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immer noch viel an ihnen. Das, was der Zerstörung Trotz ge-
boten hat, herauszufinden unter dem Schleier, den die Zeit und
die Menschenhand darüber geworfen hat, zu entdecken, ist ein
weit fruchtbareres Bemühen, als die eitele Kachweisung der
doch nicht verborgen bleibenden Verderbnisse. E, Braun.

Hans Btirgkmair's Turnierbuch.

Dieses, nicht allein wegen des Inhalts, sondern auch als
das Werk eines unserer bedeutendsten altern Maler, höchst
merkwürdige Buch, im Besitze des Fürsten von Hohenzollern-
Siegmaringen, stellt in einer Reihe von Gemälden in Wasser-
farben die bei verschiedenen Turnieren geübten Kämpfe zu Fuss
und zu Ross dar, wie solche im Laufe des XV. bis über die
Hälfte des XVI. Jahrhunderts im Gebrauch waren. Mehrere
Darstellungen enthalten solche Kampfspiele, welche als eigne
Erfindungen des ritterlichen Kaisers Maximilian I. ausdrücklich
angegeben sind und zeigen mitunter die Veränderungen der
Turnierkämpfe') in der Epoche, wo die ritterlichen Waffen-
übungen, durch Künsteleien in der Bewaffnung und in den ver-
schiedenen Kampfgattungen, bereits ihren ursprünglichen Ernst
verloren hatten und bald nachher in die Spielereien der Ringel-
rennen etc. ausarteten und ihr Ende erreichten.

Das Buch besteht aus 52 starken Papierblättern, von 14^
Zoll Höhe und 10 Zoll Breite. Der braune Ledereinband ist
anscheinend noch der ursprüngliche. Die bildlichen Darstel-
lungen, welchen jedesmal die Kampfesart und die Namen der
kämpfenden Ritter, auf der vorhergehenden Seite oder ober-
halb der Figuren, in deutscher Fracturschrift beigefügt sind,
nehmen nach der Grösse des Gegenstandes eine oder zwei
Seiten ein und sind mit scharfen Umrissen, in kräftigen Far-

1) Diese Kämpfe wareu so mannichfaltig, dass es zur Erläuterung der
Darstellungen erforderlich scheint, dieselben nach den alten Benennungen,
nach Fr. von Leber's Abhandlung über die Turniere, hier anzuführen.
A. Kämpfe zu Pferd: 1. der Kampf zu Ross mit dem Kolben, 2. derselbe
mit dem Schwert, a. Gesteche: 3. das altdeutsche Gestech in hohem Zeug,
4. das gemeine deutsche Gestech, 5. das Gestech im Beinharnisch, 6. das
watsche Gestech, 7. das deutsche Gesellengestech, 8. das wälsche Gesellen-
gestech, b. Rennen: 9. das wälsche Rennen mit Murnetten, 10. das
Gardebras- (Renn- oder Steehtartsche) rennen, 11. das alte Feldrennen, 12. das
Schwaifrennen (der Schwaif), 13. das Scharfreunen, 14. das Schiltrennen,
15. das Wulstrennen, 16. das Pfannenrennen, c. Rennen mit Künste-
leien: 17. das Bundrennen, 18. das Geschiftrennen, 19. dasScheibenrermen,
20. das Helmlerennen. B. Kämpfe ZU Fuss: 21. Kampf mit dem Aalspiess,
22. Kampf mit der Wurfhacke, 23. Kampf mit der Mordhacke, 24. Kampf
mit der langen Mordhacke (Helmbarte), 25. Kampf mit dem Kürissschwert,
und 26. Kampf mit dem Schlachtschwert. Bei den Gestechen hatte der Mann
in der Regel einen schweren Stechhelm, Brust und Rücken, den Diechhar-
nisch, und manchmal auch die Schienbeine in Eisen; bei andern Arten waren
Kniee und Schienbeine ohne Eisenscliutz. Die Lanze hatte eine Brechscheibe
(eine Art grossen Stichblattes) und einen Krönig (Lanzenspitze mit drei
oder mehreren Zacken). Bei den meisten Rennen dagegen hatte der Mann
den Rennhut, den eisernen Bart (Kinnblech), Brust- und Rückenstück, an
der Brust den Rüsthaken, um die Lanze einzulegen, den Diechharnisch, die
Beine in der Regel blos, jedoch durch die schweren Dülgen (Beinbedek-
kungen am Sattel angebracht) geschützt. Die Lanze hatte eine Schweb-
scheibe (gardebras flottant) und eine scharfe Spitze, ähnlich den Bolzenspitzen,
oder dreiseitig. Der Schutz der Pferde war hei verschiedenen Kämpfen ver-
schieden. Bald war die Kantz (Theil des Halses) eisern, bald nicht; bald
war die ganze Stirn (Rosskopf) mit Eisen bedeckt, bald nur die obere
Hälfte (Hauptstfick); bald waren sie geblendet (die Augen verdeckt), bäht
nicht. Bald war der Schweif geknotet, bald lang flatternd. Die Bedeckung
des Pferdes war entweder Seiden- oder Sammtstoff, oder Gold- und Silber-
Stück, oder Leder, oder Metall (stets nach Vorschrift) und halte besondere
Namen, je nach seinen einzelnen Theilen. Man hatte verschiedene Sättel
mit Steigledern und Stegreifen, wie Stech-, Renn- und Kürisssättel.

