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Klonische Färbung, mit einer meistens sehr vernachlässigten und
unrichtigen Zeichnung, einer zu häufigen Anwendung der Schlan-
. genlinie, einer entschiedenen Hinneigung zum Baroken und einer
unbehililichen, klecksigen Ausführung verbinden, um Kunstge-.
bilde hervorzubringen, vor denen man keinenfalls gleichgültig
vorübergeht. Auch ist Chasseriau seit Jahren mit sehr bedeu-
tenden öffentlichen Arbeiten beaufträgt und in Folge der Aus-
stellung von 1849 mit dein Orden der Ehrenlegion belohnt wor-
den. Diesesmal hat er „Christus bei Martha und Maria", die
erstere ermahnend; dann „Desdemona", die sich von ihrer Kam-
merfrau entkleiden lässt; endlich „arabische Häuptlinge im Zwei-
kampfe unter den Wällen einer Stadt" dargestellt. Das beste
und befriedigendste der drei Bilder ist das letztere, wo der
Charakter dieser Söhne der Wüste mit grosser Treue, die un-
bändige Wuth der Kämpfenden aber mit ausserordentlicher Le-
bendigkeit und Schnellkraft der Bewegungen wiedergegeben ist.
Wie Chasseriau, mit dem er im Uebrigen nichts gemein
hat, ist Omer-Charlet ein abtrünniger Schüler Ingres'. Doch
hat er, obwohl die Strenge der Linie verlassend, immerhin eine
gewisse Allgemeinheit des Standpunktes und Adel in der Auf-
fassung festgehalten. Auf einer, für die Bedeutung und den
Gehalt des Bildes nur zu grossen Fläche, hat 0. Cli. in einer
Zusammenstellung von mehr als zwanzig lebensgrossen Figuren
die Idee der „Vergänglichkeit", nach den horazischen Worten:
„Eheu fugaces — — Labuniur anni!"1) ausgedrückt. Am
Ufer eines Flusses, der mit leichtem Fall durch sein felsiges
i Bett gleitet, unter Tempeltrümmern, sitzen die Vertreter der
verschiedenen Altersstufen: Kinder, die sich an Seifenblasen er-
götzen, heranwachsende Mädchen, Blumen windend; weiterhin
die beiden Geschlechter im harmlosen Genüsse des Weins und
der Liebe; endlich, den Kreis abschliessend, das Alter in ern-
ster Betrachtung. Die Aufgabe, die sich der Künstler in die-
ser Allegorie gesetzt, ist befriedigend gelöst; an deutlichen An-
spielungen auf die Flucht der Jahre und die Hinfälligkeit alles
Geschaffenen hat er es nicht fehlen lassen. Die Farbe des Bil-
des hat Frische, doch ermangelt sie der Feinheit im Ton, und
die Behandlung ist stumpf und ohne Reiz.
H. P. Picou, dessen wir voriges Jahr noch lobend er-
wähnten, entfernt sich immer mehr von der Anfangs einge-
schlagenen Bahn, und während im Jahre 1848 sein „Antonius
und Cleopatra auf dem Cydnus" in ihm eine Stütze der jungen
Schule erblicken Hessen, während besonders das Elegante, das
Freundliche und Anmuthige seinem Geschmacke zuzusagen schien,
sendet er dieses Jahr eine grosse Leinwand ein, worauf lar-
vengleiche Gebilde, der Unterwelt entstiegen, die schlangen-
haarigen „Erynnien" einem armen Sünder erscheinen, der sich,
wie im Todeskampfe, zu ihren Füssen krümmt. Die Farbe die-
ses Bildes, das in der Erinnerung schon wie ein Alp auf dem
Beschauer lastet, ist — wie sie sein soll — grau, ohne alle
Lebensfrische; das Ganze von pappdeckelnem Ansehn. — Doch
was bei diesem jungen Talente sicher nur ein Schwanken in
seinem Entwickefungsgange ist, das erscheint bei einer anderen
Klasse von älteren, ehedem mit Auszeichnung genannten Künst-
lern als entschiedene Schwäche und klägliche Verirrung, aus
der keine Rückkehr zu hoffen. So hat Abal de Pujol unter-
nommen, nach Hesiod's sinniger Dichtung „das Ende der Welt"
durch den Tod des Liebesgottes, worauf Alles in das Nichts
zurücksinkt und nur die unbewegliche Zeit übrig bleibt darzu-
stellen, hat aber, vom Geiste des Dichters völlig unberührt, seine
Aufgabe auf so hölzerne, so geschinack- und styllose Weise
gelöst, dass aus dem Ganzen ein lächerlich unwürdiges Zerrbild
geworden ist.— J. F. Gigoux' „büssende Magdalena", noch
1) II 14.
