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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 6.1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1199#0466
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zu Borr's „österreichischem Ehrenspiegel" 1836. Kleinere Aufsätze er-
schienen aus seiner Feder in verschiedenen österreichischen Zeitschriften.

In seinem Nachlasse ist ein großes, noch ungedrucktes Idiotikon
vorhanden, von dem einzelne Partien in österreichischen Blättern er-
schienen sind. Die Wilderschen Zeichnungen und Stiche für seine
projektirten „Kunstdenkmale der Vorzeit" sind in Th. v. Karajan's
Besitz übergegangen und dürften in den Publikationen des österrei-
chischen Alterthumsvereins veröffentlicht werden.

% t i t tt tt g.

lg. AerlM/ im November. Der vom Baurath F. Hitzig erbaute
Circus ist in diesen Tagen vollendet worden und wird seiner Bestimmung' dem-
nächst, übergeben werden. Das vornehmlichste Construktionsverdienst dieses statt-
lichen Baues besteht darin, daß der im Zwanzigeck angelegte Zuschauerraum bei
einem Durch m s rrvön 120 Fuß keinerlei freistehende Stütze im Innern hat.
Durch eine solide Eisenconstruktion ist es möglich geworben, dieses für die prak-
tische Benutzung so wichtige Resultat zu erzielen. Zwanzig eiserne Träger steigen
gleich den Sparren eines Zeltdaches empor und schließen sich in einem Kranz,
aus welchem ein mächtiger, aus Steinpappe gefertigter, reich vergoldeter Kron-
leuchter cherabhängt. Die Construktion ist auf ansprechende Weise durch ein ver-
goldetes Arabeskenwerk dekorirt. Auch das eiserne Band, welches ringsum in
der Umfastungsmauer die Träger aufnimmt und zusammenhält, ist mit vergolde-
ter Stuckaturdekoration bedeckt. Aus den Zapfen der eisernen Träger hangen
zwanzig kleinere Kronleuchter herab, welche in allen Theilen des Raumes ge-
nügendes Licht verbreiten. Ueber dem Haupteingang erhebt sich die königliche
Loge, deren Architrav von Karyatiden getragen wird. Sie steht mittelst einer
verschließbarem Porttere mit einem geräumigen Vorsaal in Verbindung, zu wel-
chem der gesonderte Aufgang auf einer steinernen Wendeltreppe führt. Gegen-
über der königlichen Loge ist die Loge des Orchesters; hier findet sich auch eine
Vorrichtung , vermöge deren erforderlichen Falls der Circus mit einer kleinen
Schaubühne im Verbindung gesetzt werden kann. Der Eindruck des ganzen
Raumes ist mL)X, zierlich und durch die häufige Vergoldung selbst reich. Die
Sitzreihen sind bequem angeordnet. Ueber ihnen zieht sich rings an den Wän-
den ein von Steffeck gemalter Fries hin, der die Geschichte der Reitkunst in
einer Reihe von Bildern vorführt. Diese Bilder sind frisch und lebendig ge-
malt auf blauem Grund, doch hätte eine mehr friesarttge Compositton den archi-
tekwnischen Zweck wohl noch bester erfüllt. Die Decke ist zeltartig mit Arabesken
und tanzenden Figuren von dem Maler Mo ölen a er bemalt. Zwischen den
Feldern des Frieses erheben sich Pilaster, welche in Karyattden zur Aufnahme
der einzelnen eisernen Träger enden. Auf diese Weise ist eine organische Glie-
derung der Wände und ein Hervorwachsen der Deckenconstruktion aus dem
Unterbau künstlerisch dargestellt. Die Sitzreihen sind auf gewölbtem Unterbau
angelegt; dies Gewölbe bildet einen um den ganzen Raum sich ununterbrochen
fortsetzenden Gang. Die unteren Reihen können durch eine Röhrenleitung mit
heißem Wasser erwärmt werden. Alle Treppen sind massiv angelegt, so daß
nur das Dach abbrennen kann. Auch ist durch zahlreiche gesonderte Aufgänge
ein möglichst schnelles Ausströmett der versammelten Menge, die sich auf 3000 Zu-
schauer belaufen kann, gesichert. In den hinteren Räumen ist außer den Gar-
deroben Stallung für sechzig Pferde. Vorn zu beiden Seiten des Vesttbüls ist
eine Conditorei und eine Restauration angelegt, beide Polygon und dadurch be-
merkenswerth, daß hier die ganze Circusmauer auf einer einzigen eisernen Mittel-
fäule ruht. Das Aeußere ist einfach, aber in guten Verhältnissen angelegt.

