter
gegangen. Statt des Blutvoigt der alten Bilderreihe erscheint
total anders ein Scharfrichter mit demgemässen neuen Ver-
sen, ebenso statt des Heiden ein Chinese(l), die Heidin
fehlt. Statt des Malers Hug Klauber, dessen Vorbilder dieser
Nachahmung dienten, erblicken wir eine ganz selbständige
Zeichnung. Herr Hieronymus Hess sitzt vor einer Staffelei,
darauf die aufgestellte Leinwand Gott Vater als Weltrichter mit
Schwert und Wage zeigt, und hinter welcher der Tod hervor-
schaut, darüber die erbaulichen Verse:
Der Tod zum Maler.
Hieronymus Hess lass's Malen stehn,
Der Weg ist dunkel, den wir gehn.
Ob auch Dein Herz im Tode bricht,
Dir winkt der ewigen Heiinath Licht.
Darunter:
Antwort des Malers.
Freund! tritt hervor, Du schreckst mich nicht,
Mich freut Dein blasses Angesicht;
Nach manchem bittern Erdenschmerz
Führt Deine Hand mich himmelwärts.
Die Malerin fehlt, ebenso Adam und Eva, welche in Me-
rian'schen Ausgaben den Beschluss machen, dagegen erscheinen
als neue Zuthaten noch Blatt 39 und 40 der Wirth und der
Schuster mit, wie es scheint, auch neuen Versen, wobei auf
dem ersten Blatt der Tod mit einem Pokal, auf dem zweiten
mit Knieriem und Schurzfell zu erschauen ist, und somit man-
gelt ein eigentlicher ästhetischer Schluss, was sollen Wirth und
und Schuster? Das Bild des Malers schlösse wohl am pas-
sendsten die Reihe. Die Textblätter enthalten zunächst die
deutschen Verse, die auch ober- und unterhalb der Bildblätter
stehen, nach Merian und wie bei Merian's Ausgaben, dann de-
ren metrische Ueberselzung in französischer und endlich in
englicher Sprache.
strenger selbst im Tanzreigen einher, als in den späteren Jahr-
hunderten, wenn nicht gerade Veitstanz und Tanzwuth an die
Tagesordnung kamen. Beibehaltung und Aenderung mögen im
Buche selbst nachgelesen werden, und werden bei der noch zu
hoffenden colorirten Ausgabe auch in den Farben vor Augen treten.
Die Zeichnungen zu diesem Atlas, wie der Stich, rühren
von dem Kupferstecher König aus Koburg her, dessen der
Herausgeber mit grossem Dank erwähnt und dem wir gern auch
hier die verdiente Anerkennung rühmlichen Kunstfleisses und
wackerer Führung des Grabstichels bei treuer Wiedergabe cha-
rakteristischer Bildgruppen zollen. Noch ziert ein mit beson-
derem Fleiss ausgeführtes, vom Herrn Professor Peter Ti-
scher zu Basel gestochenes Kupferblatt den Atlas, das nach
dem in Wirklichkeit noch erhaltenen Kopf der Herzogin (No. 9)
ausgeführte Brustbild, an welchem wir eine höchst sinnige und
eigenthümliche Anlage und Ausführung der Haltung sowohl als
der Gewandung wahrnehmen, eigenthümlich schon darin, dass
die Haarflechten von beiden Theilen des Vorderscheitels in zwei
geflochtenen Zöpfen über den Busen niederhängen und in eine
Haarquaste auslaufend, an ihrem Ende zusammengefasst sind.
VMM» So eben geht uns noch eine ganz neue Ausgabe
des Basler Todtentanzes zu. La Danse des Morts ä Basle
de J. Holbein. Hasler & Cie. editeurs ä Basle. Basler Tod-
tentanz von Hans Holbein, herausgegeben von Hasler &
Comp, in Basel. Kleinfolio, o. J. 40 lithographirte Bildtafeln
und eben so viele weder numerirte noch paginirte einseitig be-
druckte Blätter mit den Versen. So elegant und wohlausge-
stattet dieses Werk sich dem Blick darstellt, so können wir in
demselben doch nur ein Machwerk merkantiler Speculation er-
blicken und gar wenig Freude daran haben.
Man sollte nicht meinen, dass es möglich sei, nach allem,
was vom wissenschaftlichen Standpunkt aus nun seit langen Jah-
ren über H. Holbein, über dessen Todtentanz in Holzschnitten,
und über die nicht von Holbein herrührenden Basler T. T. ver-
öffentlicht worden, nochmals und in neuester Zeit einer Publika-
tion des Basler Todtentanzes, die übrigens durch Eleganz der
typographischen wie der künstlerischen Herstellung sich aus-
zeichnet, zu begegnen, welche ungescheut den Kamen H. Hol-
beins für den Basler T. T. in Anspruch nimmt, und aufs
Neue Täuschung und Unwahrheit im Publikum, das solche Werke
kauft, verbreitet.
Keine Vorrede, kein historisch oder kritisch erläuternder
Text, keine Bechtfertigung der offenbaren Täuschung auf dem
Titel, ist zu finden.
Nur auf den Bildtafeln der Name des Zeichners, Hiero-
nymus Hess, der sich, obschon die ganze Bilderreihe nur
freie Copie des bereits Vorhandenen, oft Copirten ist, hier
Maler nennt, und des Lithographen G. Danzer. Ob nun der
als Künstler übrigens sehr achtungswerthe Baseler Maler H.
