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der höchsten Blüthe der Kunst, dem Maler, und zwar einem
Holbein, der bekanntlich nicht gewohnt war, sich Zwang anlegen
zu lassen, hätte gegeben werden dürfen, und eine solche von
ihm befolgt worden wäre? — Beides Behauptungen, die doch
sichtlich nur auf Voraussetzungen beruhen.
Auf eben so gewagte Weise sucht er dann noch seine
Angaben mit Anderem zu belegen, so z. B. pag. 19 mit den
knöchernen Händen und dem Reibstein auf dem Wappen des
Todes in H. H.'s Holzschnitt-Todtentanz, worauf ihm aber im
Kunstblatt bereits geantwortet ist;
pag. 14 mit der „Richtigkeit, Sicherheit und Freiheit, ins-
besondere aber der genauen anatomischen Kenntniss des Skelets
im grossen Todtentanz ", womit jedoch nach meiner [Ansicht ge-
rade das Gegentheil zu beweisen wäre, indem sich beide Tod-
tentänze wesentlich eben dadurch unterscheiden, dass das Ske-
let im Holb. Holzschnitt als ächter Rippenmann eben so cha-
rakteristisch und gut, als es dagegen im grossen Todtentanz
anatomisch schlecht, übrigens fast durchweg noch mit Haut
bedeckt, und eines Holbein unwürdig dargestellt ist, was auch
jedem geübten Auge nicht entgehen kann;
pag. 13 mit den runden Formen, die „vor Holbein nicht
da gewesen." Aber wer sagt denn, dass dieser Todtentanz
nur von einem jener steifen und magern Maler der alten ober-
deutschen Schule herrühren könne? Kennen wir denn den
Stil der verschiedenen Schulen des XV. Jahrhunderts und die
Möglichkeiten einer vielleicht sehr besondern, persönlichen
Kunstentwicklung so genau ? Und wie dann, wenn der Todten-
tanz überhaupt noch einer Zeit und Kunststufe angehörte, welche
von dem Scharfen und dem Eckigen, von den harten Falten-
brüchen u. s. w. der von Eyk'schen Schule noch unberührt war?
pag. 15 mit den Kleidertrachten, womit er sich nach mei-
nem Dafürhalten vergeblich abmüht, und wogegen ich nur wie-
derhole, was ich im Intelligenzblatt schon bemerkt, dass höchst
wahrscheinlich schon H. Hug. Klauber oder Kluber bei seiner
Uebermalung des ganzen Todtentanzes im Jahre 1568, nach
Sitte seines Zeitalters sich erlaubt hat, die Trachten seiner
restaurirten, gleichwie seiner neuen Figuren denen seiner Zeit
anzupassen, daher die auffallende Vermischung von alt und neu.
Ueber diese Trachten schreibt mir einer unserer tüchtig-
sten und in alter Kunst bewandertsten schweizerischen Histo-
rienmaler, der auch meine Ansichten über unsern Grossbasler
Todtentanz vollkommen theilt: „Es beweis't mir (trotz allem,
was Hr. F. Fischer gerade in dieser Beziehung anführt) das
Kostümliche, dass er gewiss im Irrthum ist, und ich glaube
aus meiner Kunstsammlung, sowie mit Hillweisung auf ältere
Holzschnitte, Miniaturen und Monumente jeder Art die Ueber-
einstimmung mit den Trachten um die Mitte des XV. Jahrhun-
derts erweisen zu können. Die kurzen, weiten, tiefgegürteten
Wämser, die Schnabelschuhe (mit Holzschuhen darunter bei der
Edelfrau und dem Doktor), der knapp anliegende ungegürtete
Rock bei der Kaiserin, die Kopfbekleidung beim Herold und Grafen
(ganz wie sie auf der Bibliotheque royale in Paris in einem
prachtvollen Froissard mit vielen Miniaturen aus der Zeit Louis XI.
häufig vorkommt), so wie die eichenlaubähnlichen Ausschnitte,
die beim Ritter, dessen Rüstung auch mehr von 1400 ist, beim Edel-
mann und am Kopf des Jünglings vorkommen, und besonders
in der ersten Hälfte des XV. Jahrh. üblich waren, alles dies ist
Kostüm jener frühern Zeit. Wenn die Königin, der Bürger-
meister u. s. w. etwas vom XVI. Jahrhundert an sich haben, ja
sogar die Jungfrau in M. Merian und der Hut des Todes beim
Blinden selbst an Rubens' Zeit erinnern, so weiss der Him-
mel, was sich der gute Klauber für Freiheiten, besonders da
erlaubt hat, wo einzelne Figuren ganz zerstört waren, — und
Sie weisen in Ihrer Widerlegung als auf ein Beispiel, wie es
bei solchen Uebermalungen meist hergeht, auf die übermalten
Bockschen Rathhausbilder hin."