© JÜÜttdjtfW. Wenn bei einzelnen Gelegenheiten auch „beharrliches
Schweigen" als eine Sprache gelten kann, und zwar als die gelindeste und rück-
sichtsvollste, die überhaupt in Anwendung zu bringen ist, so hat das D. Kunst-
blatt vollkommen Recht gehabt, der „Entdeckung Amerikas" von Moritz Rugen-
das bisher in keiner Weise Erwähnung zu thun. Dieses Gemälde, seit seiner
Vollendung hier und in Augsburg einem größeren Publikum zugänglich, bildet
noch jetzt.in den verschiedensten Kreisen einen wesentlichen Stoff der Unterhal-
tung, weniger in Betreff seiner Eigenschaften und seines Werthes, als in Betreff
der Art und Weife, die sein Urheber in Anwendung zu bringen wußte, um die

Herstellung überhaupt zu ermöglichen und ihm dann nach Außen hin durch Be-
nutzung einzelner Federn eine Bedeutung zu verschaffen, die demselben in Wirk-
lichkeit nicht inne wohnt. Gerne würden auch wir diese Angelegenheit mit Sttll-
schweigen übergangen haben, die in ihrer Erörterung so wenig Erquickliches zu
bieten hat, wenn es nicht, nach all' dem Lärmen, der seither geschlagen worden,
endlich im Interesse der Kunstgeschichte der Gegenwart als eine wirkliche Pflicht
erschiene, dasjenige, was hier an Ort und Stelle in Aller Munde lebt, auch
der Oeffentlichkeit gegenüber auszusprechen und gewissenhaft und treu in die
Annalen einzutragen.