Hess diese Bilderreihe des Basler T. T. wirklich für sich oder
für Jemand Anders in der Art, wie wir sie in dem vorliegen-
den Werke erblicken, gemalt, oder ob er sie nur für die
Verleger gezeichnet, können wir nicht wissen, es kommt
auch darauf nur wenig an, denn die Zeichnung ist, manche
Steifheit abgerechnet, wohl gelungen und die lithographische
Ausführung ist recht wacker, besonders gut behandelt müssen
wir die Fleischpartieen an den tanzenden Todtengestalten nen-
nen , allein abgesehen davon, dass wer dieses Werk kauft, H o 1 -
bein's T. T. nicht erhält, so erhätt er auch keine treue Copie
des Basler Todtentanzes. Vielmehr hat der zeichnende Künstler
beliebt, mannigfache Willkürlichkeiten vorzunehmen.
Blatt No. 1 ist vom Beinhaus nur wenig sichtbar, und im
Frontispiz steht, statt der Scene des jüngsten Gerichts MEMENTO
MORI. Der offene Sarg am Boden fehlt, hingegen sind einige
Felsstücke und eine Mohnpflanze mit reifen Saamenkapseln hin-
zugethan. Der Prediger fehlt ganz.
No. 2. Beim Papst ist der Tod bekränzt, also Hug Klau-
bers Zuthat beibehalten; der Boden ist, wie auf allen folgenden
Blättern, frei und willkürlich behandelt.
No. 3. Beim Kaiser ist zum Reichsapfel noch ein Schwert
an den Boden gelegt, dagegen fehlt das charakteristische, ihm
aus der Hand fallende Scepter; Gürtel und Wehr sind verän-
dert, und aus dem nicht verstandenen Wetscher (kleinen Täsch-
chen) ist ein grosser reich verzierter Beutel geworden. Die
Krone ist anders, wie auf dem Urbild.
No. 4. Das Gewand der Kaiserin ist verändert; auf dem Ur-
bild (siehe Massmann's Ausgabe) und bei Merian hat sie auch
um die Aermel am Handgelenk Hermelinbesatz, hier hat sie eine
neumodische Manschette. Statt der offenen Krone bat sie eine
geschlossene.
No. 5. 6. sind bezüglich des Costüms bei König und Königin
noch mehr verändert.
Auch auf die Todtengestalten erstreckt sich die Verände-
rung; der oft aufgeschlitzt erscheinende Unterleib ist mit Fleisch
bekleidet, oft verschleiert und ästhetisirt. Selbst mit noch vor-
handenen Augen erscheint einigemal der Tod. Es würde zu
weit führen, alle Veränderungen und Willkürlichkeiten bei die-
sen Copieen nachzuweisen, wie die Vorgänger sie zum Theil
auch geübt, aber durch dieselben und durch das Ueberschweifen
in das Gebiet des Grotesken, das auf manchen der Bilder vor
Augen tritt, jenes der Einfachheit, der künstlerischen Würde
und Schönheit verHessen. Doch dies möchte alles noch gelten.
Warum sollte ein Künstler nicht nach vorhandenen alten Bildern
neue schaffen und nach eigener Phantasie ihnen Gestalt und Ge-
wandung abändernd geben? Allein hier ist man noch weiter
gegangen. Statt des Blutvoigt der alten Bilderreihe erscheint
total anders ein Scharfrichter mit demgemässen neuen Ver-
sen, ebenso statt des Heiden ein Chinese(l), die Heidin
fehlt. Statt des Malers Hug Klauber, dessen Vorbilder dieser
Nachahmung dienten, erblicken wir eine ganz selbständige
Zeichnung. Herr Hieronymus Hess sitzt vor einer Staffelei,
darauf die aufgestellte Leinwand Gott Vater als Weltrichter mit
Schwert und Wage zeigt, und hinter welcher der Tod hervor-
schaut, darüber die erbaulichen Verse:
Der Tod zum Maler.
Hieronymus Hess lass's Malen stehn,
Der Weg ist dunkel, den wir gehn.
Ob auch Dein Herz im Tode bricht,
Dir winkt der ewigen Heiinath Licht.
Darunter:
Antwort des Malers.
Freund! tritt hervor, Du schreckst mich nicht,
Mich freut Dein blasses Angesicht;
Nach manchem bittern Erdenschmerz
Führt Deine Hand mich himmelwärts.
Die Malerin fehlt, ebenso Adam und Eva, welche in Me-
rian'schen Ausgaben den Beschluss machen, dagegen erscheinen
als neue Zuthaten noch Blatt 39 und 40 der Wirth und der
Schuster mit, wie es scheint, auch neuen Versen, wobei auf
dem ersten Blatt der Tod mit einem Pokal, auf dem zweiten
mit Knieriem und Schurzfell zu erschauen ist, und somit man-
gelt ein eigentlicher ästhetischer Schluss, was sollen Wirth und
und Schuster? Das Bild des Malers schlösse wohl am pas-
sendsten die Reihe. Die Textblätter enthalten zunächst die
deutschen Verse, die auch ober- und unterhalb der Bildblätter
stehen, nach Merian und wie bei Merian's Ausgaben, dann de-
ren metrische Ueberselzung in französischer und endlich in
englicher Sprache.