Auf Autoritäten wie Ulr. Hegner und Prof. Massmann nimmt
unser gelehrter Widersacher nur geringe Rücksicht; ja er macht
Letzterem sogar das Compliment, „sein Urtheil möge die ein-
stimmige Annahme der neuern und namentlich der schwei-
zerischen Kunstkenner befangen gehalten haben." — So sind
denn doch die sämmtlichen Schweiz. Kunstkenner auch nicht
seiner Meinung, wohl etwa auch befangen. Es ist schon vor
mir als bezeichnend bemerkt worden, dass nur Historiker,
Dichter, kurz Literaten, denen eigentlich künstlerische Beur-
theilung oft abgeht, den Basler Todtentanz dem H. H. vindi-
cirt, und schon früh beide fraglichen sogar mit dem Klingen-
thaler und N. Manuel'schen vermengt und verwechselt haben,
dass hingegen von jeher die ausübenden Künstler und wirk-
lichen Kunstkenner entgegengesetzter Meinung waren.
Den Restaurator des Todtentanzes von 1568, H. Hug. Kluber
betitelt Hr. Prof. F. als „einen ziemlich steifen und geschmack-
losen Pinsler". — Zu dem bereits von mir darauf Bemerkten im
Intelligenzblatt will ich nur beifügen, dass, wer dessen Bild und
das seiner Frau und seines Kindes nur aus dem M. Merian'schen
Todtentanz kennt, doch schwerlich dieser Meinung wird bei-
treten können. Der tüchtige Merian nennt diesen H. H. Klauber
„einen guten Maler", und „weil an selber langen Mauren noch
mehr Platz übrig war, hat man zur Gedächtnuss dero in
Anno 1529 kurz vorhergegangenen Reformation die Bildnuss
des Gottseligen und gelehrten Mannes Johannis Oekolampadii
dahin malen lassen, wo dann auch zu Ende dieses Todtentanzes
nach solchen alten Gemählden der gedachte Maler sich Selbsten
samt seinem Weib und Kindern nach dem Leben, in solcher
Tracht und Kleidung, wie damals bräuchlich, abgemahlet hat."
Damit widerspricht aber der alte Merian gänzlich der Behaup-
tung unsers Herrn Prof. F. pag. 17. „Kluber habe als Restaura-
tor des Todtentanzes sich die Freiheit genommen, sein eigenes
Bildniss an die Stelle des Malers zu setzen." — Wer es nun
besser weiss, lasse ich um so lieber dahin gestellt, als diese
Frage eigentlich nur Nebensache ist, da wo es sich haupt-
sächlich um die Entstehungszeit und den Meister des Grossbasler
Todtentanzes handeln soll.
In Betreff nun aber dieses Meisters, für den Hr. Prof. F.
keinen Andern als H. H. d. J. mit aller Bestimmtheit bezeichnet,
so bin ich, die Sache auch rein vom künstlerischen Gesichts-
punkt aus betrachtet, der decidirtesten Gegenmeinung mit ihm.
Durchweg vermisse ich in diesem Todtentanz Holbein'sche Art,
Stil, Zeichnung, kurz alles was Holbein charakterisirt, zumal
in den Figuren mit alter, vorholbeinscher Tracht, mögen sie
auch sonst gewiss nicht ohne entschiedenes Verdienst gewesen
sein. Mein Auge sagt mir, dieser Todtentanz und der Holz-
schnitt-Todtentanz Holbein's können nicht von einem und dem-
selben Meister herrühren. Ich lasse übrigens hier auch noch
gedachten schweizerischen Historienmaler für mich reden: „Es
ist die Auffassungs- und Kompositionsweise, schreibt er, in
beiden Todtentänzen himmelweit verschieden, im Mauertodtent.
einfach, derb, sich in den Motiven vielfach wiederholend, doch
meist von tüchtiger Zeichnung, sogar einige graziöse Figuren,
(z. B. die Herzogin), auch von guter Bewegung, was man aber
bei Meistern des XV. Jahrhunderts auch schon findet, besonders
den altniederländischen, und welch schönen Schwung gaben
nicht schon die Altdeutschen aus der frühern Schule ihren
Figuren? — Im Holzschnitt-Todtent. aber ist eine weit ausge-
bildetere, phantasie- und kunstreichere Zeichnung, kurz acht
Holbein'scher Geschmack und Humor."
