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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 3.1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.1196#0278
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262

für Gestalten, die eine Idee repräsentiren, eine ideale Form.
Und damit, glaube ich, dürften Alle übereinstimmen, die die
Kunst vom höheren Standpunkt aus betrachten. Es kommt also
nur darauf an, zu bestimmen, worin die Idealität der Form be-
stehen solle. Legt man sie in die Gewandung und behält die
Bildnisstreue für den Kopf bei, so hat man die Aufgabe nur
halb gelöst und nicht mehr erreicht, als wenn man zur Be-
zeichnung des Gedankens „Sophokles des 18. Jahrhunderts"
einer Gestalt in der Tracht dieser Zeit die Büste des griechi-
schen Dichters aufsetzen wollte.

Dann scheint mir eine zweite Ansicht verwirrend einzwir-
ken, nämlich die: die Form der antiken Kunst für die alleinige
Idealform zu nehmen. Abgesehen von den romantischen For-
men im Allgemeinen beruht ja die gesammte christliche Kunst
auf der Schöpfung einer neuen Idealform, und wenn auch in
den ersten Jahrhunderten die Erinnerungen aus der Vergangen-
heit nachwirkten, so fand man doch bald für die Apostel und
Propheten, für den Heiland und seine jungfräuliche Mutter eine
ideale Gestaltung, die nicht mehr an die Rhetoren Roms und
an die Götter Griechenlands erinnerte. Mit gleichem Rechte
muss auch die Kunst der Gegenwart sich frei halten dürfen von
bestimmten Idealformen der Vergangenheit, wenn es ihr nur
gelingt, den eignen, der Wirklichkeit entnommenen, das Ge-
präge der Idealität zu geben; was freilich, wie so manches An-
dere, vom Genie und Geschmack des Künstlers abhängt.

Die im Warnen des Erbgrossherzogs von Weimar, der sich
von Anfang an an die Spitze des Unternehmens gestellt, mit
Rauch geführten Unterhandlungen schienen anfangs auf kein
Hinderniss zu stossen, bis die Costümfrage angeregt wurde und
bei dieser Gelegenheit es sich zeigte, dass es Rauch auch bei
dem besten Willen und selbst bei der Bereitwilligkeit, einen
neuen Entwurf zu machen, unmöglich sei, auf die Bedingungen
des Königs einzugehen, namentlich seine Zeit einer anderen
Anstalt zu widmen, als der unter seiner Fürsorge entstandenen
und stehenden königl. Erzgiesserei in Berlin. Anderentheils
war nicht entfernt daran zu denken, dass König Ludwig das
Erz aus der Münchner Giesserei in die Berliner schicken und
sich damit in ein überideales ') Verhältniss zu dem Unterneh-
men setzen würde.

Bei der unbestreitbaren Thatsache, dass ohne die Vermit-
telung des Königs Ludwig das Unternehmen gegenwärtig nicht
in Angriff genommen worden wäre, und gebunden durch die
Zusage der Ausführung des Gusses in München, sah man sich
in Weimar genöthigt, von der Ausführung der Rauch'sehen
Gruppe abzugehen und wandte sich, da man das Monument
selbst nicht aufgeben wollte, an einen anderen Künstler.

Herr-— r in No. 24 des Kunstblattes glaubt „es abwarten
zu müssen, ob und wer unter den Bildhauern Deutschlands
sich bereitwillig finden lassen wird, seine Arbeit an die Stelle
von Rauch's Conception zu setzen?" gleichsam eine Ilias post
Homerum nicht zu dichten, sondern zu arbeiten. Nun! zu
lange wird er nicht warten müssen! Dank der Lehre Rauch's,
Dank seinem offenen Auge, Dank seinem edlen Herzen! Der
Künstler ist gefunden und Rauch hat ihn selbst zur Ueber-
nabme der „Arbeit" aufgefordert, ihn selbst dem Erbgross-
herzog auf das wärmste empfohlen: es ist Rauch's Schüler,
der Meister der Lessing-Statue, Ernst Rietschel.
_^__^ Ernst Förster.

1) ? ?

Pariser Kunstausstellung von 1852.

(Fortsetzung.)

