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mit zum grossen Theil ergänzten Reliefs bedeckt. Und so Er-
gänzung über Ergänzung. Warum lächeln Sie nicht mehr? Ist
es Ihnen nach gerade ausser Spass, wie hier eine Fülle von
Material vergeudet worden ist, um im Grunde nichts zu Stande
zu bringen, als — eine artige Spielerei? — Kommen Sie wei-
ter, es ist hier etwas beschränkt..

Der Saal, wo die Mumien aufgestellt sind, ist geräumig
und einfach. Leider erhält. er von der Seite des Hofes ein
verkümmertes Licht,- und die kleinen Geräthe, die hier aufge-
stellt sind, lassen sich übel betrachten. Die Schränke an den
Wänden sind noch nicht gefüllt. Was der Saal sonst enthält,
ist Ihnen aus dem alten ägyptischen Museum bekannt; wir
wollen also vorübergehn, da es uns vor Allem auf das neue
Gebäude ankommt.

Noch einmal durch das Gräbergemach und durch den Tempel.
Der Saal zur Rechten des Götzen heisst der historische. Die
Wände sind mit ägyptischen Malereien völlig bedeckt — mit
alten? Nein, man hat den Denon, Caillaud und Hoskins ge-
plündert. Aber warum ein so enormes Bilderbuch, das der Laie
angafft und der Gelehrte hier nicht sucht? Warum hier nur der
flüchtigen Neugier zu Willen gehandelt, Kinderschuhe der Kunst,
aus denen sie seit Jahrtausenden herausgewachsen, mit, so viel
Mühe frisch auflakirt, anstatt sie in ihrer ehrwürdigen verstaub-
ten ünscheinbarkeit hinzustellen? Mit Ihren Fragen! Das Volk,
das diese Räume als Laie durchwandelt, soll eine Anschauung
von diesem uralten Culturleben erhalten, da es die Prachtwerke
der Bonaparte'schen Expedition doch schwerlich zu Gesicht be-
kommt. — Das Hesse sich hören. Indessen — stehen die Früchte
dieser gewonnenen Anschauung mit den Anstrengungen, die sie
möglich machten, im Verhältniss? Ist das eine Frucht zu nen-
nen, dass der Laie am Ende Gott dankt, diesen Windeln ent-
ronnen zu sein? Und, wenn man mit denselben Kosten wahr-
hafte Kunstwerke erworben hätte, die einen modernen Sinn läu-
tern und erheben könnten, hätte man da nicht besser gethan?
— Das eine thun und das andere nicht lassen. Ob man besser
gethan hätte, muss die Zukunft lehren. Wer weiss, was dies
ägyptische Museum für wohllhätigen Einfluss auf unsere Cultur
noch üben wird. Einige Uebelstände sind freilich mit dieser
Einrichtung verbunden. Man kann nichts auf die Borten stellen,
die doch im Grunde zur Aufnahme der alten Reste bestimmt
sind, ohne die Bilder zu verdecken. Man wird schwerlich Raum
finden, auch nur einen kleinen Theil der wichtigen Papyrusrollen
schicklich auszubreiten, da die Wände schon bedeckt sind. Aber
was will das sagen? Man hat dafür so hübsche Bilder und die
frischen Farben stehen dem Saal weit besser, als die alten
Schnörkel der Schriftrollen ihn kleiden würden.

Aber im Grunde muss ich Ihnen Recht geben: Auf die AI-
terthümer und deren Aufstellung ist es bei all diesem am we-
nigsten abgesehn, die stehn sehr beiläufig herum, die sind, wenn
man will, mehr Decoration des Saales, als die Hauptpersonen,
denen zu Ehren der Saal gebaut wäre. Aber es giebt zwei
Definitionen von „Museum", nur durch zwei kleine Wörter un-
terschieden. Die erste: Ein Museum ist ein Gebäude, zur Auf-
nahme von Kunstdenkmälern bestimmt. Wie können Sie wissen,
ob man nicht hier die zweite Definition im Sinne hatte: Ein
Museum ist ein schönes Gebäude, auch zur Aufnahme von
Kunstdenkmälern bestimmt?" Kommen Sie weiter. Ich ver-
stehe mich wenig auf Hieroglyphen.