mehr aber seine „Galatea" könnten beinahe Zweifel an der Zu-
rechnungsfähigkeit dieses sonst so wackeren Künstlers aufkom-
men lassen. — Zum abschreckenden Beweise aber, wozu, bei
gänzlicher Entfernung von der Natur und Wahrheit, eine ge-
danken- und gefühllose Fertigkeit der Hand und eine geleckte,
kalte Vollendung führen kann, dienen H. Fr. Schopin's „Pa-
radies des Mahomet" und „Sardanapal's Scheiterhaufen". Eine
fröstige und schreiend bunte Färbung gesellt sich zu den an-
geführten negativen Eigenschaften, um aus diesen zwei Bildern
das Widerwärtigste und Abstossendste zu machen, was, unse-
res Erachtens, die Ausstellung enthält; was jedoch sicher diese
beiden sehr figurenreichen Compositionen nicht hindern wird,
durch den Kupferstich (in der Grösse der Urbilder) verewigt,
in tausend und aber tausend Hände zu kommen. Wenn wir uns
aber entschliessen, diese und ähnliche Urtheile auszusprechen,
so geschieht es einmal im gerechten Unwillen über diese Ent-
würdigung der Kunst, dann aber mit Rücksicht auf das mög-
liche Erscheinen solcher Werke in den Kunstsälen rheinischer
und anderer vaterländischen Städte, wo dann nicht selten, in
Folge einer ganz natürlichen Hinneigung zur Verallgemeinerung,
von. einer so verunglückten Leistung auf eine ganze Schule ge-
schlossen wird. Nirgends weniger aber, als hier, findet das
„ab uno disce omnes" seine Anwendung, indem in Frankreich
bei der unendlichen Mannigfaltigkeit der verschiedenartigsten
Richtungen, von einer Schule im gewöhnlichen Sinne und
somit von Uebereinstimmung, von gemeinschaftlicher Tendenz
und vollends von Verantwortlichkeit und Solidarität nicht im
Entferntesten die Rede sein kann.
Ein ähnliches Verdammungsurtheil, wie den Letztgenannten,
trifft auch den seit 30 Jahren thätigen J. Court, welcher im
Jahre 1827 durch eine ernstlich durchdachte und gewissenhaft
ausgeführte grosse historische Schöpfung, den Tod des Cäsar,
jetzt im Palaste Luxembourg, sich Ruhm und Ehre erwarb, seit-
dem aber, mit seinen reichen Gaben immer frecheren Missbrauch
treibend, sich leichten Kaufes in die Gunst der einsichtslosen
Menge einzuschmeicheln sucht und augenblickliche, wiewohl
sehr zweifelhafte Erfolge erzielt. Wie tief ein Künstler fallen
kann, der, einmal auf Abwege gerathen, sich immer weiter vom
Ziel entfernt, das beweisen die drei von Court ausgestellten
Nummern, ein grosses historisches Portrait des Erzbischofs von
Paris, die halbe Figur einer Römerin und ein drittes Bildniss
eines jungen Mädchens.
Um dieses Capitel mit einem Male abzuthun und was wir
auf dem Herzen haben auszusprechen, sei hier noch zweier we-
niger bekannten Künstler Erwähnung gethan, welche, in lebens-
grossen Verhältnissen, der eine, K. H erbsthoffer, eine „Ver-
suchung des heil. Antonius"; der andere, J. J. Lecurieux,
„Wilhelm von Aquilanien zu den Füssen des heil. Bernhard"
vorgestellt haben. Was sich nur geschmacklos Uebertriebenes,
Naturwidriges und Unwahres in der Zeichnung, Grelles in der
Färbung, praktisch Oberflächliches in der Behandlung denken
lässt, ist in diesen zwei Bildern vereinigt, von denen das letz-
tere ganz besonders eine auffallende Aehnlichkeit mit dein un-
erquicklich überladenen und manierirten Styl gewisser politisch-
allegorischen Zeichnungen darbietet, welche ein süddeutsches
Wochenblatt entstellen, das im Uebrigen der reichlich sprudeln-
den Quelle seiner gesunden Laune und seines schlagenden Wit-
zes einerseits, und den mannigfaltigen, von scharfer Beobach-
tungsgabe zeugenden, schlicht, wahr und trefflich in Holzschnitt
ausgeführten Bildern aus dem Leben andererseits, eine wohl-
verdiente Anerkennung und beispiellose Verbreitung verdankt.