Louis Duveau. — Antigua. — Theodore Chasseriau. — Omer-Oharlet. —
H. P. Ficou. - Atel de Fujol. — J. F. Gigoux. — H. Fr. Schopin. — J.
Court. — K. Herbsthoffer. — J. J. Lecurieux. — N. A. Hesse. — Louis Be-

zard. — Alex. Desgoffe. — Fr. Bouterwek. — Ol. Jacquard. —
A. F. Cammade.

Louis Duveau, ein junger Künstler aus der Bretagne,
der sich seit sechs Jahren durch gewissenhafte Studien und
vortreffliche Charakteristik in der Darstellung von Lebensbil-
dern ernsten, ja düsteren Inhalts aus den Kreisen der Fischer
und anderer Küstenbewohner der Gegend von St. Malo, be-
merklich gemacht, hat dieses Jahr wieder ein sehr grosses Bild
„ schiffbrüchige Fischer (aus Plouneour-trez)" eingesandt. Die
Zeichnung und Formengebung dieses Bildes ist von ungewöhn-
licher Schärfe und Bestimmtheit, die Anordnung ist voll Ge-
schmack, die Behandlung ausserordentlich kräftig, die Farbe
tiefgesättigt, wahr und schön. Nur dem Meerwässer hat der
Künstler nicht die diesem Elemente eigene Durchsichtigkeit und
Beweglichkeit zu geben gewusst. Ueberhaupt schadet dem Ein-
druck des Bildes die zu grosse und zu gleichmässige Vollen-
dung, welche den.Gestalten etwas Steinernes im Ansehen giebt.
Auch hat sich D. nicht ganz frei zu halten gewusst von einer
zu gesuchten Eleganz und von gewissen Uebertreibungen. So
haben die im Winde wehenden langen Haarbüschel der Fischer
etwas Störendes und beinahe Lächerliches.

Ungetheilten Beifall fand dagegen ein in kleinem Maassstab
ausgeführtes Bild desselben Künstlers, „ die geweihte Kerze " be-
nannt, dessen einfache und rührende Vorstellung auf folgender
in der Bretagne noch herrschenden Sitte beruht. Wenn der
Leichnam eines Ertrunkenen gesucht wird, versammelt sich die
Familie; man bringt ein flaches Boot herbei, befestigt eine bren-
nende Kerze darin und überlässt es den Wellen. Der Finger
Gottes führt das Boot der Stelle zu, wo der Ertrunkene liegt,
und die Familie also in Kenntniss gesetzt, kann den Leichnam
in geweihter Erde begraben.

Wir haben schon im vorigen Jahre die naturalistische Rich-
tung Antigna's bezeichnet, dessen grosse „Feuersbrunst" ihm
eine Medaille erster Classe eingetragen. Durch ergreifende
Wahrheit zeichnet sich auch diesesmal das Seitenstück zu jenem
Bilde aus: eine „Familie von Landleuten, durch die aus ihrem
Bette getretene Loire überrascht, in der Hast auf das Dach des
Hauses sich flüchtend". — Freundlicher aber und ansprechen-
der durch den Gegenstand, so wie zugänglicher im Maasse, als
jene übergrosse Leinwand, ist sein „Mädchen, einen Bach durch-
schreitend". Obwohl in der Form etwas unbestimmt,- ver-
nachlässigt in der Behandlung und von mehliger Farbe, wirkt
doch diese vortreffliche Naturstudie durch anspruchslose und
ungeschminkte Wahrheit, und durch einen gedämpften, aber
feinen, harmonischen und mit Hilfe gewisser Gegensätze kräf-
tigen Ton, wohlthuend auf den Beschauer.

Theodore Chasseriau, geboren im spanischen Süd-Ame-
rika, nennt sich einen Schüler Ingres', verfolgt aber seit Jah-
ren in unverkennbarer Nachahmung Eug. Delacroix's, obschon
nicht ohne Eigentümlichkeit, eine der strengen Weise seines
ehemaligen Lehrers schnurgerade entgegengesetzte Richtung.
Wir haben schon früher gesucht, so gut dies mit Worten an-
geht, einen annähernden Begriff von der schwer zu beschrei-
benden und zu classificirenden Manier dieses Künstlers zu ge-
ben, bei dem sich eine lebhafte Phantasie, grosser Adel in der
Auffassung, etwas Ritterliches im Anstände, ein gewisser Stolz
in der Haltung der schlanken Figuren, eine im bunten Wechsel
der Lokaltöne schillernde reiche, höchst pikante und doch har-
 
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