Line facta loquuntur. Als S. M. der regierende König Maximilian von
Baiern den Entschluß faßte, eine Reihe der hervorragendsten Momente der Welt-
geschichte von den namhaftesten deutschen Künstlern in großen Dimensionen aus-
führen zu lassen, um das Innere des zu erbauenden Athenäums damit zu
schmücken, wurde auch M. Rugendas, der sich durch seine amerikanischen Reisen
einen Namen erworben, mit dem Anträge beehrt, einen der Gegenstände, und
zwar die Entdeckung Amerikas auf großer Leinwand zur Ausführung zu bringen.
Bereitwillig nahm damals der Künstler einen Aufttag an, dessen Ausführung,
wie die allgemeine Sttmme kund gab und er sich selbst vielleicht gestehen mußte,
seine Fähigkeiten nicht gewachsen seien. Die Arbeit wurde begonnen; aber nach
Jahr und Tag stellte sich die Thatsache fest, daß ein Gelingen des Unter-
nehmens im Bereiche der Unmöglichkeit liege. Statt von der Arbeit'zurück-
zutreten, sah sich der Künstler, in der Bedrängnis; seiner Verpflichtungen,
veranlaßt, auf ein anderes Mittel der Förderung zu sinnen und bald ge-
lang es ihm, die Theilnahme mehrerer seiner Kunstgenoffen für seinen
Zweck zu bewegen. Nicht an die Schlechtesten hat er sich zu wenden gewußt,
denn Piloty, Theodor Horschelt und Voltz hatten die Liebenswürdigkeit, mit
Aufopferung ihrer Zeit und ihrer Kräfte eine so umfangreiche Arbeit zu vollen-
den, deren Neugestalttmg von Grund aus als eine Sache der Nothwendigkeit
erschien. So gedieh das Werk, während Rugendas die Schweiz durchreiste, zu
glücklichem Ende. Jeder der bezeichneten Künstler hatte denjenigen Theil zur
Bearbettung übernommen, für den ihn sein Talent am glänzendsten befähigte,
und bei einer gewissen genialen Flüchttgkeit der Behandlung entstand eine Ar-
beit, die den Charatter einer frischen, in großem Maßstabe hingegossenen Skizze an
sich trägt. Der Zweck war erreicht und Rugendas hätte jetzt, das Gefühl der
Dankbarkeit gegen seine rettenden und uneigennützigen Freunde im Herzen, ruhig
das von jenen vollendete Werk abliefern können, ohne daß Jemand von der An-
gelegenheit irgend Nottz zu nehmen für nöthig gefunden haben würde. Jetzt
aber, wo der Künstler sich selbst in so hohem Grade übertroffen sah, begann
die künstlerische Eitelkeit ihr trügliches Spiel der Täuschung über eignes Kön-
nen; alle Welt erhielt Einladungen, das herrliche Werk zu bewundern und
besonders wurden solche auf das Freundlichste berücksichügt, die gerne jede Ge-
legenheit wahrnehmeu, ihrer Feder entströmen zu lassen, was ihnen zu gefälliger
Verarbeitung eingegeben wird. In Folge dessen brachte zuerst die Neue Mün-
chener Zeitung einen Arükel, der den Maler Rugendas als den Schöpfer einer
neuen Gattung der Historien-, als den Regenerator der heuttgen Landschafts-Ma-
lerei hinstellt und alles das, was der bescheidene Künstler den Besuchern seines
Ateliers, wie wir selbst aus Erfahrung kennen gelernt, immer aufs Neue zu
wiederholen pflegt, in wohlgeordneter Rede reproduzirt. Es befremdete uns in
diesem Blatte nicht; daß hingegen die A. Allgemeine Zeitung im persönlichen un-
verdienten Interesse ihres Landsmanns, einem früheren, längst außer Thättgkeit
getretenen Correspondenten ihre Spalten wieder geöffnet hat, nachdem der re-
gelmäßige Berichterstatter in Sachen der Malerei wenige Tage zuvor, zwar durch
die Blume, aber doch hinreichend verständlich über Werth und Entstehungsart
des Bildes sich ausgesprochen, gehört unter diejenigen Trostlosigkeiten, die der
leidigen Zersplitterung zuzuschreiben sein möchten, welche seit Dr. Kolb's plötz-
licher Erkrankung in den Redakttonsverhältnissen sich geltend macht.

Die vielfach wiederholten Schilderhebungen in der Lokalpresse haben indessen
dazu Leigetragen, endlich die Wahrheit der Thatsachen an das Licht zu bringen
und die persönliche Versicherung des großen Reisenden, daß er, mit Cornelius
und Kaulbach auf einer Linie stehend, sich wie jene zur Ausführung seiner Ar-
beit nur untergeordneter, dienstbarer Kräfte bedient habe, muß eben so anma-
ßend, als undankbar und — komisch erscheinen.

Da noch zuletzt der Künstler wiederholt die Versicherung ausgesprochen, er
werde demnächst, ermuthigt durch seine glänzenden Erfolge, ein neues Werk und
zwar die Entdeckung der Freundschaftsinseln in gleichen Dimensionen in Angriff
nehmen, so können wir nur mit dem aufrichtigen Wunsche schließen: Davor

möge der Himmel all' seine Freunde gnädig bewahren! —

(Der heutigen Nummer ist ein Holzschnitt beigegeben.)

Das Blatt erscheint wöchentlich einmal; Abonnements nehmen alle Buchhandlungen und Postämter des In- u. Auslandes für den vierteljährlichen Preis von 1 Thlr. 20 Sgr. incl. aller Bei lagen an.

Verlag von Heinrich Schindler in Berlin. — Druck von Trowitzsch und Sohn in Berlin.
 
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