Kehren wir nach dieser Abschweifung zu den historischen
Bildern zurück und suchen wir auf dem Gebiete der kirchlichen
Malerei, auf das wir unvermerkt gerathen sind, nach ach-
31 *
Klonische Färbung, mit einer meistens sehr vernachlässigten und
unrichtigen Zeichnung, einer zu häufigen Anwendung der Schlan-
. genlinie, einer entschiedenen Hinneigung zum Baroken und einer
unbehililichen, klecksigen Ausführung verbinden, um Kunstge-.
bilde hervorzubringen, vor denen man keinenfalls gleichgültig
vorübergeht. Auch ist Chasseriau seit Jahren mit sehr bedeu-
tenden öffentlichen Arbeiten beaufträgt und in Folge der Aus-
stellung von 1849 mit dein Orden der Ehrenlegion belohnt wor-
den. Diesesmal hat er „Christus bei Martha und Maria", die
erstere ermahnend; dann „Desdemona", die sich von ihrer Kam-
merfrau entkleiden lässt; endlich „arabische Häuptlinge im Zwei-
kampfe unter den Wällen einer Stadt" dargestellt. Das beste
und befriedigendste der drei Bilder ist das letztere, wo der
Charakter dieser Söhne der Wüste mit grosser Treue, die un-
bändige Wuth der Kämpfenden aber mit ausserordentlicher Le-
bendigkeit und Schnellkraft der Bewegungen wiedergegeben ist.
Wie Chasseriau, mit dem er im Uebrigen nichts gemein
hat, ist Omer-Charlet ein abtrünniger Schüler Ingres'. Doch
hat er, obwohl die Strenge der Linie verlassend, immerhin eine
gewisse Allgemeinheit des Standpunktes und Adel in der Auf-
fassung festgehalten. Auf einer, für die Bedeutung und den
Gehalt des Bildes nur zu grossen Fläche, hat 0. Cli. in einer
Zusammenstellung von mehr als zwanzig lebensgrossen Figuren
die Idee der „Vergänglichkeit", nach den horazischen Worten:
„Eheu fugaces — — Labuniur anni!"1) ausgedrückt. Am
Ufer eines Flusses, der mit leichtem Fall durch sein felsiges
i Bett gleitet, unter Tempeltrümmern, sitzen die Vertreter der
verschiedenen Altersstufen: Kinder, die sich an Seifenblasen er-
götzen, heranwachsende Mädchen, Blumen windend; weiterhin
die beiden Geschlechter im harmlosen Genüsse des Weins und
der Liebe; endlich, den Kreis abschliessend, das Alter in ern-
ster Betrachtung. Die Aufgabe, die sich der Künstler in die-
ser Allegorie gesetzt, ist befriedigend gelöst; an deutlichen An-
spielungen auf die Flucht der Jahre und die Hinfälligkeit alles
Geschaffenen hat er es nicht fehlen lassen. Die Farbe des Bil-
des hat Frische, doch ermangelt sie der Feinheit im Ton, und
die Behandlung ist stumpf und ohne Reiz.
H. P. Picou, dessen wir voriges Jahr noch lobend er-
wähnten, entfernt sich immer mehr von der Anfangs einge-
schlagenen Bahn, und während im Jahre 1848 sein „Antonius
und Cleopatra auf dem Cydnus" in ihm eine Stütze der jungen
Schule erblicken Hessen, während besonders das Elegante, das
Freundliche und Anmuthige seinem Geschmacke zuzusagen schien,
sendet er dieses Jahr eine grosse Leinwand ein, worauf lar-
vengleiche Gebilde, der Unterwelt entstiegen, die schlangen-
haarigen „Erynnien" einem armen Sünder erscheinen, der sich,
wie im Todeskampfe, zu ihren Füssen krümmt. Die Farbe die-
ses Bildes, das in der Erinnerung schon wie ein Alp auf dem
Beschauer lastet, ist — wie sie sein soll — grau, ohne alle
Lebensfrische; das Ganze von pappdeckelnem Ansehn. — Doch
was bei diesem jungen Talente sicher nur ein Schwanken in
seinem Entwickefungsgange ist, das erscheint bei einer anderen
Klasse von älteren, ehedem mit Auszeichnung genannten Künst-
lern als entschiedene Schwäche und klägliche Verirrung, aus
der keine Rückkehr zu hoffen. So hat Abal de Pujol unter-
nommen, nach Hesiod's sinniger Dichtung „das Ende der Welt"
durch den Tod des Liebesgottes, worauf Alles in das Nichts
zurücksinkt und nur die unbewegliche Zeit übrig bleibt darzu-
stellen, hat aber, vom Geiste des Dichters völlig unberührt, seine
Aufgabe auf so hölzerne, so geschinack- und styllose Weise
gelöst, dass aus dem Ganzen ein lächerlich unwürdiges Zerrbild
geworden ist.— J. F. Gigoux' „büssende Magdalena", noch
1) II 14.
