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271

schmiegt sich ein Weib, dessen Leib in einen Schlangenschweif
ausgeht; den Wagen zieht ein Bock, den eine kleine geflügelte
Amorette auf einem Steckenpferde am Zaume führt. Offenbar
geisselt diese Allegorie den Hochmulh und die Eitelkeit der
Machthaber und wird noch verstärkt durch den Gegensatz, dass
oben über Wolken in stiller Glorie Christus thront, zu dessen
Füssen ein Engel den Drachen tödtet. Aehnliche Contraste fin-
den wir auf einem andern Blatte: unten ein dickbäuchiger Silen,
auf einem Fasse sitzend und zechend, während ein Panisk dazu
inusizirt; oben ein betender Engel mit einem Adler: der Ge-
gensatz zwischen niedrer Sinnesweise und höherem geistigen
Streben.

In den letzterwähnten Zeichnungen begegnen sich schon
das derb Reale und das Ideale. In ungetrübter Reinheit er-
scheint letzteres in den Darstellungen bloss christlichen Inhaltes.
Da herrschen in der Gewandung klare, grosse Motive; selten
tritt jene unangenehme Manier wunderlicher Brüche und Ecken
hervor, die sonst bei Dürer nicht selten den edlen Eindruck
stört. Auch die Gesichter zeigen, wie die Gestalten, Adel und
hohe Schönheit; die nackten Körper, die mitunter vorkommen,
sind meistens richtig und schön gezeichnet.

Bemerkenswerth sind noch einige Darstellungen, in sofern
in ihnen Gestalten antiker Kunst und Mythologie sich zwischen
christliche Motive drängen. Satyre kommen mehrmals vor; vom
Silen sprachen wir oben. Oefter erscheinen Genien; einmal
spielt ein auf einer Schnecke reitender Genius Cither vor der
Mutter Christi; ein anderer breitet vor dem auf einem Esel ein-
herziehenden Christuskinde Decken, aus. Herkules kommt zwei-
mal vor. Die christlichen Darstellungen haben sich der Figur
des altgriechischen Heroen schon früh mit Vorliebe bemächtigt.
Im Kampfe mit den Harpyien, wie ihn auch hier ein Blatt zeigt,
kommt er um 1500 mehrmals auf Gemälden vor und bedeutet
den siegreichen Kampf gegen die Laster. Derselbe findet sich
auf einem Deckengemälde von Pietro da Cortona im Palast Bar-
berini. Die andere Dürer'sche Zeichnung stellt den griechi-
schen Halbgott dar, wie er eben den Löwen getödtet hat. Dies
wird in verwandter allegorischer Deutung zu nehmen sein.

Zum Schlüsse sei noch eines Blattes gedacht, welches der
Künstler in gerechtem Selbstbewusstsein sehr sinnreich zu sei-
ner eigenen Apotheose benutzt hat. Es zeigt das Schweisstuch
der Veronica mit ausdrucksvollem dornengekröntem Christus-
kopfe, als Symbol malerischer Darstellung. Nebenan hält ein
Genius einen Lorberkranz, in welchem Dürer's Monogramm
prangt.

Wir brauchen Nichts hinzuzusetzen, um die köstlichen,
reichhaltigen Zeichnungen, die nun durch die gelungenen Nach-
bildungen des Lithographen Gemeingut werden können, allen
Kunstfreunden zu empfehlen. Die Ausführlichkeit unsrer Be-
sprechung, obwohl sie auch so nur einen Abriss des überrei-
chen Stoffes giebt, wird hoffentlich durch die Bedeutsamkeit des
Gegenstandes gerechtfertigt erscheinen. w. Iiülihe.

Zeitung.

0tffdtl)ollu*, 3. August. Dr. Marilignis, Professor an der
Königl. Akademie der schönen Künste, hat sich der ihm über-
tragenen Mission, die Insel Gothland in Rücksicht auf Ueber-
reste alter Kunst zu erforschen, zu grosser Befriedigung ent-
ledigt. In den achtzehn Monaten, welche er diesen Untersu-
chungen widmete, hat er mehr als tausend Gemälde und Sculp-
turen, dem Zeitraum vom 8. bis 16. Jahrhundert angehörend,
entdeckt. Besonders ergiebig war die Erforschung der im Laufe
des 8. und 12. Jahrhunderts errichteten Kirchen und Kapellen.

