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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 6.1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1199#0413
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Kuilkaewerbt. Deutschlan-.

Unter Mittrirkung von

Kugler in Berlin — Paß avant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Düsseldorf — Schnaase

in Berlin — Förster in München — EiLelberger v. Edelberg in Wien.

DrLizixt mm /. Eggers in Berlin.

JM 44. Donnerstag, den 1. November. . 1855.

Inhalt: Arnold von Winkelried und sein Denkmal. — Apollo und Marsias. I. D. Passavant. — Briese aus der Schweiz. IV. Gottsr. Semper. —
Auswahl von Neuigkeiten des deutschen Kunsthaudels. Goethe-Album von Lud w. Richter. F. E. — Ztitung. Berlin. — Kunstvcrcine. Protokoll der
Sitzung der Abgeordneten des westlichen Kreises zu Dresden am 28. September 1855. - d. '

Literatur - Blatt Nr. 22. Shakespeare aus der modernen englischen Bühne. Erster Brief. Heinrich VIII. im Prinzeß-Theater. — Geschichte der
deutschen Literatur des achtzehnten Jahrhunderts. Von vr. Joh. Wilh. Schaeser. — Zeitung.

Arnold von Winkclricd und sein Denkmal.

Auf dem Wege nach Ennemoos stand seit alten Zeiten eine ein-
fache unansehnlicbe Kapelle, welche die Winkelried-Kapelle genannt
wurde, weil sie dem Struthahn von Winkelried und seinem berühm-
tern Enkel Arnold gewidmet war. Sie war in jenem wilden erha-
benen Gebirgsthal erbaut, in welchem nach dem Berichte der Sage
Struthahn einen verderblichen Lindwurm, welcher die naheliegenden
Gefilde verwüstete und weder die Hirten noch ihren einzigen Besitz,
die milchreichen Heerden, verschonte, tödtete, aber seinen Sieg nicht
lange überlebte, da ihn das Blut des Ungethüms vergiftete, wäh-
rend er das siegreiche Schwert über dessen' Leiche schwang'. Diese
Erzählung mag man als eine bedeutsame Vor- oder Nachdichtung
aus den geschichtlichen Helden ' betrachten. Die Kapelle desselben
stand in ihrer romantischen Einsamkeit bis die Soldaten der fran-
zösischen Republik dieses Denkmal ruhmreicher Tage zerstörten, als
sie mit fesselloser Rachelust das unglückliche Unterwalden zu Grunde
richteten.

Die Kapelle Arnold's von Winkelried ward verbrannt, aber sein
Andenken, das in dem schlichten Innern des ländlichen Tempels ge-
feiert wurde, konnte nicht durch das irdische Element verzehrt werden.
Die Gegenwart hat die Pflicht übernommen, dem Helden in Stanz
in der Nähe der Trümmer seines früheren Denkmals ein schöneres
auszubauen. An dem schweizerischen Schützenfeste, einem jener Volks-
feste, auf welche die Schweiz mit Recht stolz sein darf, erwachte vor
einigen Jahren der Gedanke, die Manen des Helden aus Unter-
walden durch ein Kunstwerk in dankbarer Erinnerung zu verherr-
lichen. Ueber die Art des beabsichtigten. Denkmals konnten verschie-
dene Meinungen miteinander streiten. Sollte eine Kapelle mit
Gemälden, welchen die Schlacht bei Sempach reichen Stoff gewährt
hätte, errichtet und so einer alten ehrwürdigen Sitte der Urschweiz
in der edeln Form der Neuzeit gehuldigt werden? Oder sollte der
- Held durch die Hand des Plastikers gefeiert, und sein Monument
am Fuße der heimathlichen Alpen aufgestellt werden? — Das
Letztere wurde von dem Wiukelried-Comito in Stanz, welches das
patriotische Unternehmen leitete, angenommen und ein Auftuf an die

VI Jahrgang.

schweizerischen Bildhauer erlassen, Skizzen zu einem, Winkelried-
Denkmal nach dem Geburtsort des Helden zu senden, wo bereits
eine beträchtliche, ihre Geber ehrende Summe zur Bestreitung der
Kosten eines allfälligen Monuments liegt.

Eine Idee, für welche Dr. Förster in München ein Wort ein-
legte, den sterbenden Winkelried in die Rippen einer Gebirgswand
am Vierwaldstätter-See einzumeißeln, wurde wegen der Schwierig-
keit oder vielmehr dxr Unmöglichkeit der Ausführung und wohl auch
in Betracht, daß das Kolossale, in welchem eine solche Arbeit sich
bewegte, leicht das Schöne benachtheiligen könnte, aufgegeben. Un-
beachtet blieben mit Recht einige Wohlmeinende, welche die Kunst
dem Nützlichen opfern wollten und eine Erziehungsanstalt oder ein
ähnliches Institut zu Ehren des Helden zu gründen riethen. Ist
nicht die Bewunderung das Gefühl, in welchem unser Herz dem
Helden entgegenschlägt, und der Bewunderung wahre Sprache die
Kunst? Oder gönnte man der schweizerischen Kunst nicht einen be-
lebenden Sonnenstrahl in ihrer Heimath, wo das Nützliche von Tau-
senden und alle Tage mit Emsigkeit gefördert wird, während die
Kunst, nur von Wenigen gepflegt, selten die Huld eines günstigen
Augenblickes genießt?

- Winkelried's- Bedeutung für die Schweiz liegt nicht in einem
dem Staate gewidmeten Leben; er hat nicht als Heerftihrer eine
folgenreiche Schlacht geleitet und entschieden, sondern vollbrachte als
einfacher Krieger in den Reihen seiner Landsleute eine einzelne That,
welche seinem Muthe und seinem Hochsinne eben so viel Ehre macht,
als seiner Einsicht und seinem militärischen Verstände. Aber nicht
sowohl die That und ihre Folgen, als der geistige Quell derselben
ist es, was ihn zu einem Liebling des Volksbewußtseins erhob, denn
in ihm verkörperte sich jene aufopfernde'Vaterlandsliebe, mit welcher
die Schweizer in den verschiedensten Zeiten Gut und Blut für ihre
Freiheit einsetzten. Das Symbol dieses hochherzigen Sinnes ist
Winkelried, der zugleich als Held in dem wahrsten Sinne des Wor-
tes gepriesen werden kann. Verwegenheit ziemt dem Abenteurer, der
die Gefahr mißachtend, mit ihr spielt; kühn ist Jeder, der die'Ge-
fahr kennt, den aber die Selbsterhaltung besttmmt, gegen den dro-
henden Untergang das eigene Leben zu wagen; tapfer ist der Soldat,

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