Und somit resumire ich mich denn schliesslich auf Vor-
stehendes, um zu zeigen, warum auch ich mit Hrn. Prof; F. in
der höchsten Blüthe der Kunst, dem Maler, und zwar einem
Holbein, der bekanntlich nicht gewohnt war, sich Zwang anlegen
zu lassen, hätte gegeben werden dürfen, und eine solche von
ihm befolgt worden wäre? — Beides Behauptungen, die doch
sichtlich nur auf Voraussetzungen beruhen.
Auf eben so gewagte Weise sucht er dann noch seine
Angaben mit Anderem zu belegen, so z. B. pag. 19 mit den
knöchernen Händen und dem Reibstein auf dem Wappen des
Todes in H. H.'s Holzschnitt-Todtentanz, worauf ihm aber im
Kunstblatt bereits geantwortet ist;
pag. 14 mit der „Richtigkeit, Sicherheit und Freiheit, ins-
besondere aber der genauen anatomischen Kenntniss des Skelets
im grossen Todtentanz ", womit jedoch nach meiner [Ansicht ge-
rade das Gegentheil zu beweisen wäre, indem sich beide Tod-
tentänze wesentlich eben dadurch unterscheiden, dass das Ske-
let im Holb. Holzschnitt als ächter Rippenmann eben so cha-
rakteristisch und gut, als es dagegen im grossen Todtentanz
anatomisch schlecht, übrigens fast durchweg noch mit Haut
bedeckt, und eines Holbein unwürdig dargestellt ist, was auch
jedem geübten Auge nicht entgehen kann;
pag. 13 mit den runden Formen, die „vor Holbein nicht
da gewesen." Aber wer sagt denn, dass dieser Todtentanz
nur von einem jener steifen und magern Maler der alten ober-
deutschen Schule herrühren könne? Kennen wir denn den
Stil der verschiedenen Schulen des XV. Jahrhunderts und die
Möglichkeiten einer vielleicht sehr besondern, persönlichen
Kunstentwicklung so genau ? Und wie dann, wenn der Todten-
tanz überhaupt noch einer Zeit und Kunststufe angehörte, welche
von dem Scharfen und dem Eckigen, von den harten Falten-
brüchen u. s. w. der von Eyk'schen Schule noch unberührt war?
pag. 15 mit den Kleidertrachten, womit er sich nach mei-
nem Dafürhalten vergeblich abmüht, und wogegen ich nur wie-
derhole, was ich im Intelligenzblatt schon bemerkt, dass höchst
wahrscheinlich schon H. Hug. Klauber oder Kluber bei seiner
Uebermalung des ganzen Todtentanzes im Jahre 1568, nach
Sitte seines Zeitalters sich erlaubt hat, die Trachten seiner
restaurirten, gleichwie seiner neuen Figuren denen seiner Zeit
anzupassen, daher die auffallende Vermischung von alt und neu.
Ueber diese Trachten schreibt mir einer unserer tüchtig-
sten und in alter Kunst bewandertsten schweizerischen Histo-
rienmaler, der auch meine Ansichten über unsern Grossbasler
Todtentanz vollkommen theilt: „Es beweis't mir (trotz allem,
was Hr. F. Fischer gerade in dieser Beziehung anführt) das
Kostümliche, dass er gewiss im Irrthum ist, und ich glaube
aus meiner Kunstsammlung, sowie mit Hillweisung auf ältere
Holzschnitte, Miniaturen und Monumente jeder Art die Ueber-
einstimmung mit den Trachten um die Mitte des XV. Jahrhun-
derts erweisen zu können. Die kurzen, weiten, tiefgegürteten
Wämser, die Schnabelschuhe (mit Holzschuhen darunter bei der
Edelfrau und dem Doktor), der knapp anliegende ungegürtete
Rock bei der Kaiserin, die Kopfbekleidung beim Herold und Grafen
(ganz wie sie auf der Bibliotheque royale in Paris in einem
prachtvollen Froissard mit vielen Miniaturen aus der Zeit Louis XI.
häufig vorkommt), so wie die eichenlaubähnlichen Ausschnitte,
die beim Ritter, dessen Rüstung auch mehr von 1400 ist, beim Edel-
mann und am Kopf des Jünglings vorkommen, und besonders
in der ersten Hälfte des XV. Jahrh. üblich waren, alles dies ist
Kostüm jener frühern Zeit. Wenn die Königin, der Bürger-
meister u. s. w. etwas vom XVI. Jahrhundert an sich haben, ja
sogar die Jungfrau in M. Merian und der Hut des Todes beim
Blinden selbst an Rubens' Zeit erinnern, so weiss der Him-
mel, was sich der gute Klauber für Freiheiten, besonders da
erlaubt hat, wo einzelne Figuren ganz zerstört waren, — und
Sie weisen in Ihrer Widerlegung als auf ein Beispiel, wie es
bei solchen Uebermalungen meist hergeht, auf die übermalten
Bockschen Rathhausbilder hin."
