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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 6.1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1199#0459
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Zeitschrift

str bildende Kunst, Baukunst und

Kunstgewrrbr.

Unter Mitwirkung von

Lrgan

der Kunstvereine von

Deutschland.

Kugler in Berlin — PassavanL in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Düsseldorf — Schnaafe

in Berlin — Förster in München — Eitelberger v. Edelberg in Wien.

LrLigirt mm /. Eggers in Berlin.

M 49. Donnerstag. den 6. Deeember. 18S3.

Inhalt: Künstler und Werkstätten. VI. Hugo Bürkner. F. E. — Eine Fahrt durch Süddeutschland. Von W. LüLke. 6. Ein Tag in Maulbronn. —
Franz Tschischka. Nekrolog. — Zeitung. Berlin. München.

Künstler und Werkstätten.

VI. Hugo Bürkner.

(Hierzu ein Holzschnitt.)

Hugo Bürkner wurde im I. 1818 in Dessau geboren, war
als Knabe von großer Lebhaftigkeit und hatte besondere Freude am
Soldatenspiel und an Pferden, was ihn auch bestimmte, bei der Wahl
eines Berufs die Erklärung abzugeben, daß er ein Kavallerist wer-
den wolle. Da sich diesem Vorhaben Hindernisse in den Weg stell-
ten, so ging er zu einem Stallmeister, merkte aber allmälig, daß es
ein lediglich künstlerisches Interesse war, das ihn auf das angedeu-
tete Gebiet gezogen hatte, von dem ihn eine Kunstausstellung in
Dessau noch mehr entfernte, indem diese die schon früher geübte Fer-
tigkeit im Zeichnen zu größeren Anstrengungen auftief. Zu dem
Holzschneiden kam er durch einen eigenthümlichen Vorfall. Sein
Vater, Polizeidirektor der Stadt, hatte einen Betrug entdeckt, der
mit dem in Holz nachgeschnittenen Siegel seines Büreaus vollführt
war. Der ältere Bruder des Künstlers sah dieses Meisterstück eines
Betrügers und der Nachahmungstrieb reizte ihn zu einer ähnlichen
Arbeit, die dann, da die Jugend nach dem nächsten Besten zu greisen
pflegt, in der Anfertigung desselben Siegels bestand. Der Versuch
war so gelungen, daß er sogleich dem Feuer übergeben werden mußte;
er hatte indeß den jüngeren Bürkner zu ähnlichen Versuchen angeregt
und diese wurden von ihm mit so unermüdlichem Eifer betrieben, daß
er jeglichen Mangel an Unterweisung und an den nothdürftigsten
Instrumenten siegreich überwand. Bilderbücher waren seine Vorbil-
der, ein gewöhnliches Taschenmesser und die Stempelpresse in dem
Geschäftszimmer des Vaters seine Instrumente. Als aber dieser den
Ernst der Bemühungen seines Sohnes erkannte, versah er ihn we-
nigstens mit einigen passenderen, obwohl immer sehr unvollkommenen
Werkzeugen, welche dem jungen Künstler aber Rüstzeug genug schie-
nen, um sich damit an die Copie der alten Meisterstücke von Schäus-
felin, Beham und Dürer zu wagen, welche er sich von seinem
Zeichnenlehrer erbat. Der Umstand, daß Bürkner auf diese Weise
auf eigene Hand die Entwickelung des Holzschnitts aus seinen ersten
unvollkommenen und unbehülflichen Anfängen praktisch durchzumachen

VI. Jahrgang..

hatte, ist ohne Zweifel von Wichtigkeit dafür, daß er zu denen ge-
hört, welche den Holzschnitt in seiner kräftigen, einfachen Weise üben,
welche ihn innerhalb der ihm zukommenden Grenzen halten und hier
seine Vorzüge zur vollen Entfaltung gedeihen lassen.

Es war indeß Bürkner's lebendiger Wunsch, Maler zu werden
und weil es dazu in Dessau an Gelegenheit zu fehlen schien, so
machte er sich kurz entschlossen auf, und wanderte im November 1837
zu Fuß den voraufgesandten Proben seines Messers nach gen Düssel-
dorf, wo diese bereits Aufmerksamkeit und Theilnahme erregt hatten.
Es ist auch in der That nicht zu glauben, welche Richtigkeit in der
Zeichnung, welche Sicherheit in der Ausführung aus diesen ersten,
mit den dürftigsten Jnsttumenten gemachten Arbeiten spricht. Die
alten Dürers zeigen die größte Treue, nur hatte dabei der gute
Zeichnenlehrer, der die Gewalt der Köpfe vielleicht nicht begriff, nie-
mals verfehlt, seinem Schüler einen andern Kopf von glücklicher In-
differenz des Ausdrucks unterzuschieben. Bürkner kam in die
Werkstatt von Karl Sohn, und studirte dort zwei Jahre lang mit
vielem Eifer, ohne indeß darüber das Holzschneiden zu vernach-
lässigen. Vielmehr trug der Umstand, daß er in dem Hanse eines
Tischlers wohnte, der eine mehr als gewöhnliche Geschicklichkeit in
seinem Handwerk gehabt zu haben scheint, wesentlich dazu bei, seine
Richtung und Beschäftigung gestalten zu helfen. Denn in der Werk-
statt seines Hauswirths erlangte er eine größere Kenntniß der ver-
schiedenen Hölzer und der für ihre Bearbeitung zweckmäßigen Instru-
mente und mit diesen Mitteln und Werkzeugen arbeitete er munter
als Selbstlehrer weiter. Es geschähe ihm also, daß er, eh' er noch
das Formschneiden von einem Andern, ja auch nur einen andern
Formschneider oder irgend einen geschnittenen Holzstock gesehey hatte,
schon aufgefordert wurde, zunächst an der Illustration von Raczhnski's
kunstgeschichtlichem Werke mitzuarbeiten und dann nach Zeichnungen
von Bendemann und Hübner das Nibelungenlied, welches Wigand
in Leipzig damals herausgab, mit Bildern zu schmücken. Er, der
keine Idee von einem Grabstichel hatte, machte sich mit seinen un-
gefügen, selbsterfnndenen Werkzeugen an die Arbeit, und es gelang
ihm durchaus zur Zufriedenheit der Künstler. Dieser Erfolg bestimmte
ihn, die Formschneidekunst zu seinem Lebensberuf zu machen.

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