mehr aber seine „Galatea" könnten beinahe Zweifel an der Zu-
rechnungsfähigkeit dieses sonst so wackeren Künstlers aufkom-
men lassen. — Zum abschreckenden Beweise aber, wozu, bei
gänzlicher Entfernung von der Natur und Wahrheit, eine ge-
danken- und gefühllose Fertigkeit der Hand und eine geleckte,
kalte Vollendung führen kann, dienen H. Fr. Schopin's „Pa-
radies des Mahomet" und „Sardanapal's Scheiterhaufen". Eine
fröstige und schreiend bunte Färbung gesellt sich zu den an-
geführten negativen Eigenschaften, um aus diesen zwei Bildern
das Widerwärtigste und Abstossendste zu machen, was, unse-
res Erachtens, die Ausstellung enthält; was jedoch sicher diese
beiden sehr figurenreichen Compositionen nicht hindern wird,
durch den Kupferstich (in der Grösse der Urbilder) verewigt,
in tausend und aber tausend Hände zu kommen. Wenn wir uns
aber entschliessen, diese und ähnliche Urtheile auszusprechen,
so geschieht es einmal im gerechten Unwillen über diese Ent-
würdigung der Kunst, dann aber mit Rücksicht auf das mög-
liche Erscheinen solcher Werke in den Kunstsälen rheinischer
und anderer vaterländischen Städte, wo dann nicht selten, in
Folge einer ganz natürlichen Hinneigung zur Verallgemeinerung,
von. einer so verunglückten Leistung auf eine ganze Schule ge-
schlossen wird. Nirgends weniger aber, als hier, findet das
„ab uno disce omnes" seine Anwendung, indem in Frankreich
bei der unendlichen Mannigfaltigkeit der verschiedenartigsten
Richtungen, von einer Schule im gewöhnlichen Sinne und
somit von Uebereinstimmung, von gemeinschaftlicher Tendenz
und vollends von Verantwortlichkeit und Solidarität nicht im
Entferntesten die Rede sein kann.
Ein ähnliches Verdammungsurtheil, wie den Letztgenannten,
trifft auch den seit 30 Jahren thätigen J. Court, welcher im
Jahre 1827 durch eine ernstlich durchdachte und gewissenhaft
ausgeführte grosse historische Schöpfung, den Tod des Cäsar,
jetzt im Palaste Luxembourg, sich Ruhm und Ehre erwarb, seit-
dem aber, mit seinen reichen Gaben immer frecheren Missbrauch
treibend, sich leichten Kaufes in die Gunst der einsichtslosen
Menge einzuschmeicheln sucht und augenblickliche, wiewohl
sehr zweifelhafte Erfolge erzielt. Wie tief ein Künstler fallen
kann, der, einmal auf Abwege gerathen, sich immer weiter vom
Ziel entfernt, das beweisen die drei von Court ausgestellten
Nummern, ein grosses historisches Portrait des Erzbischofs von
Paris, die halbe Figur einer Römerin und ein drittes Bildniss
eines jungen Mädchens.
Um dieses Capitel mit einem Male abzuthun und was wir
auf dem Herzen haben auszusprechen, sei hier noch zweier we-
niger bekannten Künstler Erwähnung gethan, welche, in lebens-
grossen Verhältnissen, der eine, K. H erbsthoffer, eine „Ver-
suchung des heil. Antonius"; der andere, J. J. Lecurieux,
„Wilhelm von Aquilanien zu den Füssen des heil. Bernhard"
vorgestellt haben. Was sich nur geschmacklos Uebertriebenes,
Naturwidriges und Unwahres in der Zeichnung, Grelles in der
Färbung, praktisch Oberflächliches in der Behandlung denken
lässt, ist in diesen zwei Bildern vereinigt, von denen das letz-
tere ganz besonders eine auffallende Aehnlichkeit mit dein un-
erquicklich überladenen und manierirten Styl gewisser politisch-
allegorischen Zeichnungen darbietet, welche ein süddeutsches
Wochenblatt entstellen, das im Uebrigen der reichlich sprudeln-
den Quelle seiner gesunden Laune und seines schlagenden Wit-
zes einerseits, und den mannigfaltigen, von scharfer Beobach-
tungsgabe zeugenden, schlicht, wahr und trefflich in Holzschnitt
ausgeführten Bildern aus dem Leben andererseits, eine wohl-
verdiente Anerkennung und beispiellose Verbreitung verdankt.
Kehren wir nach dieser Abschweifung zu den historischen
Bildern zurück und suchen wir auf dem Gebiete der kirchlichen
Malerei, auf das wir unvermerkt gerathen sind, nach ach-
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