Ausser den angeführten Kampfarten gab es gegen Ende des XVI. Jahr-
hunderts noch eine Menge anderer, deren Angabe hier zu weitläufig ist.

ben, auf lichtem Hintergrunde ausgeführt. Häufig ist Gold und
Silber angewendet. Die Zeichnung trägt ganz das Gepräge der
Burgkmair'schcn Holzschnitte des Weisskunigs, aus weichein
sich sogar Mehreres hier wiederholt findet.

Auf der Seite 37 beginnen die Darstellungen des Gestechs
„übers Dill" (Barriere) zur Verherrlichung der am 9. Januar
1553 in Augsburg gehaltenen Hochzeit des Grafen Jacob von
Monfort mit Catharina Fugger. Burgkmair nennt sich hier aus-
drücklich den Schöpfer des Werks durch die Beischrift: „wie
ichs Hans Burgkmair maller abgemalt vnd ver-
tzaichnet hab". Derselbe hat also noch in gedachtem Jahre,
in einem Alter von 81 Jahren, gelebt, wodurch die Vermu-
thungen über seinen früher erfolgten Tod wegfallen und die
Angabe Stettens1), dass der Meister noch im Jahre 1550 im
Gerechtigkeitsbuche von Augsburg vorkomme, völlige Bestäti-
gung erhält.

Nach dieser allgemeinen Andeutung folgt hier die Beschrei-
bung der einzelnen Darstellungen mit ihren jedesmaligen Bei-
schriften.

S. 1. trägt in Fracturschrift folgenden Titel: „Ettliche wei-
lend des Allerdurchleuclitigisten hochmechtigisten Fürsten vnnd
herren herrn Maximilian Römischen Keysers p. p. hochloblich-
ster gedechtnus Ritterspile, zum tail durch Ir Maiestalt selbs
erfunden angeben vnd sonst mit anndern Irer maiestat gelegenn
zu lust vnd kurtzweil o-ebraucht werdenn."

S. 2. In einer Cartouche: „Bei Kay. Mai-zeittenn ist her
Anloni vonn Iffon oberster Durniermeister gewesen."

S. 3. Dieser Turniermeister zu Pferd, in blauer Rüstung
mit weissen Federn auf dem Barett und einer Lanze bewaffnet,
woran eine Tafel hängt: „Imp: Caes: Maximiliani aug: prae-
exercitamenla militaria."

S. 4. „Diso manier braucht man zum Durnier zu fuosz
iber die schranken mit spiess brechenn. Darnach mit den
schwertler annannder zw schlagenn.

S. 5. Zwei geharnischte Ritter zu Fuss mit Lanzen. Der
vordere mit weissen und rothen Federn auf dem Helm, der
hintere mit rothen und gelben Federn, in rothem Wappenzeug.

S. 6. „Dises ist ain felddurnier oder auff ainem platz, das
si die stangenn brechen darnach, mit den schwerttern einander
zu schlagen."

S. 7. Zwei gepanzerte Ritter zu Pferd mit aufgerichteten
Lanzen. Der vordere mit gelb und blauen, der andere mit
weissen Federn. Beide tragen Stahlharte. (Eisenstücke zur
Deckung des Kinns am Brustharnisch befestigt.)

S. 8. „Bey Kay: Maie: zeitenn ist herr Wolfgang von Bol-
heim Rennen vnd gestochmaister gewesenn."

S. 9. Dieser Gestechmeister zu Pferd mit einem Kranz im
Haar und einer grossen gelben Fahne in der Hand, worauf der
schwarze Doppeladler mit einem Herzschild mit dem österrei-
chischen Wappen.

* S. 10. „Diss ist das gemain scharff Rennen vnd wan man
wil so haist es denn schwaif gerennt vnd migen fallen."

S. 11. Zwei gepanzerte Ritler zu Pferde mit aufgerichteten
Lanzen. Das Pferd des vordem Ritters ist mit einer roth und
grün horizontal gestreiften Decke belegt, worauf die Figur
einer Bettlerin und abwechselnd die Buchstaben A und B.

S. 12. „Diss haist man das Bunnt Rennen vnd migenn
auch fallen, oder die dartzenn gannd hin Wegh."

S. 13. Zwei Ritter zu Pferde mit erhobenen Lanzen. Ueber
den Kopf des einen fliegt eine Tartsehe.

S. 14. „Disses haist mann das pfannen Rennen vnd ist gar
besorglich dann sie iniessen fallen."

1) v. Stetten, Kunst- und Haiulwerksgeschichte von Augsburg. Augsh.
1779, 8vo. S.276.
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