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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 6.1855

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https://doi.org/10.11588/diglit.1199#0009
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Deutsches

Zeitschrift

für bildende Kunst, Baukunst und

Kunstgcwcrbc.

Kunstblatt.

llrgan

der Kunstvereine von

Deutschland.

Unter Mitwirkung von

Kuglcr üi Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wicgmaim in Düsseldorf — Schnaufe

in Berlin — Förster in München — Eitclbergcr v. Edelberg in Wien.

Migirt Wll /. Eggers in Mlili.

Donnerstag, den 4. Januar.

1888.

Inhalt: Andreas Schlüter. — Knust und Künstler zu Nom im Jahre 1853 — 1854. UI. Overbeck. Flatz. Seitz. (Hierzu ein Kupferstich.) — Die Baron
von Mecklenbnrg'fche Gemäldesammlung in Paris, oit. — Die neuen Giebel an der Südseite des Stefansdomes in Wien. — Leitung. Berlin. Königs-
berg i. Pr. Triest. — Kiuistvertinc. Uebersicht der Kunstausstellungen im Jahre 1855. Ausstellung in Danzig. — Briefwechsel.

Andreas Schlüter.

Heute begrüßt uns von der Spitze unsres Kunstblattes der
feine, charaktervolle Kopf Andreas Schlüter's. Vielleicht erregt dies
im ersten Momente bei manchen aufmerksamen Lesern einige Ver-
wunderung. Die Schutzpatrone unserer früheren Jahrgänge gehör-
ten, mit Ausnahme des letzten, jener glücklichen Epoche an, wo eine
naive Kunst auf heimischem Boden in fröhlichem Wachsthume den
höchsten Gipfel ihrer Entfaltung erreichte; und selbst Carstens,
unter dessen Auspicien der vorige Jahrgang geführt wurde, war,
wenn auch in einer Zeit des Verfalls, der Vertreter einer gesunden,
naturgemäßen Richtung, der Bahnbrecher für eine reinere, edlere
Auffassung des Lebens. Diesmal greifen wir in eine Epoche
zurück, die wegen ihres manirirten Geistes allgemein verrufen ist:
aber wir wählen daraus uns zum Patron einen Mann, dessen
Andenken zu erneuern uns heilige Pflicht bcdünlt, der zu den größ-
ten Meistern gezählt werden muß, einen Künstler, den die Wenig-
sten kennen und gebührend schätzen, der in ungünstiger Zeit, mit
Schwierigkeiten aller Art im Kampfe, Hohes vollbrachte, Undank
erntete und vom Schauplatze seiner edelsten Wirksamkeit verdrängt
wurde. So wenig wußten seine Zeitgenossen seinen Werth zu wür-
digen, daß ein halbes Jahrhundert später selbst den sorgfältigen
Nachforschungen Nicolai's es nicht gelingen wollte, über seine äuße-
ren Lebensumstände erschöpfende Nachrichten zu ermitteln; ja bis
auf den heutigen Tag entbehren wir eines ausführlichen Werkes,
welches den Entwicklungsgang und die Fülle der Schöpfungen jenes
ausgezeichneten Künstlers genügend darstellte. Nicolai's Arbeiten,
denen auch wir mit gegenwärtiger Lebensskizze folgen, bilden bis
jetzt die wichtigste Quelle für eine solche Schilderung.

Es hatte eine tiefere Wahrheit, wenn die Astrologen vordem
die Bedeutung äußerer Einflüsse für das Geschick des Menschen zu
ergründen sich bemühten; nur suchten sie darnach auf falscher Spur.
Die Verhältnisse der irdischen Umgebungen, Geist und Stimmung
einer Zeit, örtliche und persönliche Bedingungen wirken hemmend
oder fördernd, immer aber mannichfach modificirend auf die Ent-

VI. Jahrgang.

Wicklung des Individuums ein; am meisten vielleicht aus jede künst-
lerisch produktive Natur. Nicht allein, daß der Künstler ein feiner
organisirtes, zarter empfindendes Innere hat, durch welches er un-
mittelbarer dem Einfluß äußerer Beziehungen anheimfällt: auch die
Sprache, in welcher er das Gedachte und geistig Erschaute aus-
drückcn muß, ist ihrem allgemeinsten Wesen nach' cm Produkt
der Zeit, etwas Conventionelles, Feststehendes- So viel Eignes er
deßhalb auch an Gehalt aufzubieten hat, so unwiderstehlich dieses
auch selbst in die Formensprache mit hinübergreift, so wird doch
stets eine gewisse Grundfärbung im Sinne des befouderu Zeit-
charakters Zurückbleiben, wird die Originalität des Meisters in der
Ausdrucksweise seiner Kulturepoche ihre äußere Beschränkung finden.
In dieser Hinsicht ist es nicht gleichgültig, unter welchen Constella-
tionen der allgemeinen Geschmacksbildung ein Künstler geboren ist;
bietet doch die Kunstgeschichte zahlreiche Beispiele von bedeutenden
Talenten, — wir wollen nur an Lnca Giordano erinnern — die
durch eine verkehrte Moderichtung zu Grunde gingen. Freilich wird
derjenige Künstler, der einer verderblichen Zeitströmung entgegen zu
schwimmen und aus der allgemeinen Fluch sein angestammtes Erb-
theil mit männlicher Kraft zu retten weiß, um so höher in unsrer
Achtung steigen. Ein solcher charaktervoller Künstler ist Andreas
Schlüter.

Geboren um das Jahr 1662 zu Hamburg, kam er schon früh
mit seinem Vater, der ein mittelmäßiger Bildhauer war, nach Dan-
zig. Als der Vater bald darauf starb, erhielt der junge Schlüter
den ersten Unterricht in seiner Kunst bei David Sapovius, einem
dortigen Bildhauer. Unter welchen Meistern er seine fernere Aus-
bildung sodann verfolgte, ist nicht bekannt; vcrmuthlich aber hat er
sowohl in Italien als in den Niederlanden studirt, wie aus seinen
später» Werken hervorgeht, und nicht bloß die Bildhauerei, sondern
auch die Baukunst frühzeitig gründlich erlernt, denn um 1691 sin-,
den wir den noch nicht dreißigjährigen Künstler in Warschau, wo
er für den König von . Polen arbeitete. In Italien herrschte da-
mals jene Richtung der Architektur, welche man als Barocksthl zu
bezeichnen pflegt. Die beiden Haupt-Meister, Bernini und Bor-'
romini, obwohl in mancher Hinsicht verschieden und rivalisirend,

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