Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 6.1855

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1199#0465
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
435

mauer dieses Saales liegt nämlich in derselben Flucht mit der west-
lichen Schlußmauer der Kirche. Der Raum zwischen beiden wird
durch 'einen Keller mit spätgothischen Gewölben gefüllt, an dessen
Außenmauer man an einer Lisene 'die ohne Zweifel authentische Jah-
resbezeichuung 1201 findet. Der kreuzgewölbte Gang, der hier sich
vorlegt, um die Verbindung zwischen dem Paradies und den nörd-
licher gelegenen Theilen herzustellen, ist in spätgothischer Weise über-
wölbt und ausgebaut worden, so daß auf den romanischen Lisenen
gothische Rippen aufruhen.

Begeben wir uns wieder in den Kreuzgang zurück, so finden
wir am östlichen Ende des nördlichen Flügels eine schön angelegte
Treppe aus gothischer Zeit, und hinter derselben ein gewölbtes Ge-
mach, welches, wie die Abbildungen an den Wänden andeuten, als
Geißelkammer diente. Auch von hier aus öffnet sich ein male-
rischer Durchblick auf Kreuzgänge und Kirche. Aus derselben spä-
teren Zeit stammt endlich der neue Kapitelsaal, der mit elegan-
ten Fächergewölben auf drei schlanken Rundsäulen ausgesührt ist,
durch ein breites Portal und reich verzierte Fensteröffnungen mit
dem Kreuzgang in Verbindung steht, und einen entzückenden Blick
sowohl auf den nördlichen und westlichen Flügel und das Queühaus,
als auch auf den südlichen und die dahinter aufragende Kirche ge-
währt. Nach Osten erweitert sich dieser schöne Capitelsaal mit einem
aus dem Achteck construirten Vorbau, der vermuthlich auf seinem
erhöhten Boden einen Altar enthielt. Der Saal selbst ist 50 Fuß
laug und 28 Fuß breit.

Zwischen diesem und der bereits erwähnten Geißelkammer liegt
ein Verbindungsgang, der in das sogenannte Parleatorium, den
Sprechsaal, mündet. Letzterer ist ein 88 Fuß langer, nur 20 Fuß
breiter Raum, der ein mit gothischen Netzrippen bedecktes Tonnen-
gewölbe hat. Es ist der einzige in schiefem Winkel angelegte Bau-
teil des Klosters; diese Richtung aber war vermuthlich durch die
Lage des aus dem Kreuzgang führenden Verbindungsgangs und der
Abtswohnung bedingt. Letztere nämlich, das sogenannte Herren-
haus, welches den östlichen Theil des ganzen Baucomplexes bildet,
ist zwar in spätgothischer Zeit umgebaut worden, allein seine süd-
liche Umfassungsmauer rührt noch aus dem zwölften Jahrhundert.
Sowohl von hier, als auch aus dem neueren Kapitelsaal führen
steinerne Wendeltreppen aufwärts nach dem Oralorium, welches
über dem Parleatorium angeordnet ist, und gleich diesem elegante
Netzgewölbe mit trefflich sculpirten, leider mit Tünche verschmierten
Schlußsteinen hat. Alle diese Theile stammen gleich dem Umbau
des Herrenhauses aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Hier bildet
im Erdgeschoß ein langer Saal den Hauptbestandteil. Die Holz-
balken seiner Decke ruhen auf sechs Steinpfeilern, deren Kapitäle
merkwürdiger Weise die Würfelform haben (die allerdings für das
Auslegen der Balken sich trefflich eignet), aus deren Schäften aber
ein rankenartiges Maaßwerk ausgemeißelt ist. An der Nordseite
erhebt sich, auf säulenartigem Unterbau vom Boden aufwachsend, ein
zierlicher Erker in spätgothischen Formen. Diese Seite liegt nach
einem stillen, von Wirthschastsgebäuden eingeschlossenen Hof, in des-
sen Mitte ein zierlicher Brunnen aus derselben Zeit des fünfzehnten
Jahrhunderts steht. Aus einer in Blei gegossenen Pyramide fällt
das Wasser in eine große Schale aus Glockengut, von welcher es
dann durch Köpfe in die untere steinerne Schale gespieen wird.