Die hier befindlichen Gemälde waren mit dicken Gipslagen
überdeckt, welche erst mit vieler Mühe fortgeschafft werden
mussten. Die Resultate des Herrn Marilignis sollen auf Kosten
der Regierung veröffentlicht werden.

=fc ConSotl, im August. Die diesjährige 82ste Ausstellung
der Royal Academy zeigt einen grösseren Fortschritt der eng-
lischen Maler, als wir es in früheren Jahren gewahr wurden;
sie zeigt aber auch die grossen Schwächen und Mängel der
Schule schärfer und bestimmter. Man kann nicht läugnen, dass
die Engländer grosses Gefühl für Farbe besitzen, dass sie einen
Glanz in ihre Malerei zu legen wissen, die gegen die deutsche
Manier überraschend absticht, andererseits aber ist ihre Zeich-
nung mangelhaft, kraftlos und ein wahrhaft genialer Schwung
der Composition tritt seihst bei sehr wenigen ihrer Meister nur
selten hervor.

Im vorigen Jahre vermisste man in der Ausstellung die be-
deutenderen Namen, die sonst wohl die englische Schule reprä-
sentiren, ganz, diesmal dagegen haben die Royal Academicians
ihre Prärogative, 8 Bilder auf die besten Plätze zu hängen,
fleissig beansprucht, so dass die spärlichen Räume schnell ge-
fülltwaren, und, wie man behauptet, 1400 Gemälde aus Mangel
an Raum zurückgewiesen werden mussten. Dieses höchst trau-
rige Resultat des Raumes wird auch als ein Aergerniss fortbe-
stehen, bis die Royal Academy sich entschliessen wird, den
östlichen Flügel der National-Gallery zu räumen, den sie jetzt
inne, an dessen Besitz sie aber keine besonderen Ansprüche
hat. Künstler und Publikum haben die Sache dieser quasi-Aka-
demie, die aus der Kunst ein Privat-Monopol für Titel, Rang
und Würden zu machen trachten, soweit in die Hand genommen,
dass selbst das Parlament die Angelegenheit ernstlich berathen
hat, um die Akademie, die jetzt eine Privat-Gesellschaft ist und
ohne besondere Würde dasteht, in ein Staats-Institut umzuwan-
deln; dann wird der Akademie wahrscheinlich ein besonderes
Gebäude zu Theil werden und die stets wiederkehrenden ge-
rechten Klagen, die sich jetzt von allen Seiten gegen die Aka-
demie und ihre Vertreter erhoben, auch beseitigt werden.

Das geschichtliche Genre ist in diesem Jahre verdienstlich
vertreten, wir finden von W. E. Frost mehreres Gute, worunter
Cupido's Entwaffnung in Anordnung und Farbe namentlich zu
nennen ist. Auch F. R. Pickersgill, G. Patten, R. Redgrave,
C. W. Cope haben verdienstliche Arbeiten geliefert, wiewohl
ihre Manier eine zu echt englische ist, Um dauernd anzusprechen.
Pickersgill's „Samson betrayed" ist indessen voll von Kraft, und
Composition und Colorit liefern den Beweis, dass er ein Meister
ist. Vielfach besprochen werden die beiden Gemälde von East-
lake, von dem in den letzten Jahren nichts Bedeutendes sicht-
bar wurde. Sein „guter Samariter" zeigt uns, dass Eastlake
stationär geblieben, und dass seine Fleischtöne gekünstelt und
ängstlich geworden sind; die Verzagtheit, mit der die Schatten
so zu sagen hineingetüpfelt sind, giebt seinen Bildern ein mo-
notones , ängstliches Aussehen, und die Energielosigkeit in der
Behandlung der Gewänder, Stoffe und der Staffage überhaupt
macht seine Bilder flach. Sein zweites Bild „Francesco Novello di
Carrara auf der Flucht" hat dieselben Schwächen; es fehlt bei
aller guten Anordnung der eigentliche Nerv, und man fühlt dies
um so mehr, als die Farbe und Ausführung der Composition so
weit nachsteht. C. R. Leslie der Akademiker hat ebenfalls in
diesem Jahre nichts besonderes geliefert; das Bild von Tom
Jones ist ein ganz unerfreuliches sowohl in Composition wie in
der Farbe, und seine Scene aus Heinrich VIII. trägt den Stempel
des Unfertigen. Maclise's Spirit of Justice, in dem neuen Par-
lamentshause al fresco gemalt, zeigt uns das entschiedene Talent
dieses Künstlers für historische Composition, er schwingt sich
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