Wir treten wieder in die Säulenhalle hinaus, die künftig
der durch die Hauptpforte Eintretende zuerst passiren wird.
Eine noch mit Brettern verschlagene stattliche Treppe führt ge-
rade in die Höhe. Ein überaus grossartiger Raum, vielleicht
das colossalste Treppenhaus der Welt öffnet sich vor unsern
Blicken. Aber Sie dürfen sich beim Hinaufsteigen nicht diesem

Eindruck überlassen. Rings an der dreiseitigen Brüstungsmauer
der Treppe ist der wundervolle Amazonenfries von Phigalia
angebracht. Das ist ein Wite des Baumeisters. Er wollte nicht,
dass man den gewaltigen Raum stückweise beim Treppensteigen
nach und nach überschauen sollte, sondern erst wenn man oben
stände. Darum fasste er die Brüstung mit diesem herrlichen
Relief ein; freilich verdiente es einen bessern, selbständigem
Platz, anstatt den einer blossen Decoration; freilich werden
einige Theile zu sehr aus der Ferne, zu sehr von unten, an-
dere zu nah gesehen, andere endlich nur, wenn man sich auf
der Treppe förmlich ansiedelt. Aber wie gesagt, der Baumei-
ster hatte seine Gründe, und, wie es scheint, er hatte Voll-
macht, alles Andre, noch so Wichtige, seinen Gründen unter-
zuordnen.

Nun stehn wir also auf der obersten Stufe und dürfen um-
blicken. Fürwahr, ein imponirender Raum von den schönsten
Verhältnissen. Der Treppe gegenüber trägt ein Säulengang die
Galerie, die die Gemächer des Obergeschosses verbindet. Die
beiden Langwände zu den Seiten dieser Galerie sind für die
sechs grossen Kaulbach'schen Bilder bestimmt, die von den
zwei grossen Fenstern in den beiden schmalen Wänden ein
treffliches Seitenlicht erhalten werden. Einfache, geradlinige,
griechische Formen. Die Treppe wendet sich und führt in zwei
geraden Armen höher. Wo die Arme sich begegnen, steht ein
Karyatidentempel — was lächeln Sie wieder? Sie fragen, was
er da soll? Mein Gott, muss denn Alles, was hübsch aussieht,
einen Zweck haben? — In der Architektur allerdings. — Nun
so wissen Sie denn, dass es das sogenannte Pandroseion am
Erechtbeus-Tempel zu Athen ist. — Aber dort hat es seinen
schicklichen Platz im Zusammenhang mit dem Uebrigen. Hier,
als Treppenbekrönung mittenhingesetzt, unterbricht es die schöne
Weite des Raumes, bricht das Licht des einen Fensters und ist
wiederum nur Decoration.

Ich weiss Ihnen diese Bedenken nicht zu heben. Aber Sie
stecken mich an. Ich komme nun selbst mit Bedenken. Be-
trachten Sie das griechische Dach, griechisch, was die flache
Neigung der Giebelseiten betrifft. Denn dass man von innen
diesen Giebel und seine Construclion bemerkt, ist doch wohl
nicht griechisch. Aber nun weiter. Die Balken, die den Giebel
tragen, liegen unmittelbar auf dem Sims auf, der die Wände
abschliesst. Wer erwartet nicht, dass die Wände, diesem Ge-
bälk entsprechend, durch Pfeiler gegliedert, dass diese Pfeiler
durch vorspringende Kämpfergesimse als Träger der Balken
charakterisirt seien? Nichts von alle dem. Die Wände sind
völlig glatt, wir glauben ihnen nicht, dass sie die schwere
Dachconstruction ohne Gefahr tragen können. Aber mussten sie
nicht glatt sein, um die Bilder aufzunehmen? Allerdings. Dann
hätte man aber billiger Weise darauf verzichten sollen, das
Dachgebälk frei sichtbar werden zu lassen, hätte ein flaches
Bretterwerk auf die Hauptbalken legen können, und, wir sind
es überzeugt, für den Gesammteindruck des Treppenhauses wäre
dadurch viel gewonnen worden. Denn abgesehen von der dun-
keln, massenhaften Bemalung der Decke kommt noch etwas hin-
zu, sie drückend erscheinen zu lassen. Man hat auf die Quer-
balken schwere phantastische Thiergestalten, glänzend vergoldet,
Paar und Paar gegen einander gestellt. Welche Vermischung
der verschiedenen Stile! Pandroseion und griechische Weisse
der Treppenseiten und diese bunte ungeheuerliche Romantik!
Statt dessen denke man sich, dass der Raum so einfach be-
dacht wäre, wie seine Grundverhältnisse von der edelsten Ein-
fachheit sind, und man wird zugeben, dass die Kaulbach'schen
Bilder hundertmal grossartiger wirken würden pals einziger
Schmuck dieses mächtigen Raumes. Die alte Regel des guten
Geschmacks, dass der sich nicht schmückt, der sich über-
Bildbeschreibung
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