Auf Autoritäten wie Ulr. Hegner und Prof. Massmann nimmt
unser gelehrter Widersacher nur geringe Rücksicht; ja er macht
Letzterem sogar das Compliment, „sein Urtheil möge die ein-
stimmige Annahme der neuern und namentlich der schwei-
zerischen Kunstkenner befangen gehalten haben." — So sind
denn doch die sämmtlichen Schweiz. Kunstkenner auch nicht
seiner Meinung, wohl etwa auch befangen. Es ist schon vor
mir als bezeichnend bemerkt worden, dass nur Historiker,
Dichter, kurz Literaten, denen eigentlich künstlerische Beur-
theilung oft abgeht, den Basler Todtentanz dem H. H. vindi-
cirt, und schon früh beide fraglichen sogar mit dem Klingen-
thaler und N. Manuel'schen vermengt und verwechselt haben,
dass hingegen von jeher die ausübenden Künstler und wirk-
lichen Kunstkenner entgegengesetzter Meinung waren.
Den Restaurator des Todtentanzes von 1568, H. Hug. Kluber
betitelt Hr. Prof. F. als „einen ziemlich steifen und geschmack-
losen Pinsler". — Zu dem bereits von mir darauf Bemerkten im
Intelligenzblatt will ich nur beifügen, dass, wer dessen Bild und
das seiner Frau und seines Kindes nur aus dem M. Merian'schen
Todtentanz kennt, doch schwerlich dieser Meinung wird bei-
treten können. Der tüchtige Merian nennt diesen H. H. Klauber
„einen guten Maler", und „weil an selber langen Mauren noch
mehr Platz übrig war, hat man zur Gedächtnuss dero in
Anno 1529 kurz vorhergegangenen Reformation die Bildnuss
des Gottseligen und gelehrten Mannes Johannis Oekolampadii
dahin malen lassen, wo dann auch zu Ende dieses Todtentanzes
nach solchen alten Gemählden der gedachte Maler sich Selbsten
samt seinem Weib und Kindern nach dem Leben, in solcher
Tracht und Kleidung, wie damals bräuchlich, abgemahlet hat."
Damit widerspricht aber der alte Merian gänzlich der Behaup-
tung unsers Herrn Prof. F. pag. 17. „Kluber habe als Restaura-
tor des Todtentanzes sich die Freiheit genommen, sein eigenes
Bildniss an die Stelle des Malers zu setzen." — Wer es nun
besser weiss, lasse ich um so lieber dahin gestellt, als diese
Frage eigentlich nur Nebensache ist, da wo es sich haupt-
sächlich um die Entstehungszeit und den Meister des Grossbasler
Todtentanzes handeln soll.
In Betreff nun aber dieses Meisters, für den Hr. Prof. F.
keinen Andern als H. H. d. J. mit aller Bestimmtheit bezeichnet,
so bin ich, die Sache auch rein vom künstlerischen Gesichts-
punkt aus betrachtet, der decidirtesten Gegenmeinung mit ihm.
Durchweg vermisse ich in diesem Todtentanz Holbein'sche Art,
Stil, Zeichnung, kurz alles was Holbein charakterisirt, zumal
in den Figuren mit alter, vorholbeinscher Tracht, mögen sie
auch sonst gewiss nicht ohne entschiedenes Verdienst gewesen
sein. Mein Auge sagt mir, dieser Todtentanz und der Holz-
schnitt-Todtentanz Holbein's können nicht von einem und dem-
selben Meister herrühren. Ich lasse übrigens hier auch noch
gedachten schweizerischen Historienmaler für mich reden: „Es
ist die Auffassungs- und Kompositionsweise, schreibt er, in
beiden Todtentänzen himmelweit verschieden, im Mauertodtent.
einfach, derb, sich in den Motiven vielfach wiederholend, doch
meist von tüchtiger Zeichnung, sogar einige graziöse Figuren,
(z. B. die Herzogin), auch von guter Bewegung, was man aber
bei Meistern des XV. Jahrhunderts auch schon findet, besonders
den altniederländischen, und welch schönen Schwung gaben
nicht schon die Altdeutschen aus der frühern Schule ihren
Figuren? — Im Holzschnitt-Todtent. aber ist eine weit ausge-
bildetere, phantasie- und kunstreichere Zeichnung, kurz acht
Holbein'scher Geschmack und Humor."
Und somit resumire ich mich denn schliesslich auf Vor-
stehendes, um zu zeigen, warum auch ich mit Hrn. Prof; F. in