In der Kirche hatte ich nicht.begreifen können, wozu der Raum
diene, den ich, nach dem äußern Aussehn der Kirche zu schließen,
über den Kreuzarmen sammt ihren Kapellen vermuchen mußte. Denn
während nach Außen ein hohes Kreuzschiff die Kirche auszeichnet,
geht die gewöhnliche Wirkung. desselben für das Innere ganz ver-
loren, da sowohl die Kapellen, als auch der übrige schmale Raum
der Kreuzarme die Höhe der Seitenschiffe nicht über trifft. Im

oberen Geschoß der Klostergebäude wurde mir dies Räthsel gelöst,

da ich über dem nördlichen Kreuzflügel die Bibliothek, ein hohes
Gemach, dessen spitzbogiges Tonnengewölbe auf zwei schlanken Säulen
ruht, fand. Ein ähnlicher Raum soll auch über dem südlichen Flü-
gel liegen.

Schließlich besichtigten wir noch das Aeußere der Kirche. Wir
fanden die Mauerflächen ungegliedert, nur auf den Ecken treten
Lisenen zur Verstärkung auf. Dagegen krönt alle Theile ein kräf-
tig und reich profilirter Rundbogenfries mit einem durch hervorge-
kantete Steine gebildeten Zickzackgesims, auch an den nicht sehr stei-
len Giebelkanten aufsteigend. In der östlichen Schlußwand läßt das
breite, später hineingebrochene gothische Fenster es zweifelhaft, wie
ehemals dieser Theil ausgebildet war. Dagegen zeigt die west-
liche Fatzade über dem Dach des Paradieses zwei gewöhnliche im
Rundbogen geschloffene Fenster, darüber ein Rundfenster mit einem
Sechspaß.

Mit diesen Reisenotizen, denen freilich das Beste, die Beigabe
anschaulicher Zeichnungen fehlt, mußt Du, lieber Freund, Dich be-
gnügen. Versäume indeß nicht, durch Anschauen der trefflichen Ab-
bildungen in dem Eisenlohr'scheu Werke den Mängeln meines Be-
richts zu Hülfe zu kommen.

/ranz Tschischka.

Nekrolog.

Oesterreich verlor einen verdienten Forscher auf dem Gebiete
der Alterthums- und Geschichtsforschung — Franz Tschischka.
Er starb zu Wien am 15. November d. I. an der Cholera im
69sten Jahre seines Alters, wenige Tage bevor er in sein 70stes
Lebensjahr getreten wäre. Er war geboren zu Wien 18. No-
vember 1786 und bis zum Jahre 1847 im Archive und der Regi-
stratur des Wiener Magistrats thätig, der er als Direktor in den
letzten Jahren Vorstand. Er gehört mit Primissen zu den ersten
'Oesterreichern, welche das mittelalterliche Kunst- und Volksleben
Oesterreichs zur Aufgabe ihrer Studien gemacht haben. Seine
Schriften sind, wenn auch in vieler Beziehung veraltet, doch gegen-
wärtig noch unentbehrlich für Alle, welche die Geschichte, die Kunst
und das Volksleben Oesterreichs studiren wollen. Das Verzeichniß
derselben nach Feil's genauen Angaben in der Beilage der Wiener
Zeitung dürste den Freunden der Kunst und des Alterthums nicht
unwillkommen sein. Sie sind der sprechendste Beweis seines litera-
rischen Wirkens.

Im Jahr 1818 gab Tschischka mit Max Schottky „die öster-
reichischen Volkslieder mit ihren Singweisen" heraus (2te Auflage
1844), im I. 1822 die „österreichischen Volksmärchen in österreichi-
scher Mundart" (siehe Wiener Jahrb. XII. 171 —186, XVII.
254—255 und österreichische Blätter für Literatur und Kunst Jahr-
gang 1844. 133—135, 237—240), „die Metropolitankirche zu St.
Stephan in Wien", erste Aufl. 1823, zweite Aufl. 1843; — „der
St. Stephansdom in Wien 1832. Folio. 21 S. mtt 44 Kupser-
tafeln von Wilder" (die Kritik dieses Werkes in den österreichischen
Blättern für Literatur und Kunst 1844. 137—167, 233—272)
sind Zeugniß seiner Thätigkeit in Betreff des Stephansdomes.
Pezzl's „Beschreibung von Wien" und seine „Chronik von Wien"
gab Tschischka mehrmals in vermehrter und verbesserter Auflage (er-
ftere zuletzt 1841, letztere zuletzt 1842) heraus; seine „Geschichte
Wiens" fällt in das Jahr 1847, die 2te Auflage 1853. 1836 er-
schien sein vielfach lückenhaftes Werk „Kunst und Alterthum in Oester-
reich" gr. 8. S. 448; 1834 sein „Geführter auf Reisen in dem
österreichischen Kaiserstaat." — Außerdem schrieb er den Text zu
Reinhold's „malerischen Ansichten von Klosterneuburg" 1822 und
 
Annotationen