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besten niederländischen Miniaturen dieser Zeit auf gleicher
Höhe. Der Kalender enthält die auf die zwölf Monate bezüg-
lichen Beschäftigungen. Die Seite, worauf das erste Bild, die
Verkündigung Maria, mit dem, den meisten Bildern eignen, et-
was kurzen Verhältniss der Figuren, enthält als Verzierung des
unteren Randes in der Mitte eine Jungfrau, welche zwei furcht-
bare Drachen an Halsbändern hält, die zwei Wappen um den
Hals haben, und sich ohne Zweifel auf den Besteller des Buchs
beziehen. Das eine besteht aus drei Cardinalshüten, das an-
dere aus einer Weinrebe mit einer Traube, auf einem rothen,
blauen und weissen Felde. Die Initiale in dem Quadrat von
goldnem Körper und schwarzer Füllung, so wie die Randver-
zierung sind an Schönheit und Eleganz durchaus ersten Rangs.
Auf dem nächsten Bilde, der Heimsuchung, gleichen die Figu-
ren in den Köpfen von rundlicher Form und lieblichen Zügen,
so wie der Wurf der Falten, ganz der weiblichen Heiligen auf
dem Dombilde. Der Hintergrund ist hier als eine Landschaft
von hellem Ton leicht angedeutet. Auf der Anbetung der Kö-
nige sind die Köpfchen besonders fein. Der Mohrenkönig hat
Schnäbelschuhe an. Rei der Flucht nach Aegypten ist die An-
deutung einer heiteren Landschaft mit lichtem Horizont beson-
ders gelungen. Für die Gränze der idealisehen und realisti-
schen Weise, worauf dieses Denkmal steht, ist der König Da-
vid, als ein ritterlicher König jener Zeit vor den sieben Buss-
psalmen besonders bezeichnend. In einem 0 überraschen darin
dargestellte Verdammte, sowohl durch die Schönheit der Motive
(eine die Hände emporstreckende Frau ist in dieser Beziehung
des Raphaels würdig), als durch die Fülle, die gute Zeichnung
und die zarte Abrundung der Formen. Dasselbe gilt auch
von vier aufgespiessten der 10,000 Märtyrer in der reichen
Folge der Darstellung von Heiligen. Die heilige Ursula mit
ihrem Bräutigam, dem englischen Prinzen, von einem sehr lieb-
lichen Köpfchen, haben wieder im vollen Maasse das Gepräge
des Dombildes. Bis auf die verdorbene Geburt Christi ist die-
ses Kleinod vortrefflich erhalten.
Neue Beläge dafür, dass die Weise der altcölnischen Schule
in grosser Ausdehnung in Westphalen Eingang gefunden hatte,
gewähren folgende Bilder:
Zu Soest in der Kirche der Maria zur Wiesen. Ein Al-
tar, dessen Flügel die Verkündigung und die Anbetung der Kö-
nige, dessen Mitte den Tod der Maria darstellt. Von sieben
Engeln, welche das Haupt der sterbenden Jungfrau umschwe-
ben, nähert sich einer ihrem Munde, um die entschwebende
Seele zu empfangen. Oben in einem rothen Felde Gott Vater,
welcher die Seele in Kindesgestalt hält. Rechts klein der Stif-
ter, ein junger Canonicus. Der Grund golden. Sowohl die
feinen und edlen Köpfe in dem bekannten Charakter des Mei-
sters Wilhelm, als die sonstige Durchführung zeigen einen
tüchtigen Meister, der etwa um 1400 geblüht haben möchte.
In derselben Kirche ein anderer Altar mit Flügeln. In der
Mitte Christus, welcher die Maria krönt, auf den Flügeln Wald-
burg und Antonius der Abt. Der Kopf der Waldburg ist be-
sonders fein und edel, die Verhältnisse lang, die Hände schwach.
Die Ausführung möchte bald nach Anfang des 15. Jahrhunderts
fallen.
Zu Bielefeld in der neustädter Kirche der Hochaltar mit
Flügeln, unten mit der Jahreszahl M°CCCC° bezeichnet. In
der Mitte der Haupttafel die thronende Maria mit dem Kinde,
rechts stehend Petrus und Paulus, links die beiden Johannes,
unten sitzend, rechts drei männliche Heilige, unter denen ein
stattlicher Ritter in silberner Rüstung mit stark ausgeladener,
scharfer Nase, von einer Lokalbildung, welche man noch heute
in Westphalen findet, am meisten auffällt; links Barbara, Ca-
tharina, Dorothea und eine mir unbekannte Heilige. Oben am
Thron der Maria fünf Engel, als steinerne Standbilder gedacht.
Ausserdem enthält die Haupttafel noch zu jeder Seite drei, je-
der der Flügel aber neun Abtheilungen mit Vorgängen aus der
Bibel, von dem Verbot an Adam und Eva bis zum jüngsten
Gericht, deren einzelne Aufzählung ich hier indess unterdrücke.
Auch hier findet sich in der allgemeinen Kunstform jene Ueber-
einstimmung mit den dem Meister Wilhelm heigemessenen Bil-
dern , und sind hier die Ovale sehr rund und von starker Aus-
ladung und die einzelnen Theile darin sehr klein. Ueberhaupt
erkennt man hier, ungeachtet mancher guten, aber offenbar
traditionellen Composition und einzelner trefflicher Intentionen,
wie z. B. der Bewegungen von Adam und Eva, in allen Theilen
einen sehr schwachen und durchaus lokalen Meister.
Dasselbe gilt auch von der, einen ähnlichen Schulcharakter
verrathenden Staffel des Hochaltars in der Altstädter Kirche von
ungewöhnlichem Reichthum, indem sie in zwei Reihen, oben
als Brustbilder, Christus als Weltheiland zwischen Maria und
Johannes und die zwölf Apostel, darunter die Geburt, eine sehr
gute Vorstellung, die Anbetung der Könige, die Beschneidung
und die Darstellung im Tempel enthält. Nach den weit geöff-
neten Augen und der Behandlung der Gewänder mit sehr hellen
Lichtern, dürfte die Zeit dieser Staffel um einige Jahrzehnte
früher fallen, als obiges Gemälde. Anstatt des ursprünglichen,
wahrscheinlich von derselben Hand herrührenden Altarblattes
darüber, ist jetzt eines von etwa 1540 — 50 von einem recht
achtbaren Meister befindlich, welcher entschiedene Einflüsse des
Lucas von Leyden, des Patenier, des Sevart von Groningen
und des Aldegrever verräth.
In Warendorf, in der alten Kirche, ist ein Altarbild be-
merkenswerth, weil es in der künstlerischen Ausbildung zwi-
schen den Bildern in Westphalen und dem grossen Altar des
Meisters Jarenus aus Soest im Museum zu Berlin (No. 1212.
1233. 1234.) mitten inne steht. Dasselbe stellt auf dem rechten,
Flügel Pilatus, welcher die Hände wäscht, und die Kreuztra-
gung, in der Mitte in grosser Ausführlichkeit die Kreuzigung,
auf dem linken Flügel endlich die Beweinung des Leichnams
Christi und die Grablegung dar. Während auf der Kreuzigung
die heiligen Personen noch ganz den idealen Typus haben, und
auch die langen Verhältnisse, die Art der Falten und die ge-
brochenen Farben damit übereinstimmen, haben die jüdischen
Priester, namentlich aber die um den Mantel Christi würfelnden
Kriegsknechte schon sehr ausgebildete individuelle Züge. Uebri-
gens ist auch der Meister dieses Bildes, welches etwa 1420—
1430 fallen möchte, sehwach und von nur lokaler Bedeutung.
(Fortsetzung folgt.)
Die Reiterstatue Gottfried's von Bouillon in Brüssel.
Eines der bedeutendsten Kunstwerke, die in der letzten Zeit
die Künstlerwerkstätten Belgiens verlassen, ist unstreitig die
bronzene Reiterstatue Gottfried's von Bouillon in Brüssel, von
Simonis. Der Augenblick, den der Künstler zur Darstellung
des Helden gewählt hat, ist, wie er den Rittern, die sich un-
weit der Stadt Brüssel auf einem Berge versammelt, um zur
Befreiung des heiligen Grabes za ziehen, die Worte: „Gott
will es" zuruft. Auf dem nämlichen Platze, der heutigen Place
royale, ist Gottfried's Denkmal errichtet. Auf seinem edlen,
durch einen gewaltigen Bart gezierten Antlitze, das er gen
Himmel richtet, sieht man die Begeisterung, mit weleher er
den Kreuzfahrern diese', damals die ganze Christenheit entflam-
menden, Worte zuruft.
Das Pferd, welches jedes Schmuckes entbehrt, hält er ge-
sammelt zum Abmarsch. Angetrieben zum. Laufe durch den.
besten niederländischen Miniaturen dieser Zeit auf gleicher
Höhe. Der Kalender enthält die auf die zwölf Monate bezüg-
lichen Beschäftigungen. Die Seite, worauf das erste Bild, die
Verkündigung Maria, mit dem, den meisten Bildern eignen, et-
was kurzen Verhältniss der Figuren, enthält als Verzierung des
unteren Randes in der Mitte eine Jungfrau, welche zwei furcht-
bare Drachen an Halsbändern hält, die zwei Wappen um den
Hals haben, und sich ohne Zweifel auf den Besteller des Buchs
beziehen. Das eine besteht aus drei Cardinalshüten, das an-
dere aus einer Weinrebe mit einer Traube, auf einem rothen,
blauen und weissen Felde. Die Initiale in dem Quadrat von
goldnem Körper und schwarzer Füllung, so wie die Randver-
zierung sind an Schönheit und Eleganz durchaus ersten Rangs.
Auf dem nächsten Bilde, der Heimsuchung, gleichen die Figu-
ren in den Köpfen von rundlicher Form und lieblichen Zügen,
so wie der Wurf der Falten, ganz der weiblichen Heiligen auf
dem Dombilde. Der Hintergrund ist hier als eine Landschaft
von hellem Ton leicht angedeutet. Auf der Anbetung der Kö-
nige sind die Köpfchen besonders fein. Der Mohrenkönig hat
Schnäbelschuhe an. Rei der Flucht nach Aegypten ist die An-
deutung einer heiteren Landschaft mit lichtem Horizont beson-
ders gelungen. Für die Gränze der idealisehen und realisti-
schen Weise, worauf dieses Denkmal steht, ist der König Da-
vid, als ein ritterlicher König jener Zeit vor den sieben Buss-
psalmen besonders bezeichnend. In einem 0 überraschen darin
dargestellte Verdammte, sowohl durch die Schönheit der Motive
(eine die Hände emporstreckende Frau ist in dieser Beziehung
des Raphaels würdig), als durch die Fülle, die gute Zeichnung
und die zarte Abrundung der Formen. Dasselbe gilt auch
von vier aufgespiessten der 10,000 Märtyrer in der reichen
Folge der Darstellung von Heiligen. Die heilige Ursula mit
ihrem Bräutigam, dem englischen Prinzen, von einem sehr lieb-
lichen Köpfchen, haben wieder im vollen Maasse das Gepräge
des Dombildes. Bis auf die verdorbene Geburt Christi ist die-
ses Kleinod vortrefflich erhalten.
Neue Beläge dafür, dass die Weise der altcölnischen Schule
in grosser Ausdehnung in Westphalen Eingang gefunden hatte,
gewähren folgende Bilder:
Zu Soest in der Kirche der Maria zur Wiesen. Ein Al-
tar, dessen Flügel die Verkündigung und die Anbetung der Kö-
nige, dessen Mitte den Tod der Maria darstellt. Von sieben
Engeln, welche das Haupt der sterbenden Jungfrau umschwe-
ben, nähert sich einer ihrem Munde, um die entschwebende
Seele zu empfangen. Oben in einem rothen Felde Gott Vater,
welcher die Seele in Kindesgestalt hält. Rechts klein der Stif-
ter, ein junger Canonicus. Der Grund golden. Sowohl die
feinen und edlen Köpfe in dem bekannten Charakter des Mei-
sters Wilhelm, als die sonstige Durchführung zeigen einen
tüchtigen Meister, der etwa um 1400 geblüht haben möchte.
In derselben Kirche ein anderer Altar mit Flügeln. In der
Mitte Christus, welcher die Maria krönt, auf den Flügeln Wald-
burg und Antonius der Abt. Der Kopf der Waldburg ist be-
sonders fein und edel, die Verhältnisse lang, die Hände schwach.
Die Ausführung möchte bald nach Anfang des 15. Jahrhunderts
fallen.
Zu Bielefeld in der neustädter Kirche der Hochaltar mit
Flügeln, unten mit der Jahreszahl M°CCCC° bezeichnet. In
der Mitte der Haupttafel die thronende Maria mit dem Kinde,
rechts stehend Petrus und Paulus, links die beiden Johannes,
unten sitzend, rechts drei männliche Heilige, unter denen ein
stattlicher Ritter in silberner Rüstung mit stark ausgeladener,
scharfer Nase, von einer Lokalbildung, welche man noch heute
in Westphalen findet, am meisten auffällt; links Barbara, Ca-
tharina, Dorothea und eine mir unbekannte Heilige. Oben am
Thron der Maria fünf Engel, als steinerne Standbilder gedacht.
Ausserdem enthält die Haupttafel noch zu jeder Seite drei, je-
der der Flügel aber neun Abtheilungen mit Vorgängen aus der
Bibel, von dem Verbot an Adam und Eva bis zum jüngsten
Gericht, deren einzelne Aufzählung ich hier indess unterdrücke.
Auch hier findet sich in der allgemeinen Kunstform jene Ueber-
einstimmung mit den dem Meister Wilhelm heigemessenen Bil-
dern , und sind hier die Ovale sehr rund und von starker Aus-
ladung und die einzelnen Theile darin sehr klein. Ueberhaupt
erkennt man hier, ungeachtet mancher guten, aber offenbar
traditionellen Composition und einzelner trefflicher Intentionen,
wie z. B. der Bewegungen von Adam und Eva, in allen Theilen
einen sehr schwachen und durchaus lokalen Meister.
Dasselbe gilt auch von der, einen ähnlichen Schulcharakter
verrathenden Staffel des Hochaltars in der Altstädter Kirche von
ungewöhnlichem Reichthum, indem sie in zwei Reihen, oben
als Brustbilder, Christus als Weltheiland zwischen Maria und
Johannes und die zwölf Apostel, darunter die Geburt, eine sehr
gute Vorstellung, die Anbetung der Könige, die Beschneidung
und die Darstellung im Tempel enthält. Nach den weit geöff-
neten Augen und der Behandlung der Gewänder mit sehr hellen
Lichtern, dürfte die Zeit dieser Staffel um einige Jahrzehnte
früher fallen, als obiges Gemälde. Anstatt des ursprünglichen,
wahrscheinlich von derselben Hand herrührenden Altarblattes
darüber, ist jetzt eines von etwa 1540 — 50 von einem recht
achtbaren Meister befindlich, welcher entschiedene Einflüsse des
Lucas von Leyden, des Patenier, des Sevart von Groningen
und des Aldegrever verräth.
In Warendorf, in der alten Kirche, ist ein Altarbild be-
merkenswerth, weil es in der künstlerischen Ausbildung zwi-
schen den Bildern in Westphalen und dem grossen Altar des
Meisters Jarenus aus Soest im Museum zu Berlin (No. 1212.
1233. 1234.) mitten inne steht. Dasselbe stellt auf dem rechten,
Flügel Pilatus, welcher die Hände wäscht, und die Kreuztra-
gung, in der Mitte in grosser Ausführlichkeit die Kreuzigung,
auf dem linken Flügel endlich die Beweinung des Leichnams
Christi und die Grablegung dar. Während auf der Kreuzigung
die heiligen Personen noch ganz den idealen Typus haben, und
auch die langen Verhältnisse, die Art der Falten und die ge-
brochenen Farben damit übereinstimmen, haben die jüdischen
Priester, namentlich aber die um den Mantel Christi würfelnden
Kriegsknechte schon sehr ausgebildete individuelle Züge. Uebri-
gens ist auch der Meister dieses Bildes, welches etwa 1420—
1430 fallen möchte, sehwach und von nur lokaler Bedeutung.
(Fortsetzung folgt.)
Die Reiterstatue Gottfried's von Bouillon in Brüssel.
Eines der bedeutendsten Kunstwerke, die in der letzten Zeit
die Künstlerwerkstätten Belgiens verlassen, ist unstreitig die
bronzene Reiterstatue Gottfried's von Bouillon in Brüssel, von
Simonis. Der Augenblick, den der Künstler zur Darstellung
des Helden gewählt hat, ist, wie er den Rittern, die sich un-
weit der Stadt Brüssel auf einem Berge versammelt, um zur
Befreiung des heiligen Grabes za ziehen, die Worte: „Gott
will es" zuruft. Auf dem nämlichen Platze, der heutigen Place
royale, ist Gottfried's Denkmal errichtet. Auf seinem edlen,
durch einen gewaltigen Bart gezierten Antlitze, das er gen
Himmel richtet, sieht man die Begeisterung, mit weleher er
den Kreuzfahrern diese', damals die ganze Christenheit entflam-
menden, Worte zuruft.
Das Pferd, welches jedes Schmuckes entbehrt, hält er ge-
sammelt zum Abmarsch. Angetrieben zum